Baynun#
Von
Hasso Hohmann, 2016
Am 14.1.1992 wachte ich in Jemens Hauptstadt Sanaa (Lage auf Google Maps) etwas später als gewöhnlich auf, weil es abends davor spät geworden war. Erst um 8.00 Uhr frühstückte ich kurz. Danach ging es schnell. Zuerst fuhr ich mit einem innerstädtischen Sammeltaxi zur Haltestelle der Sammeltaxis für Überlandfahrten mit der Zielrichtung Süden. Ich schaffte es, bereits um 9.00 Uhr in ein schon fast volles Sammeltaxi einzusteigen. Mit mir waren alle Sitzplätze besetzt und so fuhr es sofort mit zwölf weiteren Mitreisenden los. Ich wollte nur bis Dhamar, das Luftlinie etwa 80 km entfernt liegt und wo wir um ca. 11.30 Uhr eintrafen.
Dort am Hauptplatz befragte ich die wartenden 5 Taxifahrer zeichensprachlich nach dem Preis für die Fahrt nach Baynun. Dieser wurde mir in neuarabischen Zahlen aufgeschrieben. Nachdem ich mir die Ortschaften an dem Weg dorthin von einer amerikanischen Militärkarte bereits abgeschrieben und auswendig gelernt hatte, fragte ich auch nach diesen Ortschaften. Es stellte sich bald heraus, dass die Preisvorstellungen zwischen 800 und 2000 Jemenitischen Real lagen und eigentlich nur der günstigste auch tatsächlich die Strecke kannte. Ich handelte ihn noch auf 600 Real herunter; dann fuhren wir los.
Der Fahrer sah zwar wild aus, hatte aber eine sympathische Art. Dennoch amüsierte mich die Vorstellung, dass meine Mutter mich hier sehen könnte und ihre Hände vor Entsetzen über dem Kopf zusammenschlagen würde. Mein Fahrer trug einen langen weißen Wickelrock. Auch der Rest der Kleidung war bis hinauf zum Turban weiß. Er dürfte aber trotz des faltigen Gesichtes nicht mehr als 35 Jahre alt gewesen sein. Er nahm noch einen Bauern mit zwei Ziegen und zwei schwere Säcke auf der Ladefläche des vierradangetriebenen Toyota Pickups mit. Der Bauer war ein Zusatzgeschäft. Die zwei schweren Säcke lagen auch auf der Fahrt zurück noch auf der Ladefläche. Er erklärte, dass dadurch das Fahrzeug bei den vielen Bodenwellen weniger hoch springt.
Ich saß vorne rechts neben dem Fahrer. Zwischen uns lag die ganze Fahrt lang griffbereit eine entsicherte Kalaschnikow - aus Sicherheitsgründen, wie er mir zu verstehen gab. Die Straße war zunächst noch relativ gut befahrbar. Es war die Hauptstraße nach Rada und weiter nach Al Bayda . Sie muss früher einmal asphaltiert gewesen sein. Nach etwa 30 km Fahrt Richtung Osten mussten wir nach Norden abbiegen. Von dort ging es auf einer üblen Staubstraße weiter. Die Piste wurde bald noch schlechter, führte dann zeitweilig über den blanken Felsen, auf dem auch keine Spuren mehr zu erkennen waren. Wenn in diesen Wegabschnitten der Fahrer die Richtung nicht genau kennt, kommt er kaum ans Ziel. Die Strecke wurde offenbar sehr selten befahren. Wir trafen auf der gesamten Strecke kein weiteres Fahrzeug in beiden Richtungen.
Für die Strecke von Dhamar bis Baynun brauchten wir gut zweieinhalb Stunden. Die Fahrt ging durch ein stark zerklüftetes Gebiet mit mächtigen vulkanischen Ablagerungen. Über eine weite Strecke waren auf beiden Seiten des Tales etwa 30m hohe Schichten bestehend aus meist senkrechten Basaltsäulen auf halber Höhe der Talhänge zu sehen
An einigen Engstellen sah man im seitlichen Erosionsprofil des Talbodens den Querschnitt eines ehemaligen kleineren Staudammes, der offensichtlich nach Auffüllung des hinter dem Damm liegenden Beckens mit Geschiebe aufgestockt worden waren. Der erste Damm war sorgfältig gemauert, der zweite ein auf das Sediment aufgesetzter, nach hinten verschobener Erdwall. Später sah ich einen weiteren Damm mit Aufstockung. All diese Staudämme hatten wohl das Problem der schnellen Verlandung.
Wenn es in diesem trockenen Gebiet einmal regnet, so geht dies meist sehr heftig vor sich und große Wassermengen stürzen von den Hochebenen in die Täler, reißen viel Geröll mit sich, das dann, wenn es hinter einem Hindernis gestaut wird und zur Ruhe kommt, ausfällt und sich am Boden des Stauraumes sedimentartig absetzt und so das Stauvolumen reduziert. Daher mussten die Staumauern schon in altsabäischer Zeit und auch zur Zeit des himiaritischen Königreichs periodisch aufgestockt werden. Dies wurde überall so lange praktiziert, bis die Konstruktionen zu hoch und zu schwer wurden und nicht mehr zu stabilisieren waren.
