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Der neue Bauernhof#

(Vernetzte Technologie schafft nächste Arbeitsräume)#

von Martin Krusche

Haben Sie je bei einem Flug über ländlichem Gebiet aus dem Fenster geblickt? Es kann aussehen, als hätte man den Maler Piet Mondrian zum Landschaftsplaner bestellt. Satelliten blicken, bildlich gesprochen, auch auf solche Muster, um Bodeneigenheiten zu markieren. Vom „Precision Farming“ zum „Smart Farming“, da unterhalten sich dann zum Beispiel Maschinen auf den Feldern mit den Himmelsspionen, tauschen also Daten aus. Der Mensch nutz die EDV einerseits, um die enormen Informationsmengen zu verwalten und auszuwerten, andererseits zur Steuerung von Maschinen und Systemen.

Satellitenbild von Anbaufeldern in Kansas [1] – (Foto: NASA, public domain)
Satellitenbild von Anbaufeldern in Kansas[1] – (Foto: NASA, public domain)

Da passt dann wieder auffallend, dass wir aus dem alten Griechenland den Begriff der Kybernetik für die Steuerung und Regelung von Maschinen bezogen haben. Kybernetes ist der Steuermann. Auch wird die Kybernesis als Fähigkeit des Leitens verstanden. Steuern, die Leitung übernehmen, den Überblick bewahren. Davon gibt es in der heutigen Landwirtschaft reichlich zu tun.

Das betrifft inzwischen nicht bloß die Agrarindustrie, sondern auch kleine Betriebe. Wir haben im Bemühen, uns die Erde Untertan zu machen, allerhand erreicht. Wie es eben der Vers 28 des 1. Kapitels im Buch Genesis empfiehlt; so zumindest eine populäre Deutung der Bibelstelle. Die lautet, nachdem die Erschaffung von Adam und Eva zur Sprache kam, übrigens so: „Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.“ (Einheitsübersetzung an der Universität Innsbruck)

Wir wissen inzwischen, wie auch immer das gemeint war, so hat es auf jeden Fall nicht geklappt. Die Unterwerfung der unbändigen Natur musste abgesagt werden. Es gelang bestenfalls eine stellenweise und temporäre Bezähmung. So treibt uns über Jahrtausende ein Ringen um Ideen für leistungsfähige Werkzeuge, die des Menschen Abhängigkeit von den Launen eben dieser Natur verbessern können; mindestens wo es um Nahrungsreserven geht, aber auch um die Qualität verfügbarer Nahrungsmittel.

Im anschließenden Vers 29 heißt es: „Dann sprach Gott: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.“ Aber der Mensch war eben nicht mehr im Paradies zuhause, also musste er schuften und rackern, damit die Ernte ausreichen konnte, der Ertrag bäuerlicher Mühen die Menschen satt machte.

Schwärmerisch-gruselige Vision aus dem Jahr 1953 – (Foto: Public Domain, Archiv Krusche)
Schwärmerisch-gruselige Vision aus dem Jahr 1953 – (Foto: Public Domain, Archiv Krusche)

Vom Grabstock zum Pflug zum Personal Computer haben sich ungezählte Generationen krummgeschunden. Was wir heute als EDV-gestützte Hightech-Landwirtschaft kennen, die mit der Düngemittel- und Saatzuchtindustrie verknüpft ist, die enorme Mengen an Wasser, Treibstoff und Elektrizität braucht, ist den Blicken der Allgemeinheit zwar nicht verborgen, aber weitgehend fremd. Die Werbebranche dient uns die Produkte industrieller Landwirtschaft mit Bildern aus der bäuerlichen Landwirtschaft an. Das bleibt irritierend.

Spätestens wenn wir dann von einer Pizzaproduktion lesen, deren Käse nie eine Kuh gesehen hat, über deren Speck wir lieber nichts Näheres wissen wollen, dämmert einem die industrielle Dimension dieser Branche. Über heuchlerische Begriffe wie „Analogkäse“ kann man bloß staunen. Vielleicht hat das Kopfschütteln eine Weile angehalten, nachdem wir über „Rinderwahn“ gelesen haben. Das ist eine Tierseuche (BSE: Bovine spongiforme Enzephalopathie), da profitorientierte Profis vermahlene Kadaver (Fleisch- und Knochenmehl) an Pflanzenfresser verfüttert haben.

Auch davon ist zu reden, wenn wir darüber nachdenken, wie sich die Landwirtschaft entwickelt hat. Dagegen sind die Rosstäuscher vergangener Tage operettenhafte Erscheinungen.

In den Medien dominieren vorzugsweise freundliche Bilder vom nächsten Wochenmarkt, von Almwiesen und von glücklichen Kühen, die bemänteln sollen, was an Konservierungsmitteln, Geschmacksverstärkern und anderen Ergänzungsmitteln in unsere Lebensmittel gemischt wird.

Als hätte ein Maler die Landschaft gestaltet – (Foto: Sam Beebe/Ecotrust, Creative Commons)
Als hätte ein Maler die Landschaft gestaltet – (Foto: Sam Beebe/Ecotrust, Creative Commons)

Zeitgemäße Technologie und EDV-gestützte Netzwerke wirken nicht bloß auf die Alltagsarbeit in Stallungen und auf den Feldern ein. Sie haben auch junge Medienphänomene hervorgebracht, die hier nicht ausführlich behandelt werden müssen, aber wenigstens gestreift werden sollen. In einer Zeit, wo Printmedien an Bedeutung verlieren und Smartphones viele Menschen über diverse Apps praktisch rund um die Uhr online sein lassen, spielt das durchaus eine prägende Rolle.

Was Bauer und Bäuerin seien, wird uns via Massenmedien gerne auf unterhaltsame Art angeboten. Ob Serien wie „Bauer sucht Frau“ oder diverse Hochglanzkalender, die junges Landvolk im Räkeln und Posieren zeigen, da sind erstaunliche Rollenmodelle in Umlauf, auf die ich später noch für einen Moment eingehen werde.

Kurz zurück zu den alten Mythen, also den frühen medialen Ereignissen, die uns in Schriften und Erzählungen vermittelt werden. Mit der biblischen Idee von einer „Herrschaft über die Erde“ (Dominium terrae) sind wir nur mäßig vorangekommen. Im Kapitel 8 der Psalmen geht es um „Die Herrlichkeit des Schöpfers - die Würde des Menschen“. Darin heißt es: „Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, / hast ihm alles zu Füßen gelegt: All die Schafe, Ziegen und Rinder / und auch die wilden Tiere, die Vögel des Himmels und die Fische im Meer, / alles, was auf den Pfaden der Meere dahinzieht.“ So wurde der Mensch unübesehbar als „Krone der Schöpfung“ hervorgehoben, musste aber inzwischen derlei Posen revidieren.

Ackerbauer Kain erschlägt den Hirten Abel, eine Bronzestatue aus dem Jahr 1622 von Adriaen de Fries – (Foto: Nationalgalerie Dänemark, Creative Commons)
Ackerbauer Kain erschlägt den Hirten Abel, eine Bronzestatue aus dem Jahr 1622 von Adriaen de Fries – (Foto: Nationalgalerie Dänemark, Creative Commons)

Vor allem seit der neolithischen Revolution wissen wir, dass dieser Anspruch ohne effizientes Werkzeug nicht durchzusetzen ist. Jäger und Sammler mochten sich noch so fühlen, als habe ihnen das Paradies eine reiche Fülle von allem ins Exil geschüttet und getrieben, man musste bloß ausreichend flink und smart sein, diese Gaben zu finden, zu erhaschen.

