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Erfolglose Jäger#

Das schwindende Eis treibt die Polarbären an Land und weg von den Robben. Ihren Energiebedarf können sie nicht mehr decken.#


Mit freundlicher Genehmigung der Wiener Zeitung, 2. Februar 2018


isbärweibchen mit GPS-Sender und Videokamera bestückt
Eisbärweibchen mit GPS-Sender und Videokamera bestückt
Foto: Anthony Pagano/USGS

Anchorage/Wien. (gral) Die ohnehin schon gefährdeten Eisbären könnten in den nächsten Jahren noch mehr unter Druck geraten, denn sie werden nicht mehr satt, berichten US-amerikanische Forscher im Fachmagazin "Science". Die Tiere haben einen höheren Energiebedarf als bisher angenommen und aufgrund des fortschreitenden Klimawandels weniger Jagderfolg.

"Über das letzte Jahrzehnt hinweg haben wir festgestellt, dass sich die Überlebensraten, die körperlichen Konditionen der Tiere sowie die Zahl der Populationen im Abnehmen befinden", betont Anthony Pagano von der University of California in Santa Cruz. Sein Forscherteam hatte für die Studie insgesamt neun Eisbärweibchen im Polarmeer über bis zu elf Tage hinweg beobachtet und deren Stoffwechsel analysiert. Den Tieren wurden GPS-Halsbänder mit einer Videokamera angelegt. Zuvor und im Anschluss an die Testphase hatten die Forscher die Größe und das Gewicht der Tiere sowie verschiedene Parameter in Blut- und Urinproben überprüft.

Demnach waren die Stoffwechselwerte im Durchschnitt um 50 Prozent höher als in früheren Studien angenommen. Fünf von neun Bären verloren über diese Zeit hinweg an Gewicht. Dies zeigt, dass sie, um ihrem Energiebedarf zu entsprechen, nicht genug fettreiche Nahrung in Form von Robben zu sich nehmen konnten.

Kein entspanntes Leben#

Bisher gingen Experten davon aus, dass die Bären einen geringeren Energieverbrauch haben, weil sie keine natürlichen Feinde haben und ihre Jagdmethode nicht besonders viel Körpereinsatz erfordert. Sie sitzen auf Eisschollen und warten, bis eine Robbe zum Atmen auftaucht. Trotz dieses scheinbar entspannenden Lebens liegt der Energieverbrauch der Eisbärinnen 1,6 Mal höher als vermutet.

"Die Messung hat von April bis Juli stattgefunden", erklärt Pagano in der Publikation. "Also in einer Zeit in der Polarbären für gewöhnlich besonders viel Beute fangen, um das Körperfett aufzubauen, das sie das ganze Jahr über benötigen." Die Forscher zeigen sich daher besorgt über die neuen Erkenntnisse. Sie errechneten, dass ein Eisbärweibchen innerhalb von zwölf Tagen eine ausgewachsene Robbe fressen muss, um seinen Energieverbrauch zumindest ausgleichen zu können. Im Studienzeitraum gelang dies allerdings nur vier Tieren. Die restliche Nahrung bestand demnach aus Kadavern und Jungtieren.

Forscher hatten in der Vergangenheit ebenso damit spekuliert, dass Polarbären die Stoffwechselvorgänge beeinflussen und damit auf eine Art Energiesparmodus schalten können, wenn sie in der Jagd nicht erfolgreich sind. Doch falsch gedacht.

Der Klimawandel zeigt insgesamt einen dramatischen Einfluss auf das Polarmeer und seine Bewohner. Eisbären müssen künftig wesentlich größere Distanzen zurücklegen, um feste Eisschollen zu finden, auf denen sie auf Robben warten können. Das wiederum erhöht den Energieverbrauch der Tiere noch weiter. Sie sind die einzige Art in der Bärenfamilie, die sich auf fette Beute wie Robben spezialisiert hat. Andere Familienmitglieder geben sich durchaus auch mit Pflanzen und Insekten zufrieden. Davon hat die Vegetation im Polarmeer allerdings nicht viel im Angebot.

40 Prozent weniger Bären#

In manchen Gebieten begeben sich die Bären an Land, sobald sich das Polareis zurückzieht. Aufgrund der Erwärmung passiert dies allerdings bereits im frühen Sommer. Zu wachsen beginnt es erst wieder im Spätherbst. Die Eisbären sind damit gezwungen, viel längere Zeit an Land zu verbringen als noch vor einigen Jahren.

Schon seit den 1980er Jahren beobachten Wissenschafter die Vorgänge in der Beaufortsee, einem Teil des Nordpolarmeeres vor der Küste der North Slope von Alaska und den kanadischen Territorien Yukon und Nordwest. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte hat sich ihnen zufolge die Eisbärenpopulation um ungefähr 40 Prozent dezimiert.

Es sei sehr schwierig, in dieser besonders abgelegenen und klimatisch rauen Gegend zu forschen, betont Pagano. "Aber heute haben wir neue Technologien, um zu lernen, wie und wann sich die Polarbären auf dem Eis bewegen und welchen Energiebedarf sie dafür benötigen. Das lässt uns die stattfindenden Veränderungen besser verstehen", so der Forscher.

Wiener Zeitung, 2. Februar 2018