Römische Prachtbauten für prominente Tote im antiken Noricum #
Der archäologische Park von Sempeter bei Celje, heute Slowenien#
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Die Aufnahmen wurden vom Verfasser in den Jahren 2008 gemacht. Sie sind Teil des Archivs „Bilderflut Jontes“.
Das Verschwinden antiker Bauten ist auf vielerlei Ursachen zurückzuführen. Zum einen sind es Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Hochwässer, zum anderen haben Menschen immer wieder selber wenig Respekt vor dem kulturellen Erbe der Architektur bewiesen. Da wurden Bauten wegen des kostbaren Marmors als Steinbrüche für spätantike oder mittelalterliche repräsentative Gebäude und Denkmäler verwendet. Da verwüsteten kriegerische Ereignisse Tempel und Paläste. Und als im Imperium Romanum das Christentum die Macht übernahm, da wurde alles, was man für „heidnisch“ hielt, zerstört oder umgedeutet. Und das machte auch vor Grabmälern nicht halt.
Die römerzeitliche Nekropole im heute slowenischen Ort Sempeter, das in der alten Untersteiermark einst St. Peter am Draufeld hieß, ist heute eine der interessantesten archäologischen Fundstätten an antiker Grabarchitektur in Mitteleuropa. Hier war es nicht der Mensch, der diesen einzigartigen Friedhof bedeutender römischer Siedler zerstörte. Ein in seinen Ausmaßen riesiges Hochwasser des Flusses Savinja muss im 3. Jahrhundert n. Chr. auch die größten Grabmäler aus den Fundamenten gerissen und umgeworfen haben, sodass die Angehörigen der Familien dieser Toten damals wahrscheinlich nicht mehr die Kraft und die Zeit aufbrachten, zur Ehre der Verstorbenen alles wieder in der vorherigen Stand zu versetzen. Sie hatten mit der Rettung und der Wiederinstandsetzung ihrer Villen und Gutshöfe genug zu tun.
Die in der Nähe des hochgehenden Flusses stehenden Grabanlagen stürzten um, weil die Fundamente unterwaschen worden waren, fielen in die Savinja und wurden bald mit Sedimenten bedeckt, verschwanden und wurden erst fast zweitausend Jahre später bei Erdarbeiten zufällig wieder gefunden. Die weiter vom Fluss entfernt stehenden Monumente stürzten zwar ebenfalls um, wurden jedoch nicht vom Flusse bedeckt. Ihre Marmorbauteile wurden in späteren Zeiten als willkommenes Baumaterial wiederverwendet oder zu Mörtelkalk gebrannt und verschwanden auf diese Weise.
Erst im 20. Jahrhundert erblickten die verschütteten Grabmonumente wieder das Tageslicht. 1952 wurden erste Trümmer zufällig entdeckt und die Archäologie eingeschaltet, die in Slowenien schon damals vorbildlich organisiert war. Diese Ausgrabungen dauerten bis 1956. Man dachte schon damals an eine ständige Erhaltung und öffentliche Präsentation an Ort und Stelle. 1959 waren die Rekonstruktionspläne fertig. Die bisherigen Befunde ergaben, dass zumindest dieser Teil des Gräberfeldes im 1. bis 2. Jahrhundert n. Chr. entstanden sein muss.
1960 begann man mit der Wiederaufrichtung und 1964 erhoffte man sich mit der Wiederaufnahme der Ausgrabungen neue Erkenntnisse und hilfreiches Wissen bei den Rekonstruktionsarbeiten. Man muss aber bedenken, dass noch lange nicht alles erforscht ist, denn die vorbeiführende Straße und die anschließenden Bauten des Ortes Sempeter bergen unter sich gewiss noch zahlreiche erst aufzuspürende Funde. Schätzungen zufolge dürfte das antike Friedhofsareal etwa einen Kilometer lang gewesen sein.
1978 war es endlich so weit und die Grabungsstätte von Sempeter konnte der Öffentlichkeit übergeben werden. Heute ist dieses Areal eines antiken Friedhofes ein archäologischer Park, den zu besuchen man nicht versäumen sollte.
