Der Grazer Bildhauer Erwin Huber#
Meister der klassischen Moderne in der Steiermark#
Von
Die Aufnahmen wurden vom Verfasser in den Jahren 1989, 1993, 1995 und 2010 gemacht. Sie sind Teil des Archivs „Bilderflut Jontes“. Die abgebildeten Objekte entstammen den Sammlungen Jontes, Leoben.
Die Steiermark hatte seit der Romanik immer wieder Bildhauer hervorgebracht, die zumeist im Dienste der Kirche werkend zu großen Leistungen fähig waren. Barock und früher Klassizismus hatten mit Namen wie Johann Jakob Schoy, Marx Schokotnigg oder Veit Königer Höhepunkte der österreichischen Barockkunst hervorgebracht, nachdem zur Zeit der Reformation die Künste im Allgemeinen erlahmt waren. Das 19. Jahrhundert brachte durch das Wachsen der Städte wieder zahlreiche Kirchenneubauten, deren künstlerische Ausstattung neue Künstler auf den Plan rief, die im Historismus im Sinne einer Neurenaissance und Neugotik Fassaden und das Innere der Bauten ebenso schmückten wie sie auch repräsentative profane Neubauten wie Rat- und Amtshäuser mit plastischen Zyklen in größere Zusammenhänge stellten.
Aus diesem Historismus, wie er etwa in Hans Brandstetter einen prominenten Vertreter hervorgebracht hatte, kam dann eine neue Generation, die vorzugsweise an der Grazer Kunstgewerbeschule bei diesen Vätern ihre Ausbildung erfuhr. Wilhelm Gösser, Sohn linker Hand von Brandstetter, wurde der bekannteste von ihnen. Und dieser wurde dann auch zum Lehrer von Erwin Huber, der diesem an besagter Schule das Formale der plastischen künstlerischen Gestaltung vermittelte. Aus der Zwischengeneration stammten dann auch Alexander Silveri (1910-1986) und Walter Ritter (1905-1986), die ebenfalls die Grazer Kunstgewerbeschule bei Gösser frequentiert hatten, dann allerdings nach Wien gingen und an der dortigen Akademie der Bildenden Künstler ihr Diplom erwarben. Erwin Huber allerdings beschritt diesen Weg nicht, sondern ging nach Italien zu Giacomo Manzù in Bergamo in die Lehre und formte dessen Stil im eigenen Sinn weiter. Ebenso bildete er sich später in Wien zum Restaurator für Steinbildhauerei aus. Deshalb tragen auch etliche erneuerte Werke seinen Stempel, so die mythologischen Barockplastiken vor dem Schloss Eggenberg in Graz.
Zu den Bildhauern, die generationenübergreifend in Graz schufen gehörte auch der Tiroler Hans Mauracher (1885-1957), den es 1919 nach Graz verschlagen hatte. Dessen Wurzeln waren anders geartet. Seine Ausbildung hatte er in Düsseldorf und München gewonnen. Nachdem er Graz zu seinem Lebens- und Arbeitsmittelpunkt gemacht hatte, beteiligte er sich auch an der Gründung der Grazer Secession, der auch der bedeutendste steirische Maler des 20. Jahrhunderts Wilhelm Thöny (1888-1949) angehörte und die ja tatsächlich den Weg in die internationale Moderne suchte und zum großen Teil auch fand. Mauracher hatte als Bildhauer wenig Einfluss auf die Enkelgeneration, zu der auch Huber zählte.
Als formale Herausforderung für Bildhauer steht von Anfang an immer das Porträt.
Huber hat hier außer der Darstellung von Leuten wie Landeshauptmann Josef Krainer I, Bundeskanzler Alfons Gorbach oder Henry Kissingers, auch retrospektive Arbeiten von längst verstorbenen Persönlichkeiten lange nach ihrem Tode nach bildlichen Vorlagen geschaffen. Zum 200. Geburtstag entstand 1982 auf diese Weise ein Bronzedenkmal für Erzherzog Johann und für den prominentesten steirischen Dichter Peter Rosegger (1843-1918) in jugendlichem Alter. Beide stehen in Leoben im Peter Tunner-Park am Rande der Altstadt und dokumentieren die besonderen persönlichen Verbindungen der beiden zur „Hauptstadt“ der Obersteiermark.
Für die Ehrengalerie berühmter Steirer im Kleinen Hof der Grazer Burg, die 1959 anlässlich des Gedenkjahres zum 200. Geburtstag Erzherzog Johanns beschlossen worden war, schuf Erwin Huber die Büsten des Barockbildhauers Joseph Thaddäus Stammel und des Komponisten Hugo Wolf.
1992 ergab sich die besondere Gelegenheit, Erwin Huber bei der Schaffung der Roseggerbüste für Leoben zu beobachten, die in Ton geformt, dann in Gips gegossen und für den Bronzeguss vorbereitet wurde. Der Gipsabguss war dann die Grundlage für den endgültigen Guss in Metall. Diese Güsse ließ er sehr oft in Italien machen, weil er sich dort am sichersten war, dass man auch dabei seinen künstlerischen Intentionen folgte.