Entlang der Strecke lagen auch mehrere kleine Ortschaften, die fast völlig durch Erdbeben oder kriegerische Auseinandersetzungen zerstört waren. Bei einem Erdbeben im Dezember 1982 hatte es angeblich allein hier ca. 3500 Tote gegeben, wie mir der Fahrer bedeutete. Aber auch Stammesfehden trugen immer wieder zur Zerstörung von Bauten und ganzen Ortschaften bei. Die Konflikte werden in dieser Gegend heute mit Granaten, Maschinengewehren, Messern und kleinen Kanonen ausgetragen – Mann gegen Mann, Haus gegen Haus – eine oft geübte Art der Problemlösung.
Am Beginn der Streusiedlung im Tal von Baynun stieg unser Bauer mit den zwei Ziegen aus und zahlte. Wir fuhren noch ein kleines Stück weiter bis zu einem etwas größeren Haus. Es gehörte dem Bürgermeister der Ortschaft mit dem Namen An-Numara, den mein Fahrer kannte. Von ihm wurden wir zu Tee und Mittagessen eingeladen. Auch sein Haus – ein bäuerliches Anwesen – war durch Erdbeben und stete Schießereien beschädigt und in Teilen zerstört. Es gab fast im ganzen Haus kein Fenster mehr mit intakten Scheiben. Das späte Mittagessen wurde im Obergeschoss eingenommen und bestand aus frischem Fladenbrot und einer sehr nahr- und schmackhaften dicken heißen Suppe mit Bohnen, Linsen und vielen anderen Zutaten. Während des Essens wurde vom oberen Dorf aus auf das Haus meines Gastgebers geschossen, so dass eine weitere Scheibe des Essraumfensters zersplitterte. Das beunruhigte offenbar niemanden. Es wurde ohne Unterbrechung weiter gegessen. Nur den Gast aus dem fernen Europa schien so etwas noch nervös machen zu können.
Nach dem Essen fuhr der Taxifahrer mit mir über eine steile felsige Straße auf den links des Talraumes gelegenen Berg hinauf, um zu den Ruinen des antiken Baynun zu gelangen. Dabei kamen wir an einigen Häusern mit spätantiken Spolien und Reliefs vorbei. Am Ende der Steigung fiel mir besonders ein Haus mit einem schönen Hochreliefstein aus weißem Marmor auf, der sehr naturalistisch einen Stier in Frontaldarstellung zeigte. Leider war er halbseitig stark beschädigt. Er hatte eine typisch früh-himiaritische Ausformung. Als die steile enge Straße flacher wurde bogen wir scharf nach links um eine Felsnase. So erreichten wir einen Engpass bevor wir ins obere Dorf einfuhren. Hier stellte sich uns plötzlich eine kleine Privatarmee des oberen Dorfes von wohl sieben Personen mit Waffen im Anschlag in den Weg. Sie mussten uns schon erwartet haben und hinderten uns an der Weiterfahrt. Als auch längere Diskussionen zwischen dem Anführer der kleinen Gruppe und meinem Fahrer nichts brachten, kehrten wir um und fuhren zurück zum Bürgermeister des unteren Dorfes.
Dort wurde zunächst einige Minuten sehr heftig und lautstark diskutiert, beraten und danach kamen auf ein Pfeifsignal aus mehreren Häusern sieben junge Burschen mit Kalaschnikows, Krummdolchen und Gewehren zum Bürgermeister, um gleich darauf auf die Ladefläche des Pickups zu springen. Die zwei Säcke wurden zwischenzeitlich von der Ladefläche genommen und beim Bürgermeister deponiert.
Obwohl ich abwehrte, ging es nun mit “militärischer Verstärkung“ nochmals den Berg hinauf. Bei dem hohen Gewicht auf der Ladefläche und der Steilheit der Straße musste sich der Toyota im ersten Gang hinaufmühen. Oben angekommen wurde mitten im oberen Dorf auf der Basis von gleicher “militärischer Stärke“ nochmals verhandelt. Dabei standen sich die zwei gegnerischen Seiten zunächst mit aufeinander gerichteten Waffen gegenüber. Später stiegen “meine“ jungen Streiter vom Wagen und man setze sich zu einer Diskussionsrunde auf eine seitliche Mauerbank. Als Ergebnis durfte ich nach etwa einer Viertelstunde zu den Ruinen gehen, musste aber meine Kamera im Fahrzeug zurücklassen. So hatte man einen Kompromiss gefunden, bei dem keine Seite das Gesicht verlor. Erfreulicherweise hatte die Diplomatie mit militärischer Drohgebärde gesiegt. Es ist vielleicht in diesem Zusammenhang interessant, zu erwähnen, dass es im Jemen eine wohl einzigartige Diskussionstechnik bei oft fast aussichtslos scheinenden Streitfällen gibt. Hier müssen die Gegner ihre Argumente in Versform vorbringen. Diese Art der Verhandlungsführung war aber in diesem Fall offenbar nicht notwendig.