Welche Folgerungen ergeben sich aus der Analyse der Bauten? Wir befinden uns auf dem Gebiet der antiken römischen Provinz Noricum, einem von Kelten besiedelten Vasallenstaat des Imperium Romanum. Er reichte im Norden bis zur Donau und im Süden bis zu den Karawanken und dem heutigen Slowenien. In einem Akkulturierungsprozess übernahmen damals die norischen Oberschichten römische Kultur und Lebenweise, wenngleich sie damals als „Fremde“ im Sinne der Römer (lat. peregrini) noch nicht das römische Bürgerrecht besaßen. Ihre Funeralkultur gipfelte in der Verbrennung der Toten und der Deponierung der Aschenreste in einem Grabhügel (lat. tumulus).Auch die Römer pflegten hier im 1. und 2. Jahrhundert wie gewohnt die Leichenverbrennung auf einem bestimmten Areal außerhalb der Siedlung (lat. ustrina). Sie schlossen die Aschenreste, unter denen sich auch verschmolzene Metallobjekte von Kleidung und Schmuck wie Fibeln usw. befanden, jedoch in eine sogenannte Aschenkiste ein, die sich im Fundament des Grabbaues befand und nach Bedarf bei weiteren Todesfällen wieder geöffnet werden konnte. Dann kamen aber auch Beisetzungen in steinernen Sarkophagen auf, die oft nach griechischem Vorbild zum Teil prächtig mit mythologischen Reliefs verziert waren. Die Christen lehnten die Feuerbestattung ab, weil sie dem Glauben an die leibliche Auferstehung der Toten widersprach.
In der Nähe von Celeia muss es eine Reihe von großen Gutshöfen gegeben haben, deren Besitzer wie die Grabinschriften vermelden, teilweise auch Funktionen in der Stadtverwaltung innehatten. Die romanisierte Bevölkerung muss als solche wie der deutsche und slowenische aus Celeia abgeleitete Ortsname Cilli bzw. Celje beweist, noch lange identisch existiert haben. Celeia umfasste auch ein großes, etwa der Fläche einer heutigen Bezirkshauptmannschaft entsprechendes Areal (lat. municipium). Aus diesem sozialen Umfeld stammen also die jetzt wieder aufgerichteten Grabbauten. Ihre Größe und qualitätvolle handwerkliche und künstlerische Ausführung lässt darauf schließen, dass die Auftraggeber sehr reich gewesen sein müssen.
Da Noricum seit dem 2 Jahrhundert n. Chr. durch über die Donau hereinbrechende Germanenstämme, in Sonderheit die Markomannen und Quaden, die nur mit Mühe abzuwehren waren, bedroht wurde, ließ Kaiser Mark Aurel (162 – 180 n. Chr.) auch Truppen hierher verlegen. In der Nähe von Sempeter entstand ein Militärlager für die II. Italische Legion. Da bei solchen Garnisonen sich immer auch zivile Orte entwickelten, die einen Einfluss auf Wirtschaft und gesellschaftliches Leben nahmen, ist bei der Entstehung des Gräberareals von Sempeter auch dies ins Treffen zu führen. Allerdings stehen die archäologischen Forschungen hier noch in den Anfängen.
Bei den rekonstruierten und wieder aufgerichteten Grabmälern handelt es sich um die folgenden:
Das Grabmonument des Spectatius#
Die erhalten gebliebene Grabinschrift (lat. titulus) nennt den Besitzer des Grabes:
Römische Grabinschriften sind immer sehr formelhaft und mit zahlreichen Abkürzungen durchsetzt, die der Kundige aber sofort verstand. Die Übersetzung lautet:
Die drei halbplastischen sitzenden Figuren stellen die Beigesetzten, nämlich Vater, Mutter und Sohn dar. Alle drei haben ihr schönstes Gewand angelegt, das in individuellen Falten fällt und trotzdem die Umrisse des Körpers hervortreten lässt.