Die Direktvermarktung via Bauernmarkt zeigt sich wie vor hundert Jahren und lässt keinen Schluss darauf zu, wie und womit auf dem Bauernhof gearbeitet wird – (Foto: Martin Krusche)
Die Direktvermarktung via Bauernmarkt zeigt sich wie vor hundert Jahren und lässt keinen Schluss darauf zu, wie und womit auf dem Bauernhof gearbeitet wird – (Foto: Martin Krusche)

Das ging offenbar recht gut, wo man soziale Verbände zu bilden lernte und sich die anfallenden Aufgaben teilte. Es wurde freilich eine ganz andere Aufgabe, den Boden zu bestellen. Das trieb offenbar einige Keile zwischen die Gemeinschaften. Der Konflikt zwischen Kain und Abel zeigt uns einen Ackerbauern der einen Hirten erschlägt. Gen. 4,2: „Abel wurde Schafhirt und Kain Ackerbauer.“

Die Bibel sagt dann bloß: „Als sie auf dem Feld waren, griff Kain seinen Bruder Abel an und erschlug ihn.“ Alle mir bekannten Darstellungen zeigen ihn dabei bewaffnet. Außerdem gehe ich davon aus, dass er durch die mühsame Feldarbeit seinem jüngeren Bruder, dem Hirten, körperlich überlegen war. Körperkraft und Werkzeuge. Es sollte lange dauern, bis sich dieses Verhältnis zugunsten einer physischen Entlastung der Menschen in der Landwirtschaft verschob.

Der Ackerbau war vor wenigstens zehntausend Jahren so weit gediehen, den Jägern und Sammlern eine Alternative gegenüberzustellen, um durchs Jahr zu kommen. Das blieb bis zur Zeit meiner Großeltern prekär und ein ausreichender Ertrag dauerhaft gefährdet. Erst die Modernisierungsschritte nach dem Zweiten Weltkrieg haben den Hunger verläßlich von uns genommen und den Mangel auf ein Minimum reduziert.

Da waren Computer zwar schon entwickelt, aber die Großrechner der 1950er Jahre, riesige Apparaturen, von zahllosen Elektronenröhren aufgeheizt und von einem einschüchternden Strombedarf, hatten jene Entwicklungen erst eingeleitet, durch die wir heute eine radikal neue, EDV-gestützte Automatisierungswelle erleben.

Im Mai 1958 hatten Heinz Zemanek und sein Team den ersten europäischen Computer einsatzfähig gemacht, bei dem die Elektronenröhren vollständig durch Transistoren ersetzt wurden: das „Mailüfterl“, ein binär dezimaler Volltransistor-Rechenautomat. Leistbare PC, also unsere Personal Computers, die damals noch Mikrocomputer genannt wurden, haben sich Anfang der 1980er in unser aller Berufswelten und Haushalten zu verbreiten begonnen.

Transistorrechner „Mailüfterl“ von Heinz Zemanek und seinem Team, Wien 1957/58 – (Foto: Dr. Bernd Gross, Creative Commons)
Transistorrechner „Mailüfterl“ von Heinz Zemanek und seinem Team, Wien 1957/58 – (Foto: Dr. Bernd Gross, Creative Commons)

Das betraf selbstverständlich auch die Landwirtschaft. Allerdings nicht weltweit. Die Kontraste sind eklatant. Choplin, Stricker und Trouvé haben in ihrem Buch über Ernährungssouveränität notiert: "Von weltweit rund 1,33 Milliarden in der Landwirtschaft Tätigen arbeiten 1 Milliarde von Hand, 300 Millionen mit Zugtieren und nur 30 Millionen mit Maschinen. Die landwirtschaftliche Arbeitsproduktivität ist in manchen Regionen des Nordens um bis zu 200-mal höher als in südlichen Regionen."

IBM PC 5150: Anfang der 1980er Jahre kamen sogenannte „Mikrocomputer“ zu erschwinglichen Preisen auf den Markt. Die Personal Computer (PC) von IBM mit dem Betriebssystem von Microsoft wurden zum „Industriestandard“ – (Foto: Ruben de Rijcke, Creative Commons)
IBM PC 5150: Anfang der 1980er Jahre kamen sogenannte „Mikrocomputer“ zu erschwinglichen Preisen auf den Markt. Die Personal Computer (PC) von IBM mit dem Betriebssystem von Microsoft wurden zum „Industriestandard“ – (Foto: Ruben de Rijcke, Creative Commons)

Vor rund sechs Jahrzehnten, als ich ein Kind war, hatten unter der Landbevölkerung nur wenige Leute Pferde. Es dominierten Ochsen und Kühe als Zugtiere. Es galt die Faustregel: „Alles, was schneller ist als ein Ochs, ist ein G’lump“, taugt also nichts. Das Pferd hat dann erst im Zweiten Weltkrieg als wesentliche Quelle von Traktionskraft ausgedient. Seither galoppieren die Entwicklungen. Wie viele Mahder mussten einst in aller Frühe hinausgehen, um nicht annähernd die Leistung eines mittleren Traktors zu erbringen, der mit einem modernen Mähwerk ausgestattet ist und in einem Durchgang etwa die Breite einer Bundesstraße schafft.

Wo die Flächen und die Wirtschaftslage eines Betriebes es zulassen, fahren Traktoren mittlerweile allein, EDV-gestützt, durch Satellitensteuerung gelenkt. Wo bescheidenere Verhältnisse herrschen, gibt es inzwischen immerhin erschwingliche Peripherie mit Computersteuerung, so dass man sich eine zweite Person auf dem Gerät ersparen kann, wenn etwa gesät werden muss.

Im Buch Genesis (3,19) finden wir knapp gefasst: „Im Schweiße deines Angesichts / sollst du dein Brot essen, / bis du zurückkehrst zum Ackerboden; / von ihm bist du ja genommen. / Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück.“ Daran hat sich zumindest für die Bewohner westlicher Industrienationen einiges ändern und erleichtern lassen, während es in anderen Weltgegenden immer noch so ist. Zur Modernisierung, die wir in Wellen erlebt haben, gehört dann auch, dass solche urtümlichen Formen der Landwirtschaft untergehen, wo unsere agrarischen Überschüsse aus vielfach subventionierter Landwirtschaft auf Überseemärkte geworfen werden, was einheimische Bäuerinnen und Bauern die Existenzen kostet. Auch das hat mit vernetzter EDV zu tun, mit einer globalisierten Wirtschaft und mit rasend schnellen Börsengeschäften, wo etwa mit geeigneter Software gegen erfolgreiche Ernten gewettet wird, um Profite zu machen.

So oder so, wenn Bäuerinnen und Bauern heute zum Himmel blicken, ist das längst nicht mehr bloß als Ausschau nach dem Wetter gemeint. Dort oben zieht Equipment seine Bahnen, das in die landwirtschaftlichen Tätigkeiten einbezogen ist, sei es, um mit „Talking Fields“ zu kommunizieren, sei es, um über Kommunikationsvorgänge auf die Märkte Einfluss zu nehmen. Dass wir dabei immer mehr an Entscheidungsbefugnissen an Software abgeben, uns dabei komplexen Maschinensystemen anvertrauen, ist vielen Menschen nicht einmal ansatzweise bewusst.

Der eingangs erwähnte Blick aus der Vogelperspektive, das Schauen der Muster und Flächen, mag dem Menschen ein ästhetischer Vergnügen sein, für die Maschinen ist dabei Arbeit zu tun. Die Satellitenbilder und die erhobenen Muster geben Aufschluss über die Bodenbeschaffenheit und helfen bei Entscheidungen über Mitteleinsatz und über Arbeitsvorgänge. Es kann Feld für Feld eine Vitalitätsanalyse durchgeführt werden. Die EDV stellt über Jahre erhobene Standorteigenschaften zur Verfügung, hilft bei der Klärung des Potentials eines Standortes, bändigt die enormen Datenmengen, um sie für den Menschen deutbar zu machen. Noch bleibt uns ja, was auch das beste Röntgenbild von den Ärzten verlangt, dass sie aus dem Betrachten taugliche Diagnosen ableiten. Aber auch darin wird die Software immer besser, in Landwirtschaft und Medizin gleichermaßen. Selbstlernende Systeme machen Entwicklungssprünge.

