Erinnerung an die Mühlgänge von Graz#
Seit dem Mittelalter gab es in Graz zwei Mühlgänge, die für Gewerbebetriebe und Mühlen die Energie lieferten: Einen links der Mur, den es nicht mehr gibt, und einen rechts, der heute noch zu sehen ist.#
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Beide Mühlgänge nahmen in der Ortschaft Weinzödl im Norden von Graz ihren Ausgangspunkt. Dort, wo sich in der Nähe der einst gefürchteten Stromschnellen bei der alten Weinzödlbrücke das obere und das untere Weinzödlwehr befanden.
Hier wurde das Murwasser in einen rechten und linken Mühlgang abgeleitet. Da diese Wehranlagen aber einen Katarakt bildeten, waren sie bei Flößern und Schiffern sehr gefürchtet. Was auch der Wiener Beamte Josef Kyselak in seinem Buch „Skizzen einer Fußreise durch Österreich“ drastisch schilderte, nachdem er 1825 mit einem Floß von Bruck nach Graz gefahren war: „...die gefürchtete Weinzettelbrücke mit seinem Kreuze lag vor uns. Alle Männer entblößten das Haupt sich bekreuzigend; ich wußte noch nicht, was da kommen würde, doch mußte ich auf Ermahnen des Floßdirektors meine Jagdtasche um- und den Hund anhängen, beide nicht zu verlieren. Einige Mädchen zitterten und schrieen erbärmlich; umsonst, der Lauf war unerbittlich und donnernd stürzten wir ohngefähr fünf Schuh über eine Wehre herab; durch und über das Floß drängten sich die Wogen fußhoch auf sämtliche Passagiers.“
Gewerbliche Nutzung#
Ursprünglich waren diese Mühlgänge aus Seitenarmen und Nebengerinnen der noch unregulierten Mur errichtet worden, um ihre Wasserkraft wirtschaftlich zu nutzen. Denn der Fluss selbst war wegen seines ständig wechselnden Wasserstands für die Nutzung durch gewerbliche Betriebe kaum geeignet. Deshalb siedelten Mühlen, Färbereien, Lederer, Gerbereien am Mühlgang, dessen Wasser auch zum Löschen von Bränden diente. Aber auch Fische wurden dort gefangen, Wäsche wurde gewaschen – und gleich nebenan wurde Unrat aller Art entsorgt.
Vom Gang zum Mühlgang#
Die letzten Reste des linksseitigen Mühlgangs, der bereits am Fuße des Schloßbergs in die Mur zurückfloss, wurden erst 1976 zugeschüttet. Der noch bestehende rechtsseitige Mühlgang hingegen entfernte sich viel weiter von der Mur, floss durch die Murvorstadt und mündete erst nach 30 Kilometern bei Werndorf wieder in den Fluss. Wegen seines besonders starken Gefälles wird er heute noch von zahlreichen Betrieben zur Stromerzeugung genutzt. Dieser Wasserlauf wird bereits 1401 als „Gang“ und 1463 als „Mühlgang“ erwähnt, heißt es im Lexikon der dreibändigen „Geschichte von Graz“.
Militärschwimmschule#
Aber die Mühlgänge lieferten auch das Wasser für Freibäder, beispielsweise seit 1835 für die Militärschwimmschule nahe der Keplerbrücke, die 1978 geschlossen wurde. Heute stehen an derselben Stelle, wo 1924 Johnny Weissmüller, der spätere weltberühmte Tarzan-Darsteller, die steirische Schwimmelite besiegte, Wohnhäuser.
Vom Mühlgang ist keine Spur mehr zu sehen. Andere Beispiele für Bäder auf der linken Murseite sind das Mühlgangbad Rieger das Wellenbad Rauch, heute Korösistraße 42. Aber auch auf der rechten Murseite wurde im Mühlgang gebadet. Hier gab es ein Bad auf den Gründen des heutigen Orpheums – das Karolinenbad (1823) sowie seit 1824 das Bad zur Sonne.
Namen erinnern noch#
Doch der Energiebedarf stieg immer weiter und läutete noch im 19. Jahrhundert das Ende der Mühlgänge ein. 1916 war dann nach schweren Vermurungen der südliche linksseitige Mühlgang, der sogenannte Gössendorfer Mühlgang, aufgelassen worden. Er hatte seinen Anfang beim Augarten genommen und einigen Mühlen und Sägewerken/Thema/Saegewerk als Energiequelle gedient. Nun trocknete er langsam aus, wurde gegen Ende des Ersten Weltkriegs zum Gemüseanbau verwendet und schlussendlich zugeschüttet. Nur noch Namen wie Mühlgangweg, Mühlgraben und Am Langedelwehr erinnern heute noch an ihn.
zur Übersicht