Die neue Lust am Reparieren #
Der Wegwerfgesellschaft zum Trotz: Defekte Geräte wieder flottzumachen, liegt im Trend. Doch die Industrie stellt den Reparaturfreudigen nicht selten ein Bein. #
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Kleinen Zeitung (Freitag, 3. März 2017)
Von
Günter Pilch
Die Leserin vermag ihren Ärger nicht zu verbergen. „Das darf doch nicht wahr sein, wieso lässt die EU so etwas zu?“, fragt die Frau. Was ihren Unmut erregt: In den vergangenen Tagen hat sie versucht, für ihre Wohnung einen Deckenstrahler mit LED-Elementen zu kaufen. Das Angebot in den Geschäften sei zwar beträchtlich gewesen, erzählt die Frau. Aber fast nirgends sei ein Modell zu bekommen gewesen, bei dem sich die Leuchtmittel selbst tauschen lassen. „Wenn eines der LED-Elemente kaputt wird, kann ich die Ganze Lampe wegwerfen“, klagt die Leserin.
Tatsächlich lassen sich bei einem Gutteil der LED-Deckenstrahler im Handel die Leuchtelemente selbst nicht mehr abnehmen. Sepp Eisenriegler schätzt, dass inzwischen mehr als 70 Prozent dieser Produkte aus mehr oder minder einem einzigen Teil bestehen. Mit anderen Worten: Sie lassen sich beim Ausfall einer der Leuchtdioden von Nicht-Fachkundigen nicht mehr reparieren. Seit mehr als 25 Jahren widmet sich Eisenriegler in seinem Wiener Reparatur- und Servicezentrum (RUSZ) dem Wiederherstellen defekter Geräte. Und Erlebnisse wie jenes unserer Leserin kennt er zuhauf.
Da sind die günstigen Waschmaschinen, die kurz nach Ablauf ihrer Gewährleistungsfrist nicht mehr wollen; oder die Smartphones, bei denen sich Speicherkarten und Akkus nicht mehr tauschen lassen. „Es ist keine Frage“, sagt Eisenriegler, „die Industrie serviert uns immer mehr Produkte, die sich vom Normalverbraucher nicht mehr reparieren lassen. Dann ist man beim kleinsten Defekt gezwungen, wieder ein neues Produkt zu kaufen.“
Doch es gibt auch einen gegenläufigen Trend. „Die Leute sind angefressen und wehren sich zunehmend gegen diese Art der Produkte, das merken wir ganz stark“, sagt Eisenriegler. Reparaturcafés, in denen Kunden kostenlos Geräte reparieren lassen können, boomen, private Reparaturnetzwerke wachsen. „Dieses Phänomen ist nicht auf Österreich beschränkt. In Deutschland hat sich die Zahl der Reparaturcafés in den letzten zwei Jahren verzehnfacht“, sagt Eisenriegler. Der Wiener selbst wird in diesem Frühjahr die erste Filiale seines RUSZ in Graz eröffnen, danach folgen weitere in Linz, München und Berlin.
Auch die Wirtschaftskammer und andere Stellen haben auf den Trend reagiert. Auf dem Internetportal www.reparaturführer.at finden sich nach Sparten sortiert Betriebe, die Reparaturen anbieten. Bislang sind mit der Steiermark, Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg vier Bundesländer erfasst.
Eines der Haupthindernisse für professionell durchgeführter Reparaturen bleibt aber die hohe steuerliche Belastung von Arbeit verglichen mit Energie. Die Folge: Neue Geräte gibt es aufgrund billig zur Verfügung stehender Energie verhältnismäßig günstig. Reparaturen dagegen gehen aufgrund der teuren Arbeitsleistung ins Geld. Auf eine ökologische Steuerreform, die dieses Ungleichgewicht austarieren würde, hat Österreich bislang verzichtet.
Geplante Obsoleszenz #
Unter diesem Begriff versteht man die von Herstellern absichtlich herbeigeführte Verringerung der Lebensdauer von Geräten, etwa durch Teile, die früher als der Rest des Geräts kaputt werden. Die Industrie spricht in diesem Zusammenhang von „optimierter Gebrauchsdauer“, einer Abwägung von Preis und Lebensdauer. Zudem wird der „Kundenwunsch nach Neugeräten“ ins Treffen geführt.