Die Festenburg im nordoststeirischen Wechselgau#
Höhepunkte des Barock im Bannkreis des Chorherrenstiftes Vorau#
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Die Aufnahmen wurden vom Verfasser in den Jahren 1998 und 2002 gemacht. Sie sind Teil des Archivs „Bilderflut Jontes“. Die aufgenommenen Bücher stehen in der Privatbibliothek des Autors. Auch die historischen Postkarten entstammen seinen Sammlungen.
Am Fuße des Gebirgsüberganges des 1743 m hohen Hochwechsels liegt unweit der steirisch-niederösterreichischen Landesgrenze die Festenburg. Dieser Teil der Bezirkshauptmannschaft Hartberg zählt zu den im Mittelalter am spätesten erschlossenen Landschaften der Ostalpen. Das hat historische Gründe, denn aus dem Osten waren seit der Spätantike Reitervölker wie die Hunnen, Awaren als ursprünglich zentralasiatische Stammesverbände eingedrungen und hatten von mobilen Herrschaftszentren aus ganz Mitteleuropas mit Raubzügen überzogen. Als letzte dieser Ankömmlinge erschienen die Magyaren, trieben es ähnlich und konnten erst 955 in der Schlacht auf dem Lechfeld besiegt und bis ins Mark getroffen werden. Sie bildeten langsam staatsähnliche Strukturen, nahmen das Christentum an, blieben aber weiter für ihre westlichen Nachbarn ein unruhiges Volk. Sie selber legten auch eine eigene Schutzzone nach Westen an, die sie Gyepü nannten und die vom 10. bis zum 13. Jahrhundert aus einem breiten Streifen Ödland und Wald bestand. In der Folge wurde auch diese Zone langsam gerodet und besiedelt, auf steirischer Seite blieben aber viele der Gräben und Taleinschnitte bis heute bewaldet.
Burgen sicherten seit dem 13. Jahrhundert diesen Raum und 1353 tritt die Festenburg, wohl als Gründung der Adelsgeschlechtes der Stubenberger ins hellere Licht der Geschichte. Zwei Jahrhunderte zuvor hatte als Kolonisationsmittelpunkt des Wechselgaues der Traungauer Markgraf Ottokar III. 1163 das heute noch existierende Chorherrenstift Vorau ins Leben gerufen. Die Saurauer besaßen die Festenburg seit 1416, verkauften sie dann aber 1616 an das Stift. Unmittelbar darauf wurden die Katharinenkirche, die später zur Pfarrkirche wurde, und ein Wohnbau errichtet. Unter Propst Philipp Leisl wurden von 1707 bis 1723 umfangreiche Ausbauarbeiten ausgeführt, da derselbe hier ein Chorfrauenkloster einzurichten gedachte. Der Plan fand aber keine Umsetzung und Leisl ergriff die Gelegenheit und ließ unter Beiziehung des Malers Johann Cyriak Hackhofer und des Bildhauers Johann Fenest eine programmatisch ungemein kluge und künstlerisch einzigartige Folge von thematisch in sich geschlossenen Kapellen einbauen, denen man meditativ folgen kann. Mit der Katharinenkirche gemeinsam entstand damit ein Ensemble, das in der Steiermark, ja in ganz Österreich ihresgleichen sucht. Propst Leisl war davon so erfüllt, dass er sein Herz in der Kreuzkapelle beisetzen ließ, um mit diesem stets an der Stelle dieses Werkes präsent zu sein.
Von der mittelalterlichen Burg sind nur mehr wenige Teile sichtbar, so das spitzbogige gotische Tor, das in einen Zwinger als Vorhof führt. Das entspricht auch noch der doppelten Sicherung eines Burgtores, wie sie im Mittelalter öfters dort üblich war, wo die Anlage einer Zugbrücke nicht gut möglich war.
Die mittelalterliche Burg soll auch von Türken belagert worden sein. Artillerieeinsatz könnte eine über dem Außentor eingemauerte steinerne Kanonenkugel größeren Kalibers beweisen.
Die Außenkanzel neben dem Haupttor ist eine barocke Zutat, die dazu diente, größere Pilgerscharen zu begrüßen und ihnen zu predigen.
Im kleinen Zwinger stehen zwei Brunnenfiguren aus der Zeit um 1720, die die Programmatik der Ausgestaltung vorwegnehmen. In der Folge der Kapellen und der Kirche überkreuzen und ergänzen einander Leben und Passion Christi und Leiden und Martyrium der hl. Katharina von Alexandrien.
