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Die „japonische“ Sensation aus Raum 18 #

Die japanische Öffentlichkeit war völlig aus dem Häuschen, als man 2004 bei Restaurierungsarbeiten der Wanddekoration des „Japanischen Kabinetts“ in Schloss Eggenberg die älteste Ansicht der Residenzstadt Osaka entdeckte.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Paravents
Nach dem Aussterben der Familie Eggenberg im Jahr 1774 ging schließlich der gesamte Besitz an die Herberstein über, das Wissen über die Herkunft des Paravents ging jedoch verloren.
Foto: © UNIVERSALMUSEUM JOANNEUM

Als zwischen 2001 und 2004 in Schloss Eggenberg auch Raum 18 restauriert wurde, kamdie Sensation ans Tageslicht.

Bei dieser Arbeit entdeckte man, dass die acht Teile der Wandtapete im „Japanischen Kabinett“ ursprünglich ein achtteiliger Paravent von 182 Zentimetern Höhe und 480 Zentimetern Breite gewesen waren. Aber nicht irgendein historischer Stellschirm, sondern ein exklusives Stück von erlesener Qualität, das eine äußerst seltene Ansicht der alten japanischen Residenzstadt Osaka im „Goldenen Zeitalter zeigt. Wenn die Zerlegung dieses Paravents zu Tapetenstreifen auf den ersten Blick wie ein barbarischer Akt der Zerstörung wirkt, war er in Wirklichkeit aber die Rettung des Kunstwerks aus Papier – denn nur so konnte es bis heute erhalten bleiben, und seit 2005 in neuem Glanz erstrahlen.

Die Vorteile der Schattseite#

„Es war aber auch Glück, dass das Kabinett an der Nordseite des Schlosses liegt, daher war es nur wenig der Sonne ausgesetzt“, betont Paul Schuster, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Schloss.

Was ist nun das Besondere an dieser Darstellung Osakas? Der Stellschirm stellt eine einzigartige und bisher unbekannte Ansicht von Schloss und Burgstadt Osaka zwischen 1596 und 1607 dar. Damals war die Stadt unter dem Reichseiniger Toyotomi Hideyoshi (1536-1598) nach langem Bürgerkrieg zum politischen und kulturellen Zentrum Japans aufgestiegen und erlebte sein „Goldenes Zeitalter“ des Friedens.

Toyotomi Hideyoshi
Toyotomi Hideyoshi (1536-1598) einigte Japan.
Foto: © UNIVERSALMUSEUM JOANNEUM

Die Kriegerfürsten und Bürger lebten durch ihren Handel im Inund Ausland in großem Wohlstand. Und der Eggenberger Stellschirm stellt eine gewaltige Lobeshymne auf diese Toyotomi- Zeit dar. Die Vielfalt der Informationen darauf ist für Fachleute überwältigend.

Unglaubliche Details#

Wir erfahren nicht nur architektonische Details, sondern auch von der dringenden Notwendigkeit für Reisende, ihr Geld von Geldwechslern umtauschen zu lassen, da Japan damals keine einheitliche Währung hatte. Wir sehen Buben, wie sie mit dem Steckenpferd spielen oder mit Stangen kämpfen. Kleidermode und Haartracht der damaligen Zeit werden sichtbar. 500 Personen von Schwertadeligen und Straßenkünstlern bis zu Pilgern und Fischern werden auf dem gewaltigen Gemälde ebenso dargestellt wie Feste, Teerituale und Heiligtümer. Aber das alles ist kein naturgetreues Abbild, sondern es muss als stilisiertes Bild verstanden werden, auf dem Menschen zu groß, Gebäude und Schiffe hingegen zu klein dargestellt sind.

Brücke zum Bürgerviertel Senba
Brücke zum Bürgerviertel Senba.
Foto: © KK

Doch 1615 war die ganze Pracht zu Ende. Nach dem Tod von Toyotomi verlor die Familie bald schon ihre Vorrangstellung an den Tokugawa-Clan, der Edo, das heutige Tokyo, zum neuen Sitz der Macht ausbaute und 1615 Osaka eroberte. Dabei wurden Schloss und Stadt vollständig zerstört, die Familie Toyotomi ausgelöscht. Danach sollte nichts mehr an das „Goldene Zeitalter Japans“ erinnern, fast alle Kunst- werke und Dokumente wurden zerstört. Der Eggenberger Paravent, der in Europa so wunderbar überlebt hat, ist daher ein einzigartiges Zeugnis dieser untergegangenen Welt.

Wie aber ist er in die Hand der Eggenberger gekommen? Bereits im 16. Jahrhundert war Europa von der fremdartigen Schönheit des ostasiatischen Kunsthandwerks fasziniert. Chinesisches Porzellan und japanische Lackarbeiten erfreuten sich größter Beliebtheit. Fernost war in Mode.

In neuem Glanz#

Also erwarb bereits um 1660/80 auch Johann Seyfried von Eggenberg im Zuge der prächtigen Neueinrichtung der fürstlichen Residenzen in Eggenberg und Graz einige exotische Kunstwerke, darunter einen Paravent „mit indianisch Papier aufgelegt“, der sich schon vor 1700 im Grazer Stadtpalais der Familie (heute Palais Herberstein) befand. Als die Eggenberger Prunkräume ab 1754 neu ausgestattet wurden, wurde der alte Stellschirm zerlegt und als exotische Dekoration in die Wandbespannung eines modischen „Japonischen Kabinetts“ eingefügt – umrahmt von den großformatigen Malereien des Grazer Malers P. C. Laubmann, der seiner Fantasie freien Lauf ließ und fröhlich „chinesisch-indianische“ Szenerien entwarf.

Damit war der exklusive Stellschirm gerettet, berichtet Paul Schuster: „Wenn er aber als Standschirm erhalten geblieben wäre, hätte das Material den dauernden Gebrauch sicherlich nicht ausgehalten.“



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele