Pferd#
Das Pferd (Equus ferus caballus) ist als Haustier in zahlreichen Rassen auf der ganzen Welt verbreitet. Neueste Forschungen haben ergeben, dass in den Steppengebieten von Kasachstan 3500 v. Chr. Pferde als Reittiere domestiziert und auch gemolken wurden. Eine Pfeilspitze in einem Pferdewirbel aus Kaisersteinbruch (Burgenland) verweist auf die Verwendung schwerer Pferderassen um 800-700 v. Chr. Aus keltischen Heiligtümern sind Belege für Pferdeopfer bekannt. In Tacitus' "Germania" (um 98 n. Chr.) ist von Orakeln mit Pferden als "germanische Besonderheit" die Rede. Demnach zog man Schlüsse aus dem Schnauben und Wiehern von Schimmeln, die vor "heilige Wagen" gespannt waren. Zum Arbeitstier wurde das Pferd durch die Erfindung des Kummets. Zuvor waren Ochsen die Zugtiere.
Pferde als Reittiere waren dem Adel (Ritter) vorbehalten. Die Spanische Hofreitschule in Wien ist die älteste Reitschule der Welt, in der die "Hohen Schule" der klassischen Reitkunst gelehrt und vorgeführt wird. Sie entstand aus dem 1572 bekannten "Spanischen Reithstall". Seit 1580 werden Lipizzaner (seit 1920 aus dem Gestüt Piber, einem Zuchtbetrieb mit ca. 250 Tieren) verwendet. 2001 wurden Gestüt und Hofreitschule in einer Gesellschaft privatisiert. Seit 2010 stehen "Klassische Reitkunst und die Hohe Schule der Spanischen Hofreitschule" als eine von fünf österreichischen Nennungen auf der weltweiten UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes. Das "Wissen um die Lipizzanerzucht" wurde 2016 in die nationale Liste aufgenommen.
Reiterspiele und Umritte leben in manchen Bräuchen, wie Kranzelreiten, Leonhardi-, Georgi-, Stephans-, Martinsritt. Die alte Wertschätzung des Tieres drückt sich im Hufeisen aus, als Teil (pars pro toto) erhofft man von diesem Glückssymbol Wohlstand. Stilisierte Pferdeköpfe (Rossgoschen) im Giebelkreuz sollten das Haus schützen.
Entsprechend seiner Bedeutung kommt das Tier in vielen Redensarten vor, z.B.: "Das Pferd beim Schwanz aufzäumen" (etwas verkehrt machen), "vom Pferd auf den Esel kommen" (sozial absteigen - um 1300 bekannt), "mit dem kann man Pferde stehlen" (jemand ist zu allem brauchbar und bereit), "auf dem hohen Ross sitzen" (stolz tun), "eine Rosskur machen", jemandem zureden "wie einem kranken Pferd", ein "Trojanisches Pferd" (List), "Pferdearbeit" (schwere Arbeit), eine Sache hat einen "Pferdefuß" (Hinterlist - der Teufel wurde oft mit einem Pferdefuß abgebildet), "Rosstäuscher-Methoden" (unfaire Angebote). Wirtschaftliche Gründe hat der Spruch "Ross verrecken, großer Schrecken, Weiber sterben kein Verderben". Ein Pferd war in Anschaffung und "Betrieb" als Zugtier teuer. Ein verendetes Pferd konnte der Bauer nicht verkaufen. Verwendete er hingegen Ochsen, so wurden diese durch die Arbeit schwerer, wodurch er nach einigen Jahren vom Fleischhauer mehr bekam, als sie beim Kauf gekostet hatten.
Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 641 f.
Lutz Röhrich: Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Freiburg/Br. 1992. Bd. 2/S. 1164 f
Klaus Taschwer: Die ersten Reiter. In: Der Standard 6.3.2009
Karl Zinnburg: Salzburger Volksbräuche. Salzburg 1972
Film "Körndlbauern und Zegerltrager" von Anna Thaller, Andrea Müller, H.M. Wolf, Krems 2008
Wikipedia: Hauspferd (Stand 3.3.2024)
UNESCO-Liste
Bild:
Georgiritt in Nachdemsee, Altmünster (Oberösterreich). Foto: Alfred Wolf, 2003
Siehe auch:
Pferde in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015