Hier erinnert auch eine Gedenktafel an den prominentesten Bewohner der Festenburg, an den Vorauer Chorherren, Historiker und Dichter Ottokar Kernstock, der hier jahrzehntelang wirkte und dessen Wohnräume ein kleines Museum über sein Leben und Wirken bilden.
Der innere Hof nach dem Zwinger ist der Bauteil, von welchem aus alle Kapellen-, Wohntrakte und die Kirche erreicht werden können. So zeigt es eine historische Postkarte aus der Zeit um 1935.
Aufgänge führen zur Kirche und zur Folge der Kapellen.
Die nun folgenden Kapellenräume und die Katharinenkirche wurden in ihrer Gesamtheit mit Wandmalereien des Vorauer Stiftsmalers Johann Cyriak Hackhofer ausgeschmückt. Sie stellen neben den Malereien im Stifte selbst (Kapitelsaal, Sakristei) sein inhaltliches, künstlerisches und maltechnisches Hauptwerk dar. Hackhofer kam 1675 in Wilten zur Welt, nach Tätigkeit in Wien wurde er 1708 zum Vorauer Stiftsmaler berufen und wirkte hier bis zu seinem Tode 1731. Er hat hier auch sein Grab gefunden. Die Kunstgeschichte bezeichnet ihn zu Recht als den bedeutendsten barocken Monumentalmaler der Steiermark. Auch die Skulpturen im Verbande der Festenburg wurden von ihm entworfen, bildhauerisch aber von Johann Fenest ausgeführt. Hackhofer gelang es, in den Raumfolgen in mystischer Weise Leben und Leiden von Christus und der hl. Katharina zu verbinden. Dahinter steckt sicherlich das theologische Wissen des Vorauer Propstes Leisl als Auftraggeber. Durch die Kapellenmalereien zieht sich auch die Symbolik des Freudenreichen und des Schmerzhaften Rosenkranzes als Teil der Marienverehrung.
Die Räume beginnen mit der sogenannten Loretokapelle. Dabei handelt es sich um einen Raum, die exakt dem Heiligen Haus von Loreto in Italien nachgebaut ist. Dies führt so weit, dass außer der Decke, in die der – gemalte – Himmel hereinblickt, sogar Mauersprünge und abbröckelnden Putz des „Originals“ nachbildet wurden. Eines der schönsten unter den zahlreichen steirischen Beispielen ist die in der Grazer Barmherzigenkapelle. Aber auch die der Festenburg kann sich sehen lassen.
Woher kommt nun diese ikonographisch interessante Überlieferung eines für heilig gehaltenen und von allerlei Legenden umrankten Gebäudes? Im italienischen Orte Loreto bei Ancona befindet sich eine Basilika, die dieses „Original“ eines mythischen Hauses umgibt. Es soll sich der Legende nach um jenes Gebäude handeln, in welchem die Gottesmutter Maria in Nazareth aufgewachsen sei. Hier erfolgte auch die Verkündigung an sie durch den Erzengel Gabriel. Als das Heilige Land 1291 nach den Kreuzzügen endgültig in die Hände des Islam gefallen war, sollen Engel das Haus durch die Lüfte nach Trsat im heutigen Kroatien bei Rijeka/Fiume getragen haben. Da die dortigen Menschen sich aber unwürdig verhielten, kamen die Himmelsboten abermals und trugen es nach dem heutigen Ort Loreto in Italien und setzten es dort nieder. Da dies in einem Lorbeerhain geschehen sein soll, wird es seitdem Domus lauretanum genannt, was im Italienischen zu Loreto wurde. Wallfahrten dorthin setzten am Beginn des 14. Jahrhunderts ein. Die heutige Basilika entstand dann um 1450. Die Jesuiten nahmen sich später der Sache an und förderten überall den Nachbau und die Verehrung des Loretohauses. Und so haben wir auch eines auf der Festenburg.
Beim Betreten wird der Besucher durch einen gemalten Spruch darauf aufmerksam gemacht, dass er lesend in die Geheimnisse dieser Wunder eindringen kann, wie sich das Schicksal Christi mit dem der hl. Katharina verbindet. Es wird also Bildung vorausgesetzt.
Wer lesen kann, der fang da an.