In der Oststeiermark wirbt der obersteirische Grimming für ein Gefühl von kleinräumiger Überschaubarkeit, aber sicherheitshalber steht auch noch Heimat drauf – (Foto: Martin Krusche)
In der Oststeiermark wirbt der obersteirische Grimming für ein Gefühl von kleinräumiger Überschaubarkeit, aber sicherheitshalber steht auch noch Heimat drauf – (Foto: Martin Krusche)
Heublumen (auch Grasblüten genannt) bestehen hauptsächlich aus Gräsern und waren einst unverzichtbarer Bestandteil der Volksmedizin, sollen heute wohl an eine „gute, alte Zeit“ erinnern – (Foto: Martin Krusche)
Heublumen (auch Grasblüten genannt) bestehen hauptsächlich aus Gräsern und waren einst unverzichtbarer Bestandteil der Volksmedizin, sollen heute wohl an eine „gute, alte Zeit“ erinnern – (Foto: Martin Krusche)
Wo kommen die guten Sachen her? Die Anmutung einer lieblichen toskanischen Landschaft zur Assoziation wohliger Urlaubsgefühle – (Foto: Martin Krusche)
Wo kommen die guten Sachen her? Die Anmutung einer lieblichen toskanischen Landschaft zur Assoziation wohliger Urlaubsgefühle – (Foto: Martin Krusche)

Wir sehen heute nach wie vor romantische Bilder in der Werbung. Zum Beispiel, wie jemand ein Stück Erde aufnimmt, befühlt, zerreibt, daran riecht. Oder die Hand, wie sie über stehende Ären streicht, eine Pflanze aufnimmt und die Körner prüft. Freilich mag man in der Landwirtschaft noch solche sinnlichen Erfahrungen zu nützen wissen. Aber dann wären da zum Beispiel auch noch die Abschätzung der Heterogenität im Feld, die Ergebnisse langjähriger Messungen, um die charakteristische Leistungsfähigkeit eines Standortes einzuschätzen. Es geht um Teilflächenmanagement.

Die Landwirte wollen den Wachstumsverlauf einer Pflanze vor Augen haben, wollen beurteilen können, was sich von der Einsaat bis zur Ernte tut, müssen Termine beachten und die gesamte Arbeit planen können. Wie sieht das Ertragspotential einer bestimmten Fruchtart aus, wie die Entwicklung des Pflanzenbestandes? Dabei sollen die Entwicklungen von Blattflächen und Blattchlorophyll beachtet werden. Wie viel Pflanzenschutzmittel und Dünger sollen ausgebracht werden? Also wo genau welche Menge davon? Das alles kostet Geld, will daher betriebswirtschaftlich bewertet werden.

Aber es geht nach wie vor ebenso darum, den Boden und das Grundwasser nicht zu ruinieren, simpel ausgedrückt: nicht am Ast zu sägen, auf dem man sitzt. Dabei kann Software eben oft mehr nützen als bloßes Augenmaß. In Österreich haben lange die Betriebszahlen abgenommen, während die bewirtschafteten Flächen etwa gleich blieben, was bedeutet, dass viele der übriggebliebenen Betriebe größer wurden. Den Preisdruck seitens des Marktes, vor allem seitens großer Abnehmer, kennen wir seit Jahrzehnten. Das ist durch die Öffnung der Märkte nicht leichter geworden. Also kommt es bei vielen Betrieben einmal mehr auf Produktivitätssteigerung an, auf präzises Wirtschaften.

Wie angedeutet, der Blick zum Himmel gehört seit jeher zur Praxis der Landwirtschaft. Der Blick vom Himmel ist in der Form ein junges Phänomen. Was vom Satelliten aus nicht an Fernerkundungsdaten erhoben werden kann, wird zum Beispiel per Pflanzenwachstumsmodell errechnet. Reale Natur und Simulation kommen in Wechselwirkungen. Man könnte sagen, das Feld plaudert mit den landwirtschaftlichen Maschinen und mit den Satelliten. Der Mensch plaudert mit.

Beim Melkroboter werden die Kühe von der Maschine abgewiesen, wenn sie zu früh wieder kommen, um vom Futter zu naschen – (Foto: Martin Krusche)
Beim Melkroboter werden die Kühe von der Maschine abgewiesen, wenn sie zu früh wieder kommen, um vom Futter zu naschen – (Foto: Martin Krusche)

Wir haben erst nach dem Zweiten Weltkrieg eine umfassende Mechanisierung der Landwirtschaft erlebt. In den 1970er Jahren kam eine Digitale Revolution in Gang. Inzwischen ist eine radikal neue Automatisierungswelle angerollt und wir Menschen müssen unsere Auffassungen von der Koexistenz mit Maschinen auf Stand bringen, denn da hat sich vieles, wenn auch nicht alles, hinter unseren Rücken grundlegend verändert.

Die Stände der Direktvermarkter auf einem Bauernmarkt mögen noch aussehen wie vor hundert Jahren. Was Bäuerinnen und Bauern aber zuhause leisten müssen, hat sich völlig gewandelt. Der alte Steyr-Traktor als Dekorationsgegenstand in der Gemüseabteilung des Supermarktes bietet der Kundschaft ein liebenswürdig-antiquiertes Motiv an. Im Ringen um ökonomisches Überleben sind für die Landwirte freilich ganz andere Verhältnisse relevant geworden. Und das meint nicht bloß Technologie. Das meint auch Logistik, aber vor allem ein anderes Denken in der oben erwähnten, weitgehend neuen Form menschlicher Koexistenz mit Maschinen.

Was sich in die 1950er Jahre hinein als Mechanisierungsstufe eins und Mechanisierungsstufe zwo ereignet hat, waren Innovationen im Bereich „konkreter Maschinen“. Das meint Apparaturen, deren Form gewöhnlich ihre Funktion verriet. Wenn der Traktor plötzlich ein Hubwerk und diverse Zapfwellen bekam, wussten zumindest Leute aus der Branche, was da vor ihnen steht. Nun aber, in den Zeiten „abstrakter Maschinen“, deren Module vielfach verkapselt, verschalt sind, deren Funktionen von der Software bestimmt werden, sieht das alles ganz anders aus. Dazu kommen die Aspekte der Vernetzung auf dem Weg zum „Internet der Dinge“. Das bedeutet, immer mehr Gegenstände sind technisch so ausgestattet, dass sie eigenständig mit anderen Dingen kommunizieren können. Sie tauschen Daten aus, die von Recheneinheiten abgearbeitet werden, also in einer für Menschen rasenden Abfolge von Wenn-Dann-Momenten Zustandsänderungen vornehmen.

Kuh in der Box, Kopf in der „Jausen-Sektion“ – (Foto: Martin Krusche)
Kuh in der Box, Kopf in der „Jausen-Sektion“ – (Foto: Martin Krusche)
Die Bürsten reinigen das Euter – (Foto: Martin Krusche)
Die Bürsten reinigen das Euter – (Foto: Martin Krusche)
Die Melkbecher werden angesetzt – (Foto: Martin Krusche)
Die Melkbecher werden angesetzt – (Foto: Martin Krusche)

Dabei spielt zum Beispiel die RFID-Technik eine markante Rolle. Bei der „Radio-Frequency Identification“, also der „Identifizierung mit Hilfe elektromagnetischer Wellen“, können Objekten und Lebewesen ohne Berührung identifiziert und lokalisiert werden. Dazu braucht es keine eigene Stromquelle. Das funktioniert über Radiowellen. Vor allem diese weitreichende Vernetzung, in der Maschinen und Maschinensysteme immer weitreichender miteinander kommunizieren und kooperieren, verschiebt die Rolle des Menschen inzwischen so markant.

