„Kolossale Sensation: Aeroplan über Graz!“#
Vor 100 Jahren, am 4. Mai 1912, stieg das erste Flugzeug vom Thalerhof aus in die Luft. Eduard Nittner war der Pilot – zwei Jahre vor dem ersten offiziellen Fliegerstart.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Anfang 1913 ließ die k. u. k. Militärführung überprüfen, ob sich der alte Exerzierplatz Thalerhof der Garnison Graz als Flugplatz eignen würde. Das Ergebnis war positiv, einige Äcker wurden dazugekauft, Hangar errichtet und schon begannen die Arbeiten an einem Grasflugfeld. Am 26. Juni 1914 war es so weit, das erste Flugzeug hob vom Flughafen Graz-Thalerhof ab. So jedenfalls stellt es die offizielle Geschichtsschreibung des Flughafens dar.
Doch schon zwei Jahre früher hatte die echte Grazer Flugpremiere stattgefunden. Denn der denkwürdige „erste Aeroplananflug nach Graz“ durch Oberleutnant Eduard Nittner fand bereits am Freitag, den 3. Mai 1912, statt. Dabei hatte Nittner mit seiner Etrich Taube „Kondor“ von Wiener Neustadt kommend in Österreich die erste Alpenüberquerung mit einem Flugzeug über den Semmering-Pass geschafft. Eine Pioniertat sondergleichen. Zur Landung in Graz war Nittner der alte Exerzierplatz in Thalerhof empfohlen worden, jedoch zwangen ihn Motorprobleme bereits aufdemWiesenboden nördlich vom Lazaristenkloster in der Mariengasse zur Notlandung. „Natürlich kolossale Sensation: Ein Aeroplan über Graz! Man wollte nicht recht daran glauben“, vermeldete die Kleine Zeitung am 4. Mai und interviewte den Flughelden. „Es ließ sich alles prächtig an, nur die Orientierung war infolge des Dunstes kolossal schwierig, und ,droben‘ litt ich an Kälte“, erläuterte Nittner.
Der erste Flug ab Graz #
Mit Ochsen der Brauerei Puntigam wurde Samstagfrüh der „Apparat“ auf den Thalerhof überstellt. Und vom Exerzierplatz aus fand an diesem 4. Mai 1912 der erste Flugzeugstart statt – zwei Jahre vor dem offiziellen Erstflug. Aber diese Zählung beginnt ja erst mit der Errichtung des Flugplatzes, also hat sie, so gesehen, auch wieder ihre Berechtigung. Die Kleine Zeitung beschrieb den Start Nittners folgendermaßen: „Man sah von ferne, wie die Schraube angeworfen wurde, wie sie rasch und rascher mit der zunehmenden Tourenzahl ihre blitzenden Kreise zog. Dann sah man die Haltemannschaften zurücktreten – der Apparat setzte sich in Bewegung. Er lief näher und näher, schon hob sich der Schwanz vom Boden ab, wenige Sekunden später, gleichsam ein Sprung, und der mächtige Vogel war in sein Element emporgeschnellt.“ Der erste Schauflug dauerte gut zehn Minuten. „Und so blieb es Oberleutnant Nittner, dem kühnen Überflieger des Semmerings, vorbehalten, dem Grazer Flugfelde seine Weihe zu geben“, formulierte die Kleine Zeitung pathetisch.
Der Rückflug nach Wiener Neustadt wurde wegen starker Windböen und Schlechtwetters vorerst auf den 7. Mai verschoben. Um 06.14 Uhr war der Start. „Solange man noch den Apparat, einem Vogel gleich, als schwarzen Punkt in den Wolken sehen konnte, verfolgten ihn alle Augen mit atemloser Spannung.“ Das war wirklich die Zeit der tollkühnen Piloten in ihren fliegenden Kisten. Doch wieder musste Nittner umkehren und schildert das folgendermaßen: „Über Frohnleiten befand ich mich in 1000 Meter Höhe. Mit einigen Windungen kam ich auf 1300 Meter, bemerkte aber nun, daß der Motor unregelmäßig werde und nur stoßweise arbeite. Ich ging langsam auf 700 Meter herab und bereitete mich zu einer Gleitfluglandung vor. Ich stand in diesem Momente über einem kleinen Waldtal und hatte die Wahl, entweder dort eine gewaltsame Landung herbeizuführen oder noch weiter ausholend, in die Nähe der Mur zu gelangen, wo ich mich gefaßt machte, mitten im Wasser zu landen,umden mir bekannten, in dieser Gegend befindlichen Leitungsdrähten der elektrischen Hochspannung auszuweichen.“
Wetter verhindert Rückflug #
Als er aber zum Sturzflug ansetzte, „erhielt der Motor wieder plötzlich Zündung“ und Nittner flog nach Graz. Er dachte „Geht der Motor anstandslos weiter, so war das Aussetzen vielleicht eine der zufälligen ,Mucken‘, die die Maschinen ja leider noch immer haben.“ In diesem Fall wollte er über die Oststeiermark nach Wiener Neustadt fliegen. Kaum war er in Sicht des Schloßbergs, setzte der Motor wieder aus und er entschloss sich zur Landung. Weil in der Göstingerau aber Kinder spielten, musste er „ungünstiges Terrain neben der Mur wählen“. Jetzt hatte Nittner, der „zweite Überflieger der Alpen“, jedoch genug von den schlechten Wetterverhältnissen. Er fuhr einfach mit dem Mittagszug zurück nach Wiener Neustadt.
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