Gbely/Egbell #
Bezirk:Trnavský kraj
Einwohner: 5.119 (31. Dezember 2004)
Postleitzahl: SK - 908 45
Gbely (deutsch und ungarisch Egbell) ist eine Stadt im nördlichen Westen der Slowakei. Die Stadt wurde 1392 zum ersten Mal schriftlich erwähnt und besteht aus der eigentlichen Stadt Gbely und dem Ortsteil Cunín.
Hier befinden sich einige der wenigen slowakischen Erdölvorkommen, welche gleichen Ursprungs sind wie im angrenzenden niederösterreichischen Weinviertel.
Im Jahr 1912 entdeckte Ján Medlen auf seinem Grundstück zum ersten Mal in Mitteleuropa Erdöl und Erdgas.
Die Förderung begann 1914. Auf ihrem Höhepunkt beschäftigte die Produktion bis zu 400 Arbeiter.
Vergleiche hierzu Björn Dresel: "Ölfelder oder das schwarze Quadrat" in: Zaunkönig 3/21 über die Erdölfunde in Galizien
Dem Buch "Der Onkel aus Preßburg" von Dietmar Grieser (Amalthea, Wien, 2009) entnehmen wir das Bild über die Gedenktafelund die folgende Story:
Der Entdecker des Erdölvorkommens von Gbely (dt. Egbell), Ján Medlen, wurde 1870 geboren. Eine primitive Keusche und ein von den Eltern ererbter Acker bilden seine ganze Habe, als er nach Ableistung des k. u.k. Militärdienstes in seinen Geburtsort zurückkehrt ...
Medlen macht eines Tages auf einer seiner Wanderungen durch die Dúbrava, eines der ausgedehnten Waldstücke am Ortsrand von Gbely, eine Beobachtung, die ihn buchstäblich den Atem anhalten lässt: Er sieht, wie sich der Boden unter seinen Füßen "bewegt", genauer: wie sich überm Erdreich Blasen bilden. Ohne noch zu ahnen, was der Grund dafür sein mag, nur von einer Art dunklem Instinkt geleitet, entschließt er sich, das ominöse Areal zu erwerben und der Sache auf den Grund zu gehen. Der Gastwirt, dem die Liegenschaft gehört, überlässt Medlen für ein geringes Entgelt die wertlosen paar Joch. Aus gebrauchtem Bauholz errichtet er eine einfache Hütte, und an einer der Stellen, an denen er die seltsame Blasenbildung wahrgenommen hat, gräbt er ein tiefes Loch. Resultat: Aus dem Erdreich tritt Gas aus. Brennbares Gas!
Medlen ist ein pfiffiger Bursche: Ließe sich dieser Fund nicht vielleicht zur Beheizung seiner Hütte nützen? Über einen eilends hergestellten Graben leitet er den sonderbaren Brennstoff ins Hausinnere ein und speist damit Ofen und Herd. Was er bei seinem tollkühnen Experiment freilich nicht bedacht hat: Das sich bildende Gas-Luft-Gemisch ist eine hochgefährliche Substanz. Und so passiert, was passieren muss: Das Zeug geht in die Luft. Die Folge: Die örtliche Polizei schreitet ein, Bauer Medlen wird das Handwerk gelegt. Und nachdem die ärgsten Schäden beseitigt sind, wird aus Budapest fachliche Hilfe angefordert: Die führenden Geologen des Landes sollen den geheimnisvollen Vorfall analysieren.
Am 28. Oktober 1913 treffen Bergrat Professor Hugo von BÖCKH und dessen Kollege Simon PAPP am Ort des Geschehens ein. Das Ergebnis ihrer Expertise ist eindeutig: Es handelt sich um eine Erdgasexplosion. Hugo von BÖCKH war nach dem Ersten Weltkrieg einer der Direktoren des Ungarischen Staatlichen Geologischen Instituts.Und ebenso eindeutig ist ihre Empfehlung an die mit dem Fall befassten Behörden: Man möge schleunigst ans Werk gehen und im Zuge systematischer Bohrungen das betreffende Areal auf weitere Erdgasquellen hin untersuchen. Das setzt allerdings voraus, dass Bauer Medlen seinen Grund an die öffentliche Hand abtritt: Beim Notar werden Umwidmung und Kaufpreis ausgehandelt. Noch im selben Jahr nimmt die mit der Durchführung des Projektes betraute Spezialfirma ihre Arbeit auf, und am 10. Jänner 1914 ist die Sensation perfekt: Der in einer Tiefe von 164 Meter aufgespürten Kammer entströmt nicht nur Gas, sondern auch Öl. Das erste Erdöl im Bereich des sogenannten Wiener Beckens!
"Bitte schnell kommen!" telegraphiert der Betriebsleiter der Bohranlage "Egbell 1" an die zuständige Berghauptmannschaft. Die systematische Ausbeutung des Erdölfeldes von Egbell kann beginnen ...
Eine Art Goldgräberstimmung erfasst das bislang so stille Egbell, Arbeitssuchende aus allen Teilen Oberungarns (wie die Slowakei zu dieser Zeit heißt) beziehen die im Ortsteil Farské eilends errichtete Wohnsiedlung. Für die härtesten Dienste werden Kriegsgefangene eingesetzt. An die vierhundert Männer sind es in summa, die sich unter der Leitung der Ingenieure, Meister und Vorarbeiter ans Werk machen, das Tagessoll von fünfzehn Tonnen Erdöl zu erbringen. Als zehn Jahre darauf der Quell zu versiegen beginnt, kann man immerhin auf hundertachtzig Bohrungen und eine Fördermenge von 100.000 Tonnen zurückblicken...
Ján Medlen starb 1944. Doch erst 1969 ist es soweit, dass man ihm an der Stelle, wo Jan Medien seinen Jahrhundertfund gemacht hat, eine Gedenkstätte errichtet: eine mit seinen Lebensdaten versehene Granitplatte, der als Symbol seines Wirkens ein ausgedientes Erdöl-Verschlussrohr beigegeben ist. Und weitere dreißig Jahre später widmet ihm die Gemeinde auf dem Platz neben dem Kulturhaus einen mit seiner Bronzebüste geschmückten Park, dem zuguterletzt auch noch eine nach Medien benannte Straße im Ortszentrum folgt.
Was die heutige Erdölförderung in Gbely betrifft, so bleibt sie auf minimale Resteverwertung beschränkt: Die einst florierenden Nafta-Werke stellen lediglich Untersuchungen zur Erschließung neuer Quellen an. Im übrigen lebt man von der Lagerung von Erdgas.
Unter Mitarbeit von Péter PAPP, Sekretär der Wissenschaftshistorischen Sektion der Ungarischen Geologischen Gesellschaft