RFID Chip, wie er als Sicherungsetikett auf Waren geklebt wird – (Foto: Maschinenjunge, Creative Commons)
RFID Chip, wie er als Sicherungsetikett auf Waren geklebt wird – (Foto: Maschinenjunge, Creative Commons)

In meiner Volksschulzeit hat man uns noch von der Fruchtfolge erzählt und dass die Leute gehungert hätten, wo man mit Monokulturen den Boden ausgelaugt habe, bis er nichts mehr hergab. Daher wusste man schon im antiken Rom von der Notwendigkeit des „Landwechsels“, dass also nicht immer die gleiche Frucht auf dem gleichen Boden angebaut werden kann. Ab dem Mittelalter war in Europa die Dreifelderwirtschaft verbreitet, was zum Beispiel bedeutet: Ein Stück Land für Sommergetreide, eines für Wintergetreide, eines liegt brach und kann sich erholen, dazu ein Rotationsprinzip.

Diese Dreifelderwirtschaft wurde schließlich von einer komplexeren Fruchtwechselwirtschaft abgelöst. Das bedeutet erst einmal, jährlich zwischen Halmfrüchten (Getreide etc.) und Blattfrüchten (Hackfrüchte, Ölpflanzen etc.) abzuwechseln. Dazu entstand auch die Methode des Doppelfruchtwechsels, bei dem nur alle zwei Jahre zwischen Halm- und Blattfrucht abgewechselt wird; freilich mit entsprechend hohem Düngereinsatz.

Heute ist in diesem Zusammenhang von „Greening“ die Rede und Agrarsubventionen werden von der Beachtung diverser Richtlinien abhängig gemacht. Die europäische Agrarförderung ist mit detaillierten Definitionen des „Greening Management“ verknüpft. Derzeit setzt die EU auf verstärkte Förderung von Gemeingütern wie Biodiversität und sauberes Wasser und eine Umverteilungen zwischen Mitgliedstaaten und zwischen Landwirten je nach Betriebsgröße. Sie ahnen schon: Praxis und Verwaltung fordern einen intensiven Einsatz von EDV.

Das „Greening“ ist seit 2015 eine Voraussetzung für den Erhalt von Direktzahlungen. (Öko-Betriebe und Kleinerzeuger sind davon freigestellt.) Dabei geht es um Maßnahmen wie Anbaudiversifizierung, Dauergrünland-Erhalt und Flächennutzung im Umweltinteresse. Da erkennen auch Laien, das ergibt einen enormen bürokratischen Aufwand, der per EDV bewältigt werden muss. Erhebungen und Verwaltung sind aber erst ein Teil der Geschichte. Um diese Anforderungen zu bedienen, ist eine Menge smarter Werkzeuge nötig.

Die Landwirtschaftskammer Österreichs lässt wissen: „Bei Nichteinhaltung der Greening-Auflagen kommt es zur Kürzung der Direktzahlungen. Nachfolgend eine Übersicht über die Bestimmungen.“ Das bedeutet unter anderem, in herkömmlichen Betrieben ab 10 Hektar Ackerflächen müssen Fruchtfolgeauflagen wie die Einhaltung der Anbaudiversifizierung beachtet werden. Das verlangt den Anbau von mindestens zwei Kulturpflanzen bei Betrieben zwischen 10 und 30 Hektar, darüber mindestens drei Kulturpflanzen. Dazu kommt die Verpflichtung, ökologische Vorrangflächen anzulegen, also Grünbrache und Flächen mit stickstoffbindenden Pflanzen.

Komfortabler Zweitwohnsitz mit umfassender Computer-Assistenz, freilich auch so teuer wie eine Wohnung – (Foto: Martin Krusche)
Komfortabler Zweitwohnsitz mit umfassender Computer-Assistenz, freilich auch so teuer wie eine Wohnung – (Foto: Martin Krusche)
Wenn der auch noch die seitlichen Ausleger des Mähwerkes senkt, macht er in einem Durchgang die Breite einer Bundesstraße – (Foto: Martin Krusche)
Wenn der auch noch die seitlichen Ausleger des Mähwerkes senkt, macht er in einem Durchgang die Breite einer Bundesstraße – (Foto: Martin Krusche)

Ging es nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem einmal darum, fehlende Arbeitskräfte zu ersetzen und durch die Mechanisierung eine Produktivitätststeigerung der einzelnen Person zu schaffen, scheinen heute die Arbeitskräfte der agrarischen Welt bei uns in umfassende Maschinensysteme eingebunden zu sein. Bodenproben, Aussaat, Bewässerung, Düngen und Pflanzenschutz, in all dem ist EDV nicht wegzudenken.

Wo es um die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere und ihre Verwertung geht, ist der Technologiebedarf nicht geringer. Verwertung mag hier etwas grob klingen. Die Behörde liefert uns da nüchterne Darstellungen. Als landwirtschaftliche Nutztiere gelten alle Tiere, die zur Gewinnung tierischer Erzeugnisse gehalten werden. Erzeugnisse wie Nahrungsmittel, Wolle und Häute beziehungsweise alle anderen Zwecke einer land- oder forstwirtschaftlichen Zucht. Auch hier kommt natürlich Business- und Agrarsoftware zum Einsatz.

Wie viele Mahder ersetzt ein modernenr Traktor? – (Foto: Ivar Joh. Sødrål, Nationalbibliothek Norwegen, Public Domain)
Wie viele Mahder ersetzt ein modernenr Traktor? – (Foto: Ivar Joh. Sødrål, Nationalbibliothek Norwegen, Public Domain)

Da wird per „Sauenplaner“ die Schweinehaltung in Zucht und Mast geregelt. Da will Futtermittelauswahl und Kraftfuttermischung präzise gehandhabt sein, Leistungskontrolle und Rassentypenberücksichtigung beachtet werden. Bei Milch- und Mutterkühen sind Herden- und Prämienverwaltung zu schaffen, müssen amtlichen Formulare ausgedruckt werden, müssen Tiere und Termine überschaubar bleiben. Zugangs- und Abgangsmeldungen, Bestandsverzeichnis, Mastauswertungen, Leistungsauswertungen, allerhand Datenimporte und Datenabgleich mit der AMA (AgrarMarkt Austria) per Internet…

Da hat man naturgemäß auch regelmäßig mit Tierärzten zu tun. Die Veterinäre wickeln die Erfassung von Behandlungen mit der Anamnese, der Diagnose, den folgenden Leistungen sowie den dafür eingesetzten Medikamenten mit Chargen-Nummern natürlich per Software ab und werden dabei auch beliebig langen Notizen anbringen wollen.

Dazu ist heute der Ausdruck von Quittungen nötig, will ein komplettes Rechnungswesen effizient erledigt sein, aber es ist auch hier eine adäquate Dokumentation gesetzlich vorgeschrieben. Außerdem müssen die Daten zum notwendigen Medikamenteneinsatz bei Nutztieren passend ausgedruckt werden. Ob aktuell gehaltene Patientenliste und Lagerübersicht, ob vorgeschriebene Meldung aller abgegebenen Antibiotika, ob Datenabgleich mit einer Medikamentendatei, es ist ein hoher Aufwand an Datenverarbeitung gegeben.

Ein Positionspapier der deutschen „Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V.“ gibt uns einigen Aufschluss, welche ethischen Fragen da anfallen, bei deren Bearbeitung die technische Entwicklung in beiden Bereichen eine erhebliche Rolle spielt, bei den Problemquellen und bei den Lösungsansätzen. Da heißt es: „Die Tierärztinnen und Tierärzte dieses Forums postulieren, dass die durch industrialisierte Landwirtschaft verursachten erheblichen Probleme systembedingt weiter zunehmen.“

Es werden die Bereiche Tierschutz und Medikamenteneinsatz in der beruflichen Zuständigkeit der Tierärzte gesehen, was ihnen demnach im System eine Schlüsselposition zuschreibt. Das System? Im genannten Papier heißt es dazu: „Landwirtschaft wird zunehmend industrialisiert und ökonomisiert, getrieben von global agierenden Chemie-, Pharma-, Düngemittel-, Gentechnik-, Futtermittel- und Tierzuchtkonzernen mit supranationalem Einfluss. Diese Entwicklung wird durch politische Rahmenbedingungen und öffentliche Gelder (Subventionen) gefördert, wodurch die Billigproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse massiv ausgeweitet werden konnte.“

Dabei rührt diese Interessengemeinschaft an eine Frage, die bei uns kaum Öffentlichkeit hat: Worin unterscheiden sich denn heute bäuerliche und industrielle Landwirtschaft? Einige Kriterien laut dem Papier: „ Industrialisierte Landwirtschaft verbraucht hohe Mengen vorwiegend fossiler Energie und rentiert sich nur, weil das Verursacherprinzip nicht durchgesetzt wird: Die Kosten der kurz- und langfristigen Schäden für Mensch, Tier und Umwelt werden nicht von den Verursachern getragen, sondern auf Einzelne und/oder die jeweiligen Staaten abgewälzt und damit steuerfinanziert.“

Diese Art der Massentierhaltung kommt ohne Hight Tech aus und riecht intensiv nach Problemen – (Foto: Paul Stokstad, Public Domain)
Diese Art der Massentierhaltung kommt ohne Hight Tech aus und riecht intensiv nach Problemen – (Foto: Paul Stokstad, Public Domain)

Das hat seine globalen Effekte. Etwa: „Auf diese Weise werden in unverantwortlichem Maße ökologische Lebensgrundlagen, Gesundheit, das soziale Miteinander der Menschen sowie das Wohl der Tiere geschädigt. Dabei wirkt die Forcierung des Fleischkonsums als eine der Hauptursachen für die Zunahme des Welthungers.“ Aber zurück zur Ebene in realer Begegnung, aus der uns vom bäuerlichen Leben in Österreich berichtet wird. Das ist natürlich nicht unberührt von den Usancen des Boulevards innerhalb unserer vielfach vernetzten Info-Sphäre, die uns keinesfalls bloß als Informationspool und Kommunikationssystem umgibt. Es wird von Unternehmen mehr und mehr versucht, uns einzubinden, zu verflechten, uns gläsern zu machen, durchsichtig und durchschaubar, daher auch „bewirtschaftbar“. Dabei erfährt das „Leben auf dem Lande“ natürlich seine klischeehafte Aufbereitung, angesichts derer man nach realistischen Darstellungen oft bewusst und manchmal mühsam suchen muss.

„Heutzutag als Bauer wird die mehr oder weniger alles diktiert“, sagte Bergbauer Andreas Ainetter aus Maria Luggau im Herbst 2017 in einer Folge der ORF-Serie „Menschen und Mächte“. Die gab „Einblick in Sorgen und Nöte von bäuerlichen Kleinst- und Großbetrieben“. Für die ganze Zettelwirtschaft bräuchte man „normal eine eigene Sekretärin“. Das hab ich schon mehrfach von Bäuerinnen gehört: „Ich bin im Büro gleich viel wie auf dem Feld.“ Selbstverständlich wird da mit dem Computer gearbeitet.

Jungbauernkalender? Aber ja, seinerzeit, als man dafür noch mehr bekleidet war. So sah das 1847 aus; ein Grazer Produkt – (Foto: H. Moschitz, Public Domain)
Jungbauernkalender? Aber ja, seinerzeit, als man dafür noch mehr bekleidet war. So sah das 1847 aus; ein Grazer Produkt – (Foto: H. Moschitz, Public Domain)

Heute Bäuerin oder Bauer sein, wie darf ich mir das vorstellen? Sandra Forstner berichtete: „2018 liegt der Schwerpunkt des Jungbauernkalenders im Alltag der Landwirte.“ Sie zitierte Jungbauern-Bundesobmann Stefan Kast: „Die Arbeitstage der Bauern sind oftmals lang, aber auch bunt und vielfältig. So ist die heimische Bevölkerung mit dem Kalender hautnah dabei.“

Der junge Bauer hat laut Forstner eine Botschaft, denn „Die Jungbauernschaft als Herausgeber möchte mit dem Jungbauernkalender auch die wichtige Bedeutung der Landwirtschaft hervorheben.“ Das drückte Kast so aus: „Heutzutage Bauer zu sein, heißt eine große Verantwortung zu haben. Unsere Landwirtschaft deckt nicht nur Österreichs Tische mit regionalen Produkten, sondern sichert auch Arbeitsplätze.“

Ein kurzer Blick auf die Lagerhaus-Website, wo ich den „Jungbauernkalender 2018 - Girls Edition“ mit den einzelnen Blätter finde, verrät: „In der Girls-Edition wird der Tagesablauf im Leben einer Bäuerin dargestellt.“ Nackte Brüste und Inszenierungen, zu denen ich mir lieber keine Kommentare von Bäuerinnen aus meiner Gegend anhören möchte.

Ein Jahr tiefer in der Vergangenheit finde ich die aktuelle Automatisierung auf kuriose Art thematisiert: „Der Jungbauernkalender 2017 steht unter dem Motto ‚Crossfit am Bauernhof’. Trotz der fortschreitenden Modernisierung und der damit einhergehenden Automatisierung der Landwirtschaft gibt es viele Arbeiten, welche die die Muskeln der Landwirte stark beanspruchen.“ Daher setzte die Fotografin „dieses reizvolle Thema“ damals „gepaart mit einigen Crossfitelementen“ um; so von der Agro Communication GmbH mitgeteilt.

Das ist wohl eine der Seiten jener Modernisierungen, die man bei unserer Landwirtschaft ausmachen kann, ein soziokulturelles Phänomen, das sich aus den Inszenierungen unserer Massenkultur herleitet, wie man derlei vermutlich ernst nehmen muss, aber es hat nur mäßige Aussagekraft. Immerhin illustriert es jene merkwürdigen Effekte, dass man heute vielfach nicht für bestimmte Leistungen berühmt ist, sondern dafür, berühmt zu sein. Da geht dann Sichtbarkeit vor Authentizität. Aber zurück von dieser soziokukturellen Merkwürdigkeit zur sozialen Realität, die seit Jahrzehnten von Technologieschüben bewegt wird.

Die etablierte Interessensvertretung rückt das Bild zurecht: „Für den Steirischen Bauernbund hat das Eigentum höchste Priorität. Eigentum schafft die Möglichkeit unabhängig nach dem eigenen Gewissen zu handeln. Bäuerliche Familien haben über Generationen durch ihre nachhaltige Wirtschaftsweise jene Kulturlandschaft geschaffen, die nun viele für so schützenswert halten. Daher darf das bäuerliche Eigentum nicht durch Zwangsvorschriften und Verbote beschnitten werden.“

Unter dem Zwischentitel „Laptop und Lederhose“ erläutert der Bauernbund: „Wir pflegen und bewahren Tradition und Brauchtum und treten dem Fortschritt offensiv gegenüber – dies wird bildlich durch Laptop und Lederhose am besten dargestellt.“ Man müsste es also gar nicht betonen, denn zeitgemäße Unternehmen sind ohne EDV kaum vorstellbar. Dennoch wird ausdrücklich erwähnt: „Der Computer hat längst auch in den Bauernhäusern Einzug gefunden und wir nutzen die Möglichkeiten der neuen Technologien und neuen Medien zur Vereinfachung der täglichen Arbeit.“

Man könnte es polemisch verkürzt so herausstellen: Die Landwirtschaft ist seit zehntausend Jahren eine Schufterei, da hat man durchaus einen Sinn für technische Neuerungen, dank derer einem diese Schufterei erleichtert wird. Das gilt in der Praxis freilich nur eingeschränkt, denn von Leuten aus der agrarischen Welt kann man durchaus hören: „Wer sich nicht schindet, gilt nichts.“ Das ist die moralische Version von „Wer sich nicht schindet, hat nichts zu essen.“ Derlei mentalitätsgeschichtliche Eigenheiten begleiten natürlich jede Innovation, um schließlich von ihr überwunden zu werden.

Ich staune immer noch über diese Ambivalenz, dass eben die Bauernschaft einerseits immer noch als ein Synonym für Rückständigkeit herhalten muss, andrerseits kenne ich kaum andere Metiers, die in den letzten Jahrzehnten vergleichsweise andauernd Veränderungsschübe bewältigen mussten, um als Beruf nicht zu verschwinden.

Die meisten Menschen haben gar nicht wahrgenommen, welche enormen technischen Veränderungen sich hinter jenen Wänden abgespielt haben, wo die gewünschten Güter hergestellt, verwaltet und zur Lieferung bereitgemacht werden. Darin ist die Landwirtschaft keine Ausnahme. „Der Melkroboter ist wie ein kleines Kind“, sagte mir eine Bäuerin, die so eine Anlage seit gut einem Jahrzehnt betreibt. „Wenn alle weg sind spinnt er. Da brauch ich jemanden als Vertretung, der selbst auch einen Melkroboter hat.“

Man hilft sich gegenseitig aus. Die laufenden Kosten, der Service, „das ist genauso wie beim Melkstand, nicht mehr.“ Dieser Automatisierungsschritt, der menschliche Arbeit einspart, hat den materiellen Aufwand also nicht erhöht. Heute muss eine Bäuerin äußerst gut rechnen können, muss über ein geschmeidiges betriebswirtschaftliches Denken verfügen, damit die Mühen auch eine Ertrag liefern. Die Marktsituation ist nicht seit Jahren, sondern seit Jahrzehnten angespannt.

An der Entwicklungsgeschichte des Pfluges kann man ablesen, wie gemächlich technische Entwicklungen einst daherkamen. Das ereignet sich in manchen Details über Jahrhundertschritte, gelegentlich sogar in Jahrtausenden. Ein Beispiel. Das Kummet war eine äußerst wichtige Erfindung, um von den Zugtieren mehr Traktionskraft zu bekommen. Auf diese Art konnte die Last mit dem veränderten Geschirr vom Kopf auf die Schulterpartie der Tiere verlagert werden. In China kannte man das Kummet schon um 500 vor Christus, es erreichte Europa aber erst um 1000 nach Christus.

Ein anderes Beispiel, das anschaulich macht, wie sehr uns effiziente technische Lösungen erst im Rückblick als naheliegend erscheinen, während es real oft sehr lange gedauert hat, bis jemand die nächste zündende Idee hatte. Das Laufrad, die Draisine, wurde 1817 in der Geschichtsschreibung notiert, als Karl Drais seine Laufmaschine in Deutschland vorführte.

Rund um 1860 soll der Franzose Piere Michaux auf die Idee gekommen sein, dem Vorderrad einer Draisine eine Tretkurbel zu verpassen. Pierre Lallement, der unter anderem bei Michaux gearbeitet hat, wanderte nach Amerika aus. Dort wurde ihm 1866 ein Patent für so ein Tretkurbelrad erteilt. Von da führte die Entwicklung über das sogenannte Hochrad, das imposant aussieht, aber sich als sehr gefährliches Fahrzeug erwies. Die erhebliche Sturzgefahr auf den schlechten Wegen sorgte laufend für Verletzte, sogar Tote.

Erst in den 1880er Jahren wurde der Kettenantrieb ersonnen, für den die Pedale um eine Kurbel in einem eigenen Tretlager rotierten, wobei die Kette des Menschen Körperkraft auf das Hinterrad lenkte. Dazu hatte man sogenannte Niederräder entworfen, den heutigen Fahrradtyp. Anfangs waren Tretkurbel und Hinterrad noch fix verbunden, weshalb die Pedale mit dem Rad rotierten. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts setzten sich Freilaufnaben an den Hinterrädern durch, wogegen sich etwa Altmeister Johann Puch zuerst verwehrte, weil er diese Erfindung für Unfug hielt. Er änderte seine Meinung freilich. Es hat also fast hundert Jahre gedauert, um aus einem Knochenschüttler, mit dem sich wohlhabenden Leute vergnügen konnten, ein effizientes Fahrrad zu entwickelt, das damals die persönliche Mobilität der Menschen revolutioniert hat.

Vom Grabstock zum ersten Ritzpflug war es ein sehr viel weiterer Weg. Damit kam dann die Neolithische Revolution in Gang. Die Entstehung der Landwirtschaft wird etwa zehntausend Jahre vor Christus angenommen. Im vierten Jahrhundert nach Christus waren Räderpflüge eingeführt, mit denen kraftvoll umgebaut werden konnte. Diese Technik erhielt mit dem schon erwähnten Kummet eine enorme Leistungssteigerung.

Die Zeiten, in denen solche Entwicklungen unendlich lange brauchten, sind längst vorbei. Heute haben wir innerhalb einer einzelnen Lebensspanne mitunter epochale Umbrüche; mehr als einen. Wie sollen wir damit zurechtkommen? Die Idyllisierung ist zwar eine nette Entlastungsstrategie, hilft aber jenen, welche die Jobs machen müssen, wenig.

Wer in den 1960er Jahren die Volksschule besuchte, hatte da sicher das eine oder andere mal ein „Steirisches Liederbuch“ auf Seite 175 aufzuschlagen: „Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt, er setzt seine Felder und Wiesen in stand. Er pflüget den Boden, er egget und sät und rührt seine Hände frühmorgens und spät.“

Ländliche Idylle für die städtische Leserschaft. Ein Einschariger Pflug im Magazin „Mocca“ (aus dem Jahr 1934): „Segen der Erde“, auch wenn dieser noch längst nicht in Sicht ist – (Foto: H. Moschitz, Public Domain)
Ländliche Idylle für die städtische Leserschaft. Ein Einschariger Pflug im Magazin „Mocca“ (aus dem Jahr 1934): „Segen der Erde“, auch wenn dieser noch längst nicht in Sicht ist – (Foto: H. Moschitz, Public Domain)

Rösslein? Für die meisten Betriebe waren Pferde seinerzeit nicht leistbar. Da wurde mit Ochsen umgebaut, die zwar mehr Kraft hatten, aber viel langsamer waren. Ärmer Leute blieben auf Kühe angewiesen. Vielleicht hatte man schon einmal von Dampfpflügen erzählen gehört oder später von einem „Dieselross“, wie es etwa von Austro-Daimler gebaut wurde. Aber das war zu Vorkriegszeiten bessergestellten Bauern in anderen Gegenden vorbehalten. In der Steiermark bekamen die meisten Häuser im ländlichen Raum erst nach dem Zweiten Weltkrieg Strom und Wasser eingeleitet.

Wissenschaftliche Errungenschaften, technischer Fortschritt und veränderte soziale Rahmenbedingungen haben die Landwirtschaft während des „Zweiten Dreißigjährigen Krieges“ (1914-1946), wie manche Historiker sagen, fundamental verändert. Was sich mit dem Begriff Modernisierung zusammenfassen lässt, erschütterte ein Milieu, das sich seit Menschengedenken als Ernährer des Volkes verstanden. Das hatte sich mit dem Ersten Weltkrieg abgezeichnet und wurde danach von den Nationalsozialisten innenpolitisch verwertet.

Gerade der Zweite Weltkrieg hatte grausame Impulse zur Produktivitätssteigerung gesetzt. Im Frieden danach fehlte es dem Land an Rohstoffen und Devisen, waren seelische und materielle Kriegsfolgen zu bewältigen. Die Mechanisierung der Landwirtschaft solle nicht einfach nur die Arbeit erleichtern und den Ertrag steigern helfen. Sie musste es ermöglichen, dass eine einzelne Person auf dem Feld das schaffen konnte, wofür es früher mehrerer Leute bedurft hatte.

In der Sache wurde Michaeli 1947, also am 29. September, ein spezielles Datum. Die Steyr-Daimler-Puch AG belieferte den ersten Kunden mit einem Traktor Fahrgestellnummer 1001, dem Steyr 180. Ein Kurzhauber mit dem Zweizylinder-Motor. Sein Nachfolgemodell wurde zur Legende.