Soll aber alls durchgehen,
So wird er woll gantz wundervoll
Ein seltsambkeit ersehen:
Wie nemblich Gott bis nach sein Tod
Die gschichten vns vorstellt
das wunder sey wie gleich anbey
Sich Catharina gsellt.
Das Gnadenbild der hl. Maria entspricht in Abmessungen und Duktus genau dem Original in Loreto. Es ist eine der zahlreichen schwarzen Madonnen, wie sie in der katholischen Welt häufig zu finden sind.
Im Weitergehen gelangt man zur Krippenkapelle und macht damit einen nächsten Schritt von der Verkündigung an Maria zur Geburt Jesu.
Der Durchblick enthüllt Deckenmalerei, einen Altar mit Krippenschrein, einen Beichtstuhl und eine bemalte Fensterlaibung.
Unter einem Krippenschrein versteht man eine Krippe mit der Geburt Christi, die in ein festes Gehäuse meist auf einem Altar eingebaut ist und dessen Figuren in ihrer Position nicht verändert werden können. In diesem Falle ist es die Anbetung des Jesukindes durch die Hirten in lebensgroßen Figuren.
Die Wandpartien tragen in Kartuschen die Idealporträts von Patriarchen des Alten Testaments, Aposteln und der Vorfahren Christi.
In der Ölberg- oder Blutschwitzungskapelle kniet Christus nach dem Letzten Abendmahl im Garten auf dem Ölberg. Es ist der Augenblick erfasst, wie ein Engel aus den Wolken niederschwebt und ihm den Kelch des Leidens bringt. Zwei klagende Engel flankieren die plastische Szene, deren Hintergrund von einer bedrohlichen nächtlichen Wolkenszenerie gebildet wird.
In höchst dramatischen Bildern werden dem Beschauer die Leiden der Armen Seelen im Fegefeuer vor Augen geführt, denen von den Lebenden Erleichterung durch Gebet und Spenden gebracht werden können.
Die Geißelungskapelle lässt an Drastik nichts zu wünschen übrig.
Die Krönungskapelle ist in illusionistischer Malerei wie ein Kerker gestaltet. Thematisch ist der mit Dornen gekrönte und der Schmach ausgesetzte Christus gemeint, der trotzdem wie ein gekrönter König auf dem Thron sitzt.
Die Ausmalung der Kapelle als Kerker ist so illusionistisch, dass man meint, man könne die Details mit Händen greifen.
Mit der Dornenkrönung Christi ist auch der sich durch die Räume ziehende Freudenreiche und Schmerzhafte Rosenkranz der Marienverehrung verwoben.
Den thematischen und theologischen Höhepunkt im Weiterschreiten bildet die Kreuzkapelle, die den Martertod Christi in den Mittelpunkt stellt. Golgatha mit Christus am Kreuz und den beiden Schächern nimmt einen architektonisch wie ein Presbyterium ausgeschiedenen Raum ein. Dieser steckt im alten Bergfrit der mittelalterlichen Burg. Den durch drei Stufen zugänglichen und damit erhobenen Platz flankieren zwei Altäre mit lebensgroßen plastischen Gruppen mit der dynamischen Kreuzschleppung Christi und der beruhigt meditativen, die ihn im Grabe ruhend mit den schlafenden Grabeswächtern zeigt.
Die lebensgroßen Gestalten der beiden sich Christus zuwendenden bzw. sich von ihm abwendenden Schächer führen die realistische Linie der plastischen Gruppen fort.
Hier hat auch der Vorauer Probst Philipp Leisl sein Herz verwahren lassen, während sein Leib im Stifte ruht. Das Chronogramm ergibt als Jahreszahl seines Todes 1717.
Die Kreuzkapelle macht in ihrer Architekturmalerei einen Hinweis auf Tod und Auferstehung Christi. In augentäuschender Manier wird eine teilweise Tuffsteinverkleidung durch den Raum gezogen, der mit gemalten Korallen, Muschelschalen und Meeresschneckengehäusen das Meer andeuten soll. Dahinter verbirgt sich der alttestamentarische Jonas, der von einem Wal verschluckt und nach drei Tagen von diesem ausgespieen dem Festland wiedergegeben wurde. Das ist eine Präfiguration auf Christus, der nach seinem Tode ebenfalls drei Tage in der Vorhölle (im heutigen Glaubensbekenntnis „im Reich des Todes“) weilte, dann aber wieder gekommen und auf der Erde verklärt wieder erschienen ist. Darüber erscheint als Deckenmalerei der auferstandene Christus in strahlender Glorie.
