Landeskrankenhaus Graz (Essay)#
Text und Bilder von
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von
ISG Magazin Heft 2 / 2008 (Internationales Städteforum Graz)
Das heutige Landeskrankenhaus-Klinikum Graz (LKH) wurde zwischen 1903 und 1912 nach Plänen der Landesbaudirektion für die Steiermark errichtet und stellte nach seiner Fertigstellung das größte - und wie manche auch meinten - schönste Krankenhaus Europas dar. Es war mit seinen ursprünglich 1.600 Betten in 35 Einzelbauten ein aufsehenerregender Baukomplex. Nach Friedrich Achleitner gehörte es „zweifellos zu den großartigsten medizinischen Bauleistungen seiner Zeit".
Das besondere an der Anlage ist u.a. das ausgedehnte Pavillonsystem, bei dem die einzelnen medizinischen Bereiche in den jeweiligen Pavillonkomplexen oberirdisch getrennt zusammengefasst wurden. Fast alle Baukomplexe sind unterirdisch über ein weites Tunnelsystem mit vielen Schleusen miteinander verbunden, sodass Kranke unabhängig von der Witterung von einem Gebäudekomplex zum anderen unter Terrain transportiert werden können. In den 80er Jahren des 20. Jh. zählte das Landeskrankenhaus Graz mehr als 50 Baukomplexe mit zusammen 3.052 Planbetten. Seither wird die Bettenzahl stetig reduziert und ist inzwischen zu Gunsten der ausgebauten Ambulanzen auf 1.531 gesunken.
Jugendstildesign#
Die Pavillons des LKH stehen auf einer erhöhten Geländeterrasse über dem Leonhardplatz, und so treten die äußeren Bauten wie das Direktionsgebäude weithin sichtbar an der südlichen Geländekante in Erscheinung. Alle Bauten verfügen einheitlich über Flachdächer, die an den Rändern mit Dekorelementen und zum Teil auch mit Geländern für Dachterrassen ausgestattet sind, die im typischen Jugendstildesign geformt wurden.
Die meisten Hauptkomplexe liegen an einer ungefähr Nord-Süd-gerichteten Achse, die im Norden von der erhöht stehenden Kirche „Zum heiligen Erlöser" abgeschlossen wird. Alle Pavillons sind von einem manchmal etwas schematisch wirkenden späten Jugendstil geprägt. Leider gingen etliche der Dekorelemente, vor allem viele der Dachaufsätze, im Laufe von fast 100 Jahren verloren. Außerdem wurden besonders in der Zeit nach 1945 aus rein funktionellen Gründen immer wieder zum Teil sehr störende Zubauten errichtet.
Masterplan#
Daher wurde schon in den 70er Jahren damit begonnen, eine Art kleinen Masterplan für das LKH unter Federführung von Heiner Hierzegger zu entwickelnder 1995 in einer städtebaulichen Studie und einer Bebauungsplanung mündete. Auch heute noch wird daran fast kontinuierlich weitergearbeitet. An Hand der Richtlinien werden störende Architekturelemente und Objekte entfernt und nur an bestimmten Stellen neue Zubauten unter restriktiven Voraussetzungen erlaubt.
Die KAGes, die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft, bemüht sich seither sehr um einen kultivierten Umgang mit dem wertvollen Jugendstilensemble. Hierbei hat sich ein enges und gutes Zusammenspiel mit dem Bundesdenkmalamt, der Grazer Altstadtkommission und der KAGes entwickelt. Viele Neubauten wurden in den Untergrund versenkt, sodass sie die Jugendstilbauten nicht stören. Seit einiger Zeit wird auch die historische Substanz verstärkt saniert und restauriert, und Neubauten aus der jüngeren Vergangenheit respektieren in der Regel den Altbestand. So erhielten die Adaptierung des Hals-Nasen-Ohren-Komplexes und der Zubau an dessen Rückseite 2003 ein EUROPA-NOSTRA-Diplom, das zugleich eine der begehrten EU-Auszeichnungen darstellt.
Künstlerische Gestaltung#
Zuletzt wurde der Komplex der Frauenklinik mit der Geburtenstation, der großteils in seiner originalen Form erhalten ist und kaum störende Zubauten aufweist, saniert und adaptiert. Im Zuge dessen wurden zurückhaltend Zubauten für die neue Technik im Hofbereich errichtet. Beim neuen Zugang und im Innern der Geburtenklinik entstanden sehr sympathische künstlerische Gestaltungen von Peter Kogler und Wolfgang Buchner. Der ebenfalls überarbeitete Pavillon der Dermatologie wurde im Bereich des Treppenhauses von Gustav Troger mit einem sehr leicht wirkenden, aus Spiegeln erzeugten Kunstwerk aufgewertet.
Bei den Kunstwerken des Grazer Künstlers Wolfgang Buchner handelt es sich vor allem um transluzente helle Textilien, die in Vitrinen entlang von innenliegenden Erschließungsgängen hängen und Themen der Befruchtung, des Reifens und Wachsens in sehr zarten Grün- bis Gelb- und Weißtönen behandeln. Der ehemalige Lehrer und Ethnologe Buchner arbeitet hauptsächlich in der Steiermark und wurde durch die Anbringung einer riesigen Sonnenuhr an der profanierten Kirche des Karmeliterklosters am gleichnamigen Platz in Graz bekannt.
Die großflächigen Farbgebungen im Eingangsbereich vom Grazer Künstler Peter Kogler sind ein sehr freundlicher Empfang in einer Zone, in der sich Jugendstilbau und neue Architektur begegnen.
Beim Kunstwerk von Gustav Troger wurden meist dreieckige Spiegelfliesen in einem Lichtschacht gegenüber des zentralen Jugendstil-Treppenhauses der Dermatologie auf einer Wand mit leicht unterschiedlicher Neigung befestigt, sodass eine Art Fassadenkaleidoskop entsteht, das die räumliche Wirkung des ursprünglich unattraktiven Schachtraumes unglaublich aufwertet und beim Vorbeigehen ständig ändernde Spiegelungen hervorruft. Troger arbeitet in Graz, Los Angeles und San Francisco.
Rekonstruktion von Dekorelementen#
Wünschenswert ist die möglichst baldige Entfernung störender Zubauten, vor allem in der Hauptallee nahe der Kirche „Zum heiligen Erlöser". Außerdem wäre die Rekonstruktion und Wiederaufstellung mancher auf den Dächern ursprünglich vorhandener Dekorelemente wichtig, die früher die Prägnanz der vor- und zurückweichenden Architekturteile betonten. Heute wären sie angesichts mancher Verunklärungen durch das Aufsetzen voluminöser Klimaanlagen wohl noch wichtiger. Da diese Dekorelemente noch auf vielen Bauten existieren, kann man sie für die anderen leicht nachformen lassen. Die Einzigartigkeit des LKH Graz rechtfertigt solche Rekonstruktionen, die vergleichsweise wenig kosten. Man braucht die Objekte einfach nur auf die Dachkanten wieder aufzusetzen.