Jede Marke erzählt eine Geschichte #
Vor 125 Jahren wurde von sieben Herren der erste Grazer Briefmarkenclub gegründet. Am 11. und 12. März wird das Jubiläum jetzt in der Gösser mit der großen Ausstellung „ERBAG 2011“ gebührend gefeiert.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Am 11. März 1886, vor fast exakt 125 Jahren, gründeten sieben Briefmarkensammler im Gasthaus „Zur Stadt Neu-Graz“ in de Neu-Gasse 5 (heute Hans-Sachs-Gasse) den „Innerösterreichischen Philatelistenclub“. Es war der zweitälteste Briefmarkenverein der alten Monarchie, nur in Wien war die „Vindobona“ um zehn Jahre schneller gewesen.
Mit dabei war Viktor Suppantschitsch, ein Jurist und später Richter am Obersten Appellationsgericht in Wien. Vor allem aber war er bekannt als der weltweit größte Literaturforscher und -sammler auf dem Gebiet der Philatelie. Er war sozusagen die Weltkapazität für Briefmarkenkunde, und die Fachzeitschriften überschlugen sich mit Ehrentiteln für ihn: „Nestor der intellektuellen Philatelie“, „Altmeister der österreichischen Philatelie“ und „erste Autorität in der Welt auf dem Gebiet der philatelistischen Literatur“, wie die „Donaupost“ schrieb.
„Suppantschitsch hat ohne Einschränkung das Verdienst, die Bedeutung der Literatur für die Philatelie zuerst in das richtige Licht gesetzt und die Kenntnis der philatelistischen Literatur angebahnt und vorbereitet zu haben, wie er überhaupt die erste Autorität in der Welt auf dem Gebiet der Kenntnis der philatelistischen Literatur ist“, hieß es da.
Im Club: George Washington#
Bei der Jahreshauptversammlung 1887 wurde der vielfach Geehrte und Gelobte prompt zum Obmann gewählt, konnte dies aus beruflichen Gründen aber nicht annehmen – er war als Jurist dienstlich viel zu häufig unterwegs. So hieß dann der Obmann eben Julius König, der Leiter des Kreditvereins der Gemeindesparkasse, und Suppantschitsch wurde 1888 zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt. Ein anderes bedeutendes Klubmitglied der Grazer Anfangszeit trug einen sehr berühmten Namen – Baron George von Washington, ein entfernter Verwandter des ersten amerikanischen Präsidenten. Er besaß nicht nur eine große Sammlung mit der sagenhaften Rosa-Merkur-Marke, sondern verfasste auch ein Buch über die Marken der englischen Kolonien. Dieses handgeschriebene Werk befindet sich heute noch im Besitz des Vereins – mit etwa 1000 anderen Bänden Fachliteratur, erzählt Horst Walluschek-Wallfeld, heute Obmann des Vereins, stolz. „Wir vermitteln auch gerne das nötige Wissen dazu“, macht der rührige Pensionist Werbung in eigener Sache (Anfragen unter Tel. 0316/36 22 12).
Trotz der steifen Umgangsformen bei den frühen Klubtreffen, die ganz dem Zeitgeist entsprachen, wurde bei den Jahreshauptversammlungen, die damals noch „Stiftungsfeste“ hießen, stets köstlich gespeist – wie die Menükarte von 1891 zeigt, als man das 6. Stiftungsfest beging.
Da wurde Suppe à la Calmers serviert, gefolgt von Fogos à la Neufoundland, Rinderbraten à la Großbritannien mit Beigaben in verschiedenen Farbennuancen sowie Hahn beschnitten, durchstochen mit Salat (nach Wahl sauer gemischt oder süß). Zum krönenden Abschluss gab es Auswahlen in Obst und Käse.
1894 wurde der Club schließlich in „Verein der Briefmarkensammler in Graz“ umbenannt, der Begriff „Innerösterreich“ war doch schon antiquiert und unverständlich. Um1900 gab es an die 40 Mitglieder, einige davon in Triest, Linz und Deutschland. Aus Anlass des Jubiläums von „50 Jahre österreichische Briefmarken“ wurde am 6. Mai 1900 die erste Briefmarkenausstellung in Graz in der „Theaterrestauration“ durchgeführt. 1921 konnte der Höchststand an Mitgliedern gefeiert werden – 117 Personen zählte man. Heute ist man wieder auf 40 geschrumpft.
Heute sammelt man Themen#
„Aber dafür kennen wir uns alle“, lacht der Obmann. „Eigentlich müssten wir uns ja Altpapiersammler nennen“, philosophiert Walluschek-Wallfeld. „Denn wir sammeln nicht nur Briefmarken, sondern Briefumschläge, Formulare, Ansichtskarten zu bestimmten Themen, Vignetten usw.“ Der Reiz der Sammelobjekte liegt heute nicht mehr in der Vollzähligkeit aller Marken eines Landes, sondern in Themen, weiß er. „Darum kauft derzeit auch kein Händler oder Sammler reine Briefmarkensammlungen mehr.“
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