Geöffnete Fenster weisen wieder auf illusionistische Effekte in Hackhofers Malerei dort, wo es gar keine Fensterfront gibt.
Bezüge zum Alten Testament stellen wieder die Malereien mit den Gräbern der Väter und Patriarchen her.
Fast wie Emblemata wirken zwei Kartuschen mit Ikon und Lemma, wo Wölfe auch vor den Gräbern nicht zurückscheuen und ein einzigartiger Hinweis auf die Verwandlung des in einen Kokon eingesponnenen Schmertterling zeigt, der sich „entpuppt“ und zum wunderschönen Falter wird: „Ich bin ein Vögerl fürwar, was vorhin ein Wurm war.“
Martertod durch Enthauptung und Himmeltragung durch Engel beschließen den malerischen Lebens- und Leidenszyklus der hl. Katharina.
Der Katharinenzyklus erschließt sich aus dem Matrozinium, welches das liturgisches Zentrum der Burg- bzw. Schlossanlage als Katharinenkirche bildet.. Ihr Turm wurde dem mittelalterlichen Bergfrit aufgesetzt. Das Glockentürmchen kam erst später mit der Einrichtung der Kreuzkapelle im Inneren dazu. Die Glocke ist von 1717.
Man erreicht das Innere der Kirche über eine Rampe vom zweiten Innenhof aus und kommt dabei an einer plastischen Gruppe vorbei, welche die Erscheinung Christi vor seiner Mutter Maria darstellt.
Die Kirche ist ein rechteckiger Saalraum mit einer Flachdecke und je drei Fenstern an den Längswänden. Ihr vollständige Ausmalung stellt das malerische Hauptwerk des Vorauer Hofmalers Johann Cyriak Hackhofer dar, wurde 1710 vollendet und ist das erste Beispiel in der Steiermark dafür, dass eine ganze Saaldecke als Himmelsraum malerisch gestaltet wurde. Die Sockelzone trägt Grisaillen, also Malereien in einem einzigen gedämpftem Farbton, die in Jenseitserwartungen und –hoffnungen schwelgen.
Engelsgestalten und Putten spannen Blumengirlanden über ein Firmament, das mit seinen Wolken und dem Himmelsblau den Untergrund für dieses bewegte Geschehen bildet. Es sind auch musizierende Engel und die hl. Katharina an der Orgel als Patronin der Kirchenmusik zu sehen. Auch ein sogenanntes Heiliggeistloch wurde in der Decke ausgespart, durch die am Himmelfahrtstag eine Christusstatue von Engeln begleitet in die Höhe gezogen wurde und dann quasi im Himmel verschwand, worauf eine Taube als Symbol der hl. Geistes herabschwebte. Erst unter Kaiser Joseph II. wurde dieser beliebte Schaubrauch als „unvernünftig“ abgeschafft.
Der Altar ist aus farbig gefassten Bretterkulissen gestaltet. Das große Altarblatt zeigt die Aufnahme der Titelheiligen Katharina in den Himmel.
Als Antependium gemalt erscheint sie auch als im Grab Liegende am Hochaltar der Kirche.
Die Himmelfahrt Mariä und ihre Krönung gehört zu einer Folge von vier Gemälden zwischen den Fenstern.
Nur als Bretterkulisse ausgeschnitten, aber so raffiniert bemalt, dass man sie fast plastisch zu sehen vermeint, ist eine der beiden flankierenden Heiligengestalten auf dem Altar.
Die einfache Kanzel aus Marmor vortäuschendem Stucco lustro hat keinen Schalldeckel, weil ein solcher den Blick in den gemalten Himmel beeinträchtigt hätte.
Die Orgel von 1710 an der Emporenrückwand hat heute nur mehr ein leeres Gehäuse.