Die drei sitzenden männlichen Personen wurden zu einem unbekannten Zeitpunkt ihrer Köpfe beraubt. Diese sind bis jetzt noch nicht aufgetaucht.
Die Szene wird umrahmt von den beiden Söhnen des Zeus, dem Zwillingspaar Kastor und Pollux, die als Schutzpatrone der Pferde und Reiter Verehrung fanden. Kastor wurde in einem Zwist erschlagen, aber der unsterbliche Pollux erreichte von Vater Zeus, dass beide wieder vereint würden. Die Folge war, dass das Zwillingsbrüderpaar abwechselnd immer einen Tag am Götterthron Olymp und einen in der Unterwelt leben durften. Das wurde zum mythologischen Sinnbild des Überganges vom Leben zum Tod, aber auch von Licht und Dunkel, Tag und Nacht.
Reste von Grabmälern, die noch nicht zugeordnet sind, werden als Spoliensammlung ebenfalls präsentiert:
Das Grabmonument des Ennius#
Dieser Grabbau ist fast sechs Meter hoch und ist nach Proportionen und Feinheit der handwerklichen Ausführung eines der schönsten von Sempeter.
Hier sind die Toten vollständig erhalten. Es handelt sich um Oppidana und Ennius und beider Tochter Kalendina aus der Familie der Ennier. Das Ehepaar steht als Halbfigur vor dem Betrachter. Der Mann ist römisch mit Tunika und Toga gekleidet, trägt einen Vollbart und hält stolz eine Schriftrolle, mit welcher ihm das römische Bürgerrecht verliehen worden war. Es ist sozusagen sein „Staatsbürgerschaftsnachweis“. Gattin Oppidana hingegen ist noch ganz keltisch-norisch abgebildet. Ihr Untergewand wird durch zwei Fibeln festgehalten und auf dem Kopf trägt sie die typisch norische Haube. An einer Halskette ist als Schmuck ein nach unten hängender kleiner Halbmond (lat. lunula) zu sehen, der ebenfalls typisch für eine Dame ist, die ihrem Auftreten nach noch Keltin geblieben ist. Die Tochter Kalendina eine Reihe tiefer hält es in der Kleidung wie die Mutter. Wie oft bei auf Gräbern dargestellten jungen Personen hält sie eine Frucht, wohl einen Apfel in der Hand.
Der Grabtitulus nennt den ganzen hier beigesetzten Familienverband:
Übersetzt heißt dies:
Das Grabmonument des Vindonius#
Die Grabbauten von Sempeter sind nicht alle in derselben Epoche entstanden. Stilistische Eigenheiten und auch die Grabtituli erlauben eine ungefähre Datierung. Das Vindonius-Grab ist eines der ältesten unter denen, die rekonstruiert werden konnten. Man nimmt an, dass es in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. erbaut wurde. Die auf den Auftraggeber hinweisende Inschrift ist sehr sauber in verschiedenen Schriftgraden eingehauen und vollständig erhalten. Sie lautet:
In Übersetzung:
Als Ädil hatte Vindonius ein höheres Amt in der Stadtverwaltung von Celeia (Cilli, Celje) und war dort für innere Angelegenheiten und das Bauwesen verantwortlich.
Das Grabmonument des Secundinus#
Dieses Grab ist bescheidener als die anderen. Es ist wie ein einziger Steinblock unter einem Satteldach, das vorne wiederum ein Medusenhaupt zeigt.
Die Darstellung eines Ehepaares mit einem kleinen Kind ist nur halb zu sehen, das Gesicht des Mannes und der Umriss seines Körpers sind bei der Rekonstruktion nur angedeutet worden, weil etliche Teile des Monumentes nicht mehr gefunden werden konnten. Auch die Grabinschrift ist unkomplett und nur teilweise vorhanden, kann aber ergänzt werden. Sie lautet:
Dazu noch rechts:
Das will bedeuten:
Literatur#
- Vera Kolsek, Rimsa nekropola v Sempetru. Vodnik / Römische Nekropole in Sempeter / Führer. Celje/Cilli 1997: Pokrajinski Muzej Celje