Der schlanke Einzylinder mit der Bezeichnung Typ 80 hatte anfangs 13, danach 15 PS. So kennt man ihn heute mit dem Spitznamen „Fünfzehner Steyr“. Der hat es auf rund 45.000 Einheiten gebracht. Ein Bauer sagte mir, den könne man „mit ein bissl Hausverstand“ selbst warten und reparieren. Es ist vermutlich der renommierteste aller Steyr-Traktoren.

Durch die sozialen Veränderungen war Personal in der Nachkriegszeit teuer geworden. Außerdem fehlten viele Männer, die von den Schlachtfeldern nicht zurückgekommen sind. Immerhin stärkte ab April 1948 der amerikanische Marshallplan die westeuropäische Wirtschaft. Die beiden Auftakt-Modelle der Steyr-Traktoren, der 180er und der 80er, repräsentieren die Erste Mechanisierungsstufe der Landwirtschaft, in welcher Maschinen als Ersatz für Zugtiere genutzt wurden und erst wenige Zusatzfunktionen zuließen.

Erste Mechanisierungsstufe: Dieser Traktor galten als Ersatz für Zugtiere hatte erst einmal nur wenige Zusatzfunktionen. Hier der legendäre Fünfzehner, ein Steyr 80 aus der Baureihe 13 – (Foto: Martin Krusche)
Erste Mechanisierungsstufe: Dieser Traktor galten als Ersatz für Zugtiere hatte erst einmal nur wenige Zusatzfunktionen. Hier der legendäre Fünfzehner, ein Steyr 80 aus der Baureihe 13 – (Foto: Martin Krusche)
Zweite Mechanisierungsstufe: Einführung von Dreipunktaufhängung, Hydraulik und Zapfwelle, Kombination mit vielfältigen Zusatzgeräten, hier ein Steyr 8075 aus den 1980er Jahren – (Foto: Martin Krusche)
Zweite Mechanisierungsstufe: Einführung von Dreipunktaufhängung, Hydraulik und Zapfwelle, Kombination mit vielfältigen Zusatzgeräten, hier ein Steyr 8075 aus den 1980er Jahren – (Foto: Martin Krusche)

Sie können diese Fahrzeuge bis heute in Betrieb sehen. Viele davon als fein restaurierte Sammler-Fahrzeuge, manche davon, im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten, auch noch im Einsatz. Gerade diese aus heutiger Sicht kleinen Fahrzeuge der 1940er und 1950er Jahre machen deutlich, was Technologiesprünge bedeuten können. Das wird anschaulich, wenn man etwa den Puch Excelsior Motorpflug ansieht, der in Graz als ein Lizenzprodukt von Laurin & Klement gebaut wurde. Dieses gerät ist vergleichsweise riesig, teuer, das Verhältnis zwischen technischem Aufwand und Energieausbeute ist gegenüber den Innovationen sehr ungünstig.

Übrigens, der oben erwähnte Michaelistag (29. September) ist im Jahreslauf und Brauchtum exponiert. Ein sogenannter Lostag, zu dem die Bauernregel besagt: „Regnets sanft am Michaelistag, folgt ein sanfter Winter nach.“ Lostage haben im verblassenden Brauchtum der agrarischen Welt etwas an Bedeutung verloren, denn längst sind die Zeiten vorbei, da der Großteil unserer Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig war. Aber alle technischen Neuerungen nehmen es den bäuerlichen Profis nicht ab, in den Himmel zu schauen und das Wetter zu deuten, das Klima in seinen Verläufen zu verstehen und zu beachten.

Der technische Fortschritt galoppierte, um den wachsenden Anforderungen entgegenzukommen. Die 13er Serie wurde 1960 von der sogenannten Jubiläumsserie abgelöst. Die rundliche Haube drückte offenbar den Geschmack der Zeit treffender aus, was man zum Beispiel auch am „Volkstraktor“ von Ferdinand Porsche sehen kann.

Der Fortschritt zeigt sich immer auch in Gestaltungsformen, entwickelt seine zeitgemäßen visuellen Codes. Technischer Fortschritt drückt sich demnach auch in Erscheinungsformen aus und nimmt so auf unsere Weltsicht Einfluss. Das gilt für praktische alle Lebensbereiche, in denen Design eine Rolle spielt.

Das Automobildesign zeigte uns in den frühen 1970er Jahren die prägnante Keilform, die vor allem Giugiaro im Hause Volkswagen deutlich gemacht hat. In der Steyr-Daimler-Puch AG zeichnete Louis Lucien Lepoix die neuen Linien bei den Lastwagen und den Traktoren. Sein kantiges Design der Serie 91 beziehungsweise Plus-Serie bei Steyr LKW ist bis heute im Alltag präsent. Ebenso seine Handschrift bei den Mofas von Puch (Maxi).

Die von Lepoix entworfenen Plus-Serie der Traktoren wurde 1966 bis 1979 gebaut und ist bis heute im harten Alltagseinsatz zu sehen. Das ist auf kuriose Art Gegenwart und Vergangenheit zugleich. Da gabeln sich die Wege.

Die Frankfurter Rundschau betonte: „Die laut scheppernden Schlepper von einst sind mittlerweile wahre Technik-Wunder. Die Fahrerkabine ist vollgestopft mit Monitoren, Joysticks, Knöpfen und gleicht einem Flugzeug-Cockpit.“ Da ist von einem Fahrzeug die Rede, das drei Meter hoch, 5,70 Meter lang und rund 2,80 Meter breit daherkommt, acht Tonnen auf die Waage bringt und aus 6.728 Liter Hubraum 264 PS Motorkraft bezieht. Bei Preisen im Bereich von rund 200.000 Euro hat man da quasi einen mobilen Zweitwohnsitz. Der Bauer sagt: „Im Sommer verbringt man teilweise den ganzen Tag von morgens früh bis in die Nacht auf dem Fahrzeug. Früher war das ganz schön anstrengend, aber die neuen Maschinen bieten da schon einen ganz anderen Komfort“.

Das Cockpit wird mit einem Computer-Kontrollzentrum verglichen und mit einem Flugzeug assoziiert: „Das Lenkrad ist per Fußpedal nach vorne klappbar. Der Sitz ist voll hydraulisch und passt sich dem Gewicht des Fahrers an. Wer sich auf den Stuhl fallen lässt, hat das Gefühl aufgefangen zu werden. Rechts vom Fahrer befinden sich zwei Displays und eine Konsole mit Joystick, an der Decke sind weitere Schalter, Lautsprecher und das Radio angebracht.“

Über eines der Displays wird das Getriebe angezeigt und gesteuert. „Dort wird auch die Drehzahl des Motors eingestellt und die einzelnen Gänge eingelegt.“ Über den Bordcomputer lassen sich vor allem auch die angehängten Geräte verwalten. „Der Fahrer kann zum Beispiel auch dem Computer mitteilen, wie breit ein angehängter Hänger ist.“ Über ein anderes Display lässt sich die automatische Steuerung regeln und der Traktor kann bei Bedarf auch selbstständig fahren.

Der Bauer trainiert die Maschine. Er fährt eine Strecke ab. Der Computer merkt sich die Route. Ein satellitengestütztes Navigationssystem, das bis zu 2,5 Zentimeter genaue Daten liefert, ermöglicht den Alleingang des Traktors. Das sind allerdings keine autonomen Maschinen, was bedeutet, der Bauer muss den Lauf der Dinge im Auge behalten und sofort eingreifen, wenn etwas oder jemand durch den Traktor gefährdet wird.