Eng mit der jüngeren Geschichte der Festenburg verbunden ist die Person des Historikers und Dichters Ottokar Kernstock, der als Chorherr des Stiftes Vorau hier als Pfarrer von 1889 bis zu seinem Tode 1928 wirkte. Er ist ein Untersteirer, der 1848 in Marburg a. d. Drau, heute Maribor, geboren wurde. Er studierte Rechtswissenschaften, war auch in der Grazer akademischen Sängerschaft Gothia aktiv und trug ihr Band bis an sein Lebensende. Er wandte sich dann aber der Theologie zu, trat als Novize in das Stift Vorau ein, wurde 1871 zum Priester geweiht und übernahm das Amt eines stiftischen Archivars und Bibliothekars bis zu seiner Übersiedlung auf die Festenburg 1889.
Hier entfaltete er auch sein Talent als Dichter und 1878 erschienen erstmals in der damals bekanntesten graphisch hervorragend gestalteten deutschen Familienzeitschrift „Fliegende Blätter“ in München erste Gedichte. Er folgte in seiner Lyrik dem Trend der grassierenden spätromantischen Reimdichtung. In der Folge des großen Vorbildes vieler damaliger Poeten Joseph Victor von Scheffel (1826-1886) schrieb auch er und schloss sich damit einer Richtung an, die man ein wenig von oben herab verächtlich mit dem Begriff „Butzenscheibenromantik“ zusammenfasste. Dabei schrieb Kernstock auch einige ihn als Historiker erweisenden schöne Balladen. 1920 dichtete er die deutschösterreichische Volkshymne „Sei gesegnet ohne Ende“, die dann 1929 bis 1938 als Bundeshymne gesungen wurde. Seine Gedichtsammlungen erschienen in handwerklich sehr schön und nobel gebundenen und aufgemachten Bänden, die zum Teil schon im Titel Bezüge zur Festenburg herstellen. Mit dem Titel „Unter der Linde“ zitierte er wörtlich sogar eines der berühmtesten Minnelieder Walthers von der Vogelweide.
Dass seine Werke in München verlegt wurden und Riesenerfolge zeitigten, mag auch daran gelegen sein, dass sein deutschnationales Bekenntnis, das für einen katholischen Priester als ein Fauxpas erschienen sein muss, Grund war, dass sich der Katholische Pressverein mit seinem Styria-Verlag einer Herausgabe der Werke eines quasi „schwarzen Schafes“ widersetzte. Sein verlegerisches Glück fand Kernstock also in der geistigen und künstlerischen Hochburg München der Prinzregenten-Zeit.
Angreifbar wurde er, als er 1916 gemeinsam mit Peter Rosegger den „Steirischen Waffensegen“ herausgab, der übrigens ganz auf der Linie der blutrünstigen Propaganda der Feindmächte und unter dem Eindruck des Verrates des vormaligen Verbündeten Italien stand. Karl Kraus, der sich während des Krieges von seinen Freundinnen auf böhmischen Schlössern durchfütten ließ und dem zu Adolf Hitler wörtlich „nichts eingefallen“ ist, hat ihn auch seinen zugestandener Maßen genialen „Letzten Tagen der Menschheit“ verhöhnt. Besonders wurde er für sein „Hakenkreuzlied“ von 1923 angegriffen, das aber weniger dem erst in den Anfängen stehenden Nationalsozialismus, als vielmehr der politischen Großdeutschen Bewegung zuzuordnen ist. In der schleichenden Kulturrevolution des 21. Jahrhunderts fiel auch Kernstock dem Zeitgeist zum Opfer. Nach ihm benannte stadtopographische Bezeichnungen für Straßen, Gassen oder Plätze wurden umgetauft, Vereine, ja sogar Blasmusikkapellen mussten sich seines Namens entledigen.
Nach seinem Tode wurden seine Wohnräume als Kernstock-Museum weitererhalten. Alles blieb so, wie es bei seinem Tode 1928 gewesen war. Noch heute erscheinen diese Räumlichkeiten so, als sei er gerade fortgegangen. Vom Schreibtisch bis zu seinem Sterbebett blieb alles unverändert.
Seine letzte Ruhestätte hat Kernstock unweit seiner Lebenssphäre auf dem kleinen, in die Natur eingebetteten Friedhof von Festenburg gefunden. Inmitten seiner Pfarrangehörigen liegt sein Grab. Der Gottesacker hat bis heute seinen Charakter bewahrt.
Auch der famose steirische Maler und Graphiker Franz Weiß (1921-1886) hat auf diesem Friedhof seine unverkennbaren Spuren hinterlassen.
Und so bietet sich das Grabzeichen für Ottokar Kernstock als edle Schmiedeeisenarbeit dem Besucher dar.
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