Im ungeschützten Paradies#
Die Messbarmachung der Diversität#
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: Die Furche (Donnerstag, 16. Dezember 2010).
Von
Oliver Tanzer
Allein 2008, so errechneten US-Wissenschafter, entstand durch menschliche Einschränkung der Artenvielfalt ein Schaden von bis zu sechs Billionen Dollar#
Es hat ganze 30 Jahre gedauert, um den Begriff Biodiversität, die Vielfalt und den Schutz der Arten, zu einem allgemein bekannten Begriff zu machen. In dieser Zeit ist beispielsweise der Bestand an Wirbeltieren weltweit um 30 Prozent zurückgegangen. Einen nachhaltigen Eindruck können dabei Studien hinterlassen, die die wirtschaftlichen Folgen der anthropogenen Einschränkung der Artenvielfalt geschätzt haben. Allein 2008 entstand ein Schaden von vier bis sechs Billionen Dollar. Da der Mensch immer wieder als entscheidender Faktor für Leben und Tod auch ganzer Arten in Erscheinung tritt, liegt es nahe, diesen Einfluss nicht nur monetär transparent zu machen.
Einen solchen Versuch stellt ein umfassendes Projekt der Universität Innsbruck in Gemeinschaft mit dem Institut für Wirtschaftsforschung der Universität für Bodenkultur, dem Landwirtschafts- und Wissenschaftsministerium sowie der EU dar. Ziel des Projektes: Werkzeuge für eine nachhaltige Landschaftsnutzung zu erreichen. Die für den Bereich Biodiversität zuständige Innsbrucker Wissenschafterin, Ulrike Tappeiner arbeitet beispielsweise an einem Projekt, das die Natürlichkeit der Lebensräume über die Messung von Biodiversität sichtbar macht.
Aus dem Vergleich detaillierter Flächennutzungsdaten haben die Wissenschafter nun eine Landkarte Österreichs erstellt, auf der die Naturdistanz dargestellt ist. Ergebnis, so Tappeiner: "Österreich weist aufgrund seiner Gebirgsregionen einen relativ hohen Anteil an unberührter Natur und hoher Artenvielfalt auf." Die vielbeklagte "Verhüttelung" dürfte dabei eine nicht unbedeutende Rolle spielen.
Längerfristige Perspektive#
Der Grund: Die Umwidmung unberührter Flächen in Bauland und die intensive Landwirtschaft mit dem Einsatz von Herbiziden und Dünger schränken die biologischen Vielfalt erheblich ein. Fazit: "Der Biodiversitätsindex nimmt ab, je weiter man vom Hochgebirge in Täler und zum Flachland übergeht", so Tappeiner.
Der Mensch ist allerdings nicht nur ein massiver Störfaktor, sondern manchmal auch ein Förderer von Biodiversität. So steigt etwa die pflanzliche Artenvielfalt durch die Bewirtschaftung der Almen und Almwiesen stark an. Um die tatsächlichen Veränderungen durch den Menschen sichtbar zu machen, müsste das Projekt "ProVision" allerdings über Jahre hinweg fortgesetzt werden.
Ein zentrales Ziel des Forschungsvorhabens ist es, auf regionaler Ebene Wechselwirkungen zwischen der Wirtschaft und der Umwelt zu beschreiben, zu messen und aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit ökonomisch sowie ökologisch zu bewerten. Eine der Forschungsfragen: Wie groß wird der Druck auf wirtschaftlich "marginale", ökologisch aber "wertvolle" Flächen, wenn vermehrt Kraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen im Inland erzeugt werden? Bereits präsentiert werden kann derzeit eine Karte über die flächengewichtete mittlere Gefäßpflanzenvielfalt und eine zur Naturdistanz (Bild links).
Siehe auch den Beitrag in IIASA-Options Summer 2021 !#