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Die "Seherin von Waltendorf"#

Maria Silbert war in den 1920er-Jahren die berühmte "Seherin von Waltendorf". Von ihr und ihrem Hausgeist Nell erzählte man sich die tollsten Dinge, viele verehrten sie, andere hielten sie aber für eine Schwindlerin.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Maria Silbert
Foto der Maria Silbert aus ihrer großen Waltendorfer Zeit
© KK
Hausgeist „Nell“
So soll sich Silberts Hausgeist „Nell“ selbst dargestellt haben
© KK

Gegenstände wurden von unsichtbarer Hand bewegt, elektrische Blitze zuckten durch den Sitzungsraum, aus Möbeln kamen Klopfzeichen und der schwere Tisch hob sich in die Höhe. Mehrere Teilnehmer der Séancen spürten - oft gleichzeitig - Berührungen an Knie und Unterschenkel. Auf Taschenuhren entstanden seltsame Gravuren, zumeist stand der Name "Nell" mikroskopisch klein da - auf dem Innendeckel der geschlossenen Uhr. Wunder über Wunder. Oder doch nicht?

Mit ihrem Hausgeist "Nell", der durch rhythmische Klopfzeichen über das Klopfalphabet auf Fragen Antworten gab, soll sie vielen Menschen geholfen bzw. sie vor einem Unglück bewahrt haben. Sagen die einen. Die anderen standen ihrem Tun sehr skeptisch gegenüber und sammelten Beweise für ihre Scharlatanerie.

Wer war dieses sagenumwobene Medium aber wirklich? Maria Silbert wurde am 24. Dezember 1866 als Tochter der sehr katholischen Lehrerfamilie Koralt in Friesach (Kärnten) geboren. Schon ihre Großmutter stand im Ruf einer Hellseherin und Gesundbeterin und war in der eigenen Familie als "unheimlich" verschrien.

Wie alles begann#

Im Alter von fünf Jahren begann auch Maria, Elfen und Zwerge zu "sehen", dann wieder sah sie als Einzige eine Hand an ihrem Bett, aber ihr Vater hörte das nicht gerne und tadelte sie wegen ihres Schwindelns.

Als Maria zehn Jahre alt war, wurde ihr Vater als Lehrer nach Ranten bei Murau, dann nach Brettstein in die Obersteiermark versetzt. Nach der Pflichtschule besuchte sie die Lehrerbildungsanstalt in Klagenfurt. Ihre erste Anstellung erhielt sie in Krakaudorf, wo sie den Finanzbeamten Gustav Silbert kennen- und lieben lernte. Bald schon heirateten sie und zogen nach mehreren Stationen durch die vielen Versetzungen ihres Mannes 1916 nach Waltendorf bei Graz, wo sie in der Schörgelgasse wohnten. Erst ab 1938 wurde ja Waltendorf bekanntlich mit 12 anderen Dörfern in Groß-Graz eingemeindet.

Séance-Anordnung
Die klassische Séance-Anordnung, wie sie auch bei Madame Silberts Sitzungen in der Schörgelgasse üblich war
© KK

Die Séancen#

Die sehr gläubige Maria Silbert brachte zehn Kinder auf die Welt, wurde aber von vielen Schicksalsschlägen schwer getroffen. Ein Sohn starb, einer fiel im Ersten Weltkrieg und dann starb ihr Mann. Jetzt, in den letzten Monaten des Krieges, begann sie mit ihren ersten abendlichen Sitzungen in ihrer Wohnung, den in Graz so berühmten Séancen. Schnell verbreitete sich ihr Ruf als Medium, und von nah und fern strömten Menschen zu ihr, um sich beraten zu lassen oder mit Verstorbenen in Kontakt zu treten. "In vielen bekannten und angesehenen Grazer Familien bildeten sich regelrechte Zirkel, die von Zeit zu Zeit Frau Silbert zu Sitzungen in ihr Haus baten und auch gerne dafür bezahlten", berichtete Heinz Felsbach in der Neuen Zeit.

1922 wurde während einer Sitzung nach Anfrage eines Teilnehmers sogar das Gesicht "Nells" mit Spitzbart und Schnurrbart in weichem Ton abgedrückt (siehe Foto rechts oben). Der damalige Professor für Experimentalphysik an der Grazer Universität, Hans Benndorf, setzte sich an die Spitze der Silbert-Kritiker und gab 1924 eine Denkschrift heraus, die sich "Die geheimnisvollen Kräfte der Frau Maria Silbert" nannte und sechs Protokolle von Steirern enthält, die an Séancen teilgenommen haben. Das Büchlein sorgte in Graz für heftige Diskussionen. Die Teilnehmer berichteten vor allem über die "Materialisationen mit Berührungen": "Und richtig sah auch ich bald die Erscheinung. Ganz automatisch, ohne es eigentlich gewollt zu haben, bückte ich mich rasch, griff zu - und siehe da, zu meiner größten eigenen Überraschung hatte ich den mit einem weißen Strumpf bekleideten linken Fuß der Frau Silbert in einer Hand, und unter ihrem weiten Rock, den ich gleichzeitig aufgehoben hatte, stand der leere Halbschuh", gab ein Direktor Wahrlich dort zu Protokoll.

Als Betrügerin hingestellt#

Als die zeitlebens kränkliche Maria Silbert nun in den Medien gnadenlos als Betrügerin hingestellt wurde, verwünschte sie ihre mediale Begabung, zog sich aus der Öffentlichkeit zurück und starb 1936. Langsam vergaß man in Graz die geheimnisvollen Ereignisse um sie.

In den ersten Monaten nach Ende des Zweiten Weltkriegs aber verrichtete der Mechaniker Karl Wirth Entrümpelungsarbeiten in der Schörgelgasse, darunter auch im Haus der Frau Silbert. Dabei fiel ihm im Keller ein Tisch in die Hände, der es in sich hatte: "Der Tisch sah sehr massiv aus. In den Tischbeinen entdeckten wir jedoch eingebaute Federn, die - durch einen Knopfdruck an der Unterseite der Tischplatte ausgelöst - den Tisch springen und tanzen ließen. Wir fanden auch eine installierte Glocke, die ebenfalls auf Knopfdruck reagierte", berichtete er. So können sich manche Wunder sehr schnell wieder in Luft auflösen.



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele