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Ferne Tage, als so ein Eisschrank schon ein fundamentaler Fortschritt war. (Foto: Martin Krusche)
Ferne Tage, als so ein Eisschrank schon ein fundamentaler Fortschritt war. (Foto: Martin Krusche)

Tempo#

Von Martin Krusche#

Ich habe es schon betont: rund zweihundert Jahre permanenter technischer Revolution liegen hinter uns. Damit entstand ein ständig steigendes Tempo in annähernd allen Lebensbereichen. Das hat heute eine Dynamik, die immer mehr Menschen erhebliche Probleme bereitet. Innerhalb meiner bisherigen Lebenszeit gab es gleich zwei (!) fundamentale industrielle Revolutionen:

  • Die digitale Revolution in den 1970ern mit der anschließenden „Volkscomputerisierung“ und
  • die aktuelle Automatisierungswelle mit selbstlernende Systemen, dem Internet der Dinge etc.

Das handelt auch von einer interessanten Vorerfahrung. Im Jahr 1947 kam der erste Steyr Traktor auf den Markt, ein leistbarer Kompakttraktor. Eine wuchtige Welle trug die Mechanisierung der Landwirtschaft voran.

Als ich 1956 geboren wurde, zeichnete sich gerade eine Volksmotorisierung mit Automobilen ab. Autos wurden erstmals für breitere Kreise leistbar. Eine Revolution der individuellen Mobilität, wie davor, Ende des 19. Jahrhunderts, als sich das sogenannte Niederrad (Safety) durchsetzte und das Fahrrad unser soziales Leben veränderte.

Ich bin ein fundamentaler Nutznießer dieser Dynamik, weil sich meine Lebensumstände mit jedem halben Jahrzehnt zu mehr Komfort entwickelt hatten. Das zeigte sich auch im elterlichen Haushalt. Einst war in der geräumigen Küche ein Winkel mit Badewanne per Duschvorhang abgetrennt. Dort befand sich auch eine schlichte Waschmaschine, ein senkrecht stehender Zylinder mit aufgesetzter Wäschemangel.

Ein guter Kühlschrank war vorrangig, ein Waschvollautomat kam erst viel später. Mit dem Fernsehgerät dauerte es noch länger. Sie wissen bestimmt, was sich die meisten von uns ab da an Apparaten leisten konnten. Die Unterhaltungsindustrie wußte uns zu begeistern.

Schellacks wurden was für Sammler, wir hatten als Teenies bald Stapel von Schallplatten; Singles (17 cm) und LPs (30 cm). Aus dem Mono-Plattenspieler wurde eine Stereoanlage. Transistorradios boomten. Das Megnetophon (Tonbandgerät) wich dem Kassettenrecorder etc. etc.

Vom Schmalfilm ging es zu den Videocassetten, aber heute wird vor allem gestreamt. Das heißt, Filme sind im Internet abrufbar. (Mein DVD-Berg ist antiquiert.) Ich brauche keine weiteren Beispiele aufzulisten, Sie kennen diese enorme Vielfalt des jeweils Neuen und die enorme Flut an Gütern.

Es kam inzwischen zu interessanten Reaktionen wie dem „Repair Café“ und ähnlichen Einrichtungen. Menschen lernen wieder, Dinge zu reparieren. Viele empfinden es als Provokation, daß Kleinkram wie ein Föhn, ein Staubsauger oder ein andere defekte Gerätschaften weggeworfen werden sollen, weil sie entweder verklebte Gehäuse haben oder nur mit Spezialwerkzeug bearbeitet werden können. Das erzwingt den Neukauf.

Dem entzieht man sich wenigstens für einen Teil unserer Güter durch Kompetenzgewinn. Ein anderes Beispiel, als mein Computer den aktuellen Software-Updates nicht mehr gewachsen war, kaufte ich mir einen gebrauchten, überholten Rechner: „refurbished“ und preiswert. Was in einer Firma als zu lahm ausgemustert wurde, ist für meine Arbeit noch auf Jahre schnell genug. Wir können also Spielraum gewinnen und müssen uns nicht von jedem Sog schlucken lassen.


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