Offenbar meinen Landwirte gelegentlich auch, dass man es übertreiben könne. Daher titelte zum Beispiel die österreichische „Bauernzeitung“ angelegentlich: „Ein moderner Traktor ohne Schnickschnack”. Der „Sinn für das Wesentliche“ wird da so zusammengefasst, eines der hervorgehobenen Modelle sei „Für alle, die einen Traktor suchen, der ohne ‚Schnickschnack’ in wesentlichen Bereichen auf dem Niveau der Zeit ist – bei Kabine, EHR, Zapfwelle, Hydraulikleistung und nicht zuletzt beim Motor – und die auf ein Lastschaltgetriebe verzichten können.“ (EHR ist die elektrische Hubwerksregelung.)

Aber es darf auch ruhig etwas mehr sein. Da lockt die „Autobild“, als wäre ein Allrad-Porsche mit Doppelturbo schmackhaft zu machen: „Super-Trecker mit 500 PS“. Moderne Traktoren seien „Wohlfühloasen für den Landwirt“. Der Fahrbericht aus dem Jahr 2016 klingt nach Folklore: „Trecker fahren! Hoch auf dem Bock Hühner über den Acker jagen, bei jeder Furche hochgeschleudert werden, Krach in den Ohren und Dieselgeruch in der Nase. Ein Jungstraum wird wahr. Aber dann schwingt die Glastür mit einem schmatzenden Geräusch auf, und der Blick fällt auf den breiten Sitz, der auch in Omas Kaminzimmer stehen könnte. Mit einem Zischen sinkt er kurz ein, drückt sich mit leisem Gurgeln wieder hoch. Durchatmen und wohlfühlen. Landwirte lieben es gemütlich.“

Es ist unübersehbar, dass die PR-Kampagne darauf abzielt, die Feldarbeit mit einer launigen Ausfahrt zu assoziieren. Fendt oder Audi, Steyr oder BMW, Claas oder Cederer, egal! Das klingt dann so: „Dann einfach Gas geben, und der Trecker stampft los. Nicht stotternd und polternd wie früher, sondern leicht säuselnd und zischend. Kraftvoll, ungestüm. Ein kurzer Tipp aufs Pedal, und das Monster sprintet nach vorn. Die Automatik arbeitet stufenlos, der Sitz wippt hoch und runter, mit rund 60 Sachen geht es über die Landstraße aufs Feld. Aus den Radhäusern dringt ein leises Wimmern der Reifen, das grobe Profil walkt sich über den Asphalt.“

Zu einem anderen Fabrikat kam ein Werbetexter ins Lyrische ab: „Er ist der erste Traktor, der von Anfang an saatengrünes Blut in den Adern hat.“ Es sind genau solche plüschigen Ausritte, die uns anbieten, die Adaptionsphasen zu dekorieren, während der wir uns mit neuen Technologien vertraut machen sollen. Darum die vorhin geschilderte Assoziierung der Traktorfahrt mit einem Ausflug per privatem Automobil. Darum Dekor a la „saatengrünes Blut in den Adern“.

In der „Biorama“-Redaktion fragte man 2015: „Agrar-Roboter? Das klingt nach industrialisierter Landwirtschaft und Ertragssteigerung und nicht nach Ökologie und Bio-Landwirtschaft. Doch wieso sollten eigentlich Bio-Landwirte nicht auch technische Errungenschaften für sich nutzen, die ihnen körperliche Arbeit abnehmen?“ Automatisierung, Präzisions-Landwirtschaft und der Weg in Richtung autonomer Traktoren sind längst Fakten, die außer Streit stehen, während die Kundschaft auf dem Bauernmarkt die Ergebnisse solcher Bemühungen auf eine Art präsentiert findet, wie das vor hundert und vor zweihundert Jahren auch schon gemacht wurde.

Unternehmer Bernhard Peschak fasst zusammen: „Unter ‚Precision Farming’ wird mittlerweile ein gRosser Bereich landwirtschaftlicher Methoden zur Reduzierung des Ressourceneinsatzes und Steigerung des Ertrags bei größtmöglicher Schonung der Umwelt subsumiert. Dafür werden verschiedene Verfahren zur Erfassung, Speicherung und Verarbeitung der für die präzise Bearbeitung erforderlichen Informationen entwickelt.“

Peschak macht deutlich, dass es hier klare Schnittpunkte zwischen bäuerlicher und industrieller Landwirtschaft gibt: “Die selbstfahrenden, autonomen Traktoren sind in erster Linie eine Erleichterung für die bäuerliche Arbeit, indem die Zeiten für den Landwirt auf dem Traktor wesentlich reduziert werden und die anstrengende Arbeit der präzisen Spurführung, die stundenlange Konzentration erfordert, erleichtert wird.“

Freilich wird von „Biorama“ klargestellt: „Vollautomatische Maschinen erleichtern den Alltag von Landwirten. Teure Technologie in der Landwirtschaft führt allerdings auch zu einem hohen Investitionsdruck für Landwirte, bei dem Großbetriebe naturgemäß besser mithalten können, als landwirtschaftliche Kleinproduzenten.“

Aber der Biolandwirt bleibt auch aus anderen Gründen skeptisch. Gerhard Zoubek: „Ich glaube, dass die ganze Automatisation und die Präzisionslandwirtschaft, in eine Richtung gehen, nichts mehr dem Zufall überlassen zu wollen.“ Dabei betont er etwas, das der Mensch offenbar noch besser kann als die Maschine: „Ich würde es viel sinnvoller finden den Boden besser zu analysieren, das Zusammenspiel und die Symbiose der Bodenlebewesen.“ Er meint: „Ich meine es ist eine Verstärkung der Automatisation.“ und richtet den Fokus auf einen anderen Aspekt: „In der Biolandwirtschaft ist eher der Bodendruck ein Thema, den schwere Maschinen verursachen, und dadurch die Struktur des Bodens stören. Wir setzen deshalb einfache Maschinen ein, auf denen meist ausländische landwirtschaftliche Arbeiter sitzen.“

Damit haben wir weitere Hinweise, worin heute bäuerliche und industrielle Landwirtschaft unterschieden werden können. Und einmal mehr ist die Behandlung des Bodens ein ganz wesentliches Kriterium, über das diese Unterscheidung vorgenommen werden kann. Es ist also nicht primär die Größe des Betriebs. Allerdings spielt Größe eine erhebliche Rolle, wenn etwa die Rede auf Massentierhaltung kommt, auf riesige Glashäuser oder auf Vertical Farming. Aber den Produkten sieht man das nicht an, wenn wir im Supermarkt vor Regalen und Vitrinen stehen.


[1] Gesunde und wachsende Pflanzen sind grün. Mais bildet Ende Juni (als dieses Foto aufgenommen wurde) belaubte Stängel aus. Hirse sieht Mais ähnlich, wächst langsamer, ist viel kleiner und daher möglicherweise blasser. Weizen ist leuchtend gold, wenn im Juni die Ernte beginnt. Braune Felder wurden vor kurzem abgeerntet und umgegraben oder liegen in diesem Jahr brach. Die kreisrunden Felder sind charakteristisch für eine Bewässerung durch Kreisberegnung. Die gezeigten Felder besitzen einen Durchmesser von 800 und 1,600 Metern (1/2 und 1 Meile). Das Bild ist bei etwa 37,5 Grad nördlicher Breite und 100,75 Grad westlicher Länge zentriert und deckt ein Gebiet von 37,2 x 38,8 km ab. Das 'Gitter', in dem die Felder angelegt sind, verläuft in Nord/Süd- und West/Ost-Richtung. Die schräge dunkle Linie ist die U.S Route 56. Das Bild ist an die Satellitenbahn ausgerichtet, die einen Winkel von 98 Grad aufweist. Norden befindet sich etwa 10 Grad gegen den Uhrzeigersinn gedreht. Das Bild zeigt eine Falschfarbendarstellung, die natürliche Farben simulieren soll. Die drei verwendeten Bänder befinden sich im Grün-, im Rot- und nahe dem Infrarotbereich des Spektrums. Das Radiometer ASTER besitzt keinen Blaukanal, und daher wurde die sichtbare blaue Farbe von den anderen Bändern erzeugt.


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