Die Formung in Ton war nur der erste Schritt für das Denkmal, das in Leoben im Rosegger-Jubiläumsjahr 1993 vom Obersteirischen Kulturbund für die Öffentlichkeit gestiftet werden sollte. Die Büste zeigt den noch sehr jugendlichen Dichter, denn man wollte dadurch seine sehr persönlichen Beziehungen zu Leoben ins rechte Licht rücken. Rosegger war nämlich mit dem hiesigen Bürgersohn Gustav Brunnlechner sehr befreundet. Beide hatten sich in Graz beim Studium kennengelernt und immer wieder nahm der junge Dichter Einladungen nach Leoben an, welcher Stadt er Zeit seines Lebens stark verbunden blieb, wie die literarischen Schilderungen seiner Wanderungen in deren Umkreis beweisen.
Als die Büste in Ton vollkommen trocken war, wurde von ihr ein Gipsabguss angefertigt, der die nötige Festigkeit für die weiteren Stufen des Gusses aufwies. Aus naheliegenden Gründen geschahen diese technischen Vorgänge nun im Gießerei-Forschungsinstitut in Leoben, einem Unternehmen, welches parallel zur Montanuniversität hier Metallguss in wissenschaftlicher Weise erforscht und betreibt und auch für private Umsetzungen offen ist.
Der Künstler mit der Gipsbüste im Gießerei-Institut
Da ab einer gewissen Größenordnung Objekte, die in Metall gegossen werden sollen, nach innen hin nur eine dünne Wand haben dürfen, muss für den Guss ein Kern eingefügt werden. Durch zu große Temperaturunterschiede würde es den Guss beim Abkühlen nämlich zerreißen. Die Gipsbüste samt ihrem Kern wird in einem strukturell besonderen Sand gebettet und in diesen eingeformt, dann wieder entfernt.
Zum Guss bereit!
Nun wird das Metall für den Guss geschmolzen. In diesem Fall handelt es sich um Bronze, also eine Legierung von etwa 90% Kupfer und 10% Zinn. Die Erfindung dieser Metallmischung hat einer ganzen Kulturepoche den Namen gegeben: Bronzezeit, die von der Archäologie für Mitteleuropa von ca. 2200 v. Chr. bis etwa 800 v. Chr. angesetzt wird.. Da Bronze in den Anfängen vor allem für den Guss von Werkzeugen und Waffen verwendet wurde, hatte man eine Legierung entdeckt, die wesentlich härter als das schon vorher bekannte Kupfer war. Das erste technische Verfahren beruhte auf dem Ausschmelzen eines in Sand gebetteten Wachsmodells. Die damit erzeugten Artefakte kamen über eine bestimmte Größe nicht hinaus. Das Gießen von hohlen Objekten war späteren Epochen vorbehalten. Der Schmelzpunkt von Bronze liegt bei etwa 1000 Grad C.
Das Erkalten des nunmehr gegossenen Objekts ist ebenfalls ein heikler Vorgang. Ist er vollendet, so wird das Werk aus dem Formsand genommen. Es ist noch lange nicht fertig. Seine Oberfläche muss erst von unwillkommenen Graten und kleinen Fehlern gereinigt werden. Schließlich fehlt ihm noch eine Patinierung, die auf chemischem Wege geschieht.
Am 20.Juni 1993 konnte die Büste dann im Peter Tunner-Park am Rande der Leobener Altstadt im Rahmen einer Feier aufgestellt werden.
Und was musste man mit Erstaunen, ja fast Entsetzen feststellen? Trotz zahlreicher Kontrollen hatte man – und das geschieht bei Über- und Aufschriften immer wieder – Rosegger erst ein Jahr später, also 1919 sterben lassen. Wozu aber ist ein geschickter Steinmetz in der Lage? Mit Meisterhand war am nächsten Tag aus einem 9er ein 8er geworden und alle waren damit zufrieden.
In seinem Atelier in Graz-Mariatrost, wo auch der bedeutende Bildhauer Hans Mauracher (1885-1957) gearbeitet hatte, bewahrte Erwin Huber auch die Zwischenstufen und Abgüsse seiner Arbeiten auf.
Erwin Huber schuf für Kirchen auch ganz Ausstattungen wie jene für die Pfarrkirche St. Vinzenz der Lazaristen in Graz-Eggenberg.
Kleine Meisterwerke in Stilisierung und Proportion sind die in großen Auflagen geschaffenen und deshalb allgegenwärtigen Handkreuze und Plaketten.
Zu den wichtigsten Ehrungen, die Erwin Huber erreichten, gehörten 1980 der Titel Professor und 1989 die Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse, die der Verfasser dieses Essays mit seinem Künstler-Freund teilte.
Dort wo Huber gearbeitet hatte, fand er auch seine letzte Ruhestätte. Er liegt auf dem Friedhof unweit der Wallfahrtskirche Mariatrost in einem Grab bestattet, das in höchst origineller Weise aus lauter religiös motivierten Werken seines Schaffens zusammengefügt ist.