Der Weg zu den Ruinen führte etwa auf Höhe des oberen Dorfes auf dem hier flacher werdenden Berghang um ein Seitental herum. Die Ruinen begannen schon bald und bildeten eine hufeisenförmige Zone um das Tal. Ich ging in den Ruinen in Rufweite mit dem oberen Dorf. Die Ruinen erstrecken sich über große Teile des Berghanges oberhalb und unterhalb des Hauptweges und bedecken eine sehr ausgedehnte Zone. Es gibt Berichte, nach denen Baynun zeitweise auch die Hauptstadt des himiaritischen Reiches war, bis es wohl um 525 n. Chr. von den Axumiten aus Äthiopien erobert und zerstört wurde. Die Steine liegen allerdings so gleichmäßig durcheinander geworfen, dass ich den Eindruck hatte, dass dies nicht allein das Werk von feindlichen Auseinandersetzungen und Zerstörungen gewesen sein kann. Es gibt nahezu überhaupt keine Reste von sichtbar aufrecht stehenden Wänden. Auch vom großen Königspalast in Baynun hat sich nichts Erkennbares im Schutt abgezeichnet. Ich vermutete daher, dass die Reste der Stadt nach ihrer Eroberung zusätzlich durch mindestens ein sehr heftiges Erdbeben in diesen Zustand gebracht wurden. Nach etwa einer knappen Stunde Besichtigung des Ruinenfeldes, in dem bisher offenbar noch von keinem Archäologen gegraben worden war, gab mir der Fahrer durch Pfeifen, Rufen und Winken zu verstehen, dass ich zurückkommen solle. Das war sehr verständlich nachdem ja außer ihm auch meine kleine Privatarmee noch auf mich wartete.
Einen kleinen Steinblock mit einer aus nur 4 Zeichen bestehenden kurzen Inschrift, der als Spolie in einen neuzeitlichen Rundbogen auf den Kopf gestellt eingemauert worden war, hatte ich in meine Innenhandfläche umgezeichnet. Ich übertrug die Zeichnung später in mein Notizheft. Die Inschrift dürfte im 1. bis 4. Jh. n. Chr. in den Stein gemeißelt worden sein. Dafür scheint die Form des Buchstaben für "w" zu sprechen, der meist in frühen Schriften als ein durch einen senkrechten Stich vertikal geteilter Kreis dargestellt wird, sich mit der Zeit aber immer weiter zu sich am Ende nur noch tangierenden, nebeneinander liegenden zwei kleineren Kreisen oder Ovalen verändert hat. Die hier verwendete Variante des Buchstaben sieht aus, wie das Frühstadium einer solchen "Zellteilung" und kann wohl als frühhimiaritisch oder sogar noch als spätsabäisch bezeichnet werden. Außerdem fertigte ich später noch eine Lageskizze aus der Erinnerung an. Die Ruinen sind sehr ausgedehnt und sind offenbar die Reste einer relativ großen antiken Stadt.
Grund für meine Probleme mit der Besichtigung der Ruinen von Baynun war wohl, dass ich beim Bürgermeister des unteren Dorfes eingeladen und dies offenbar von oben beobachtet wurde und die beiden Dörfer in ständigem Streit leben. Nachdem ich nun aber quasi unter dem Schutz des unteren Dorfes stand, fühlte man sich dort auch verpflichtet, mir bei meinem Vorhaben, die Ruinen zu besichtigen, zu helfen.
Nach der Rückkehr mit "meiner" kleinen Streitmacht im unteren Dorf ging es gleich weiter zu meinem Hauptziel in Baynun, zum antiken Tunnel, der früher einmal in himiaritischer Zeit Wasser aus einem wasserreicheren Paralleltal im Osten unter einem Bergrücken in das fruchtbarere Tal von Baynun leiten sollte. Eingemeißelte Inschriften am Einlauf über dem Tunnelportal mittig und je eine an den beiden Seiten oben unter der Decke des Tunnels geben Auskunft über Planung, Alter und Funktion.
Zunächst kamen etliche meiner Begleiter samt Bürgermeister und Fahrer mit. Später wurde die Gruppe kleiner. Im Tunnel waren es nur mehr der Fahrer und zwei der jungen Burschen. Nachdem auch der Fahrer zum Bürgermeister hinunter gestiegen war, hatte ich nur noch zwei Begleiter. Der Fuß des Tunnels liegt beim Auslauf mit ca. 8 m deutlich höher, als der Talboden von Baynun. Es muss hier also noch ein Aquädukt-System angeschlossen haben, über welches das Wasser auf die Felder im Baynun-Tal verteilt wurde. Von diesem hat sich aber nichts mehr erhalten. Der untere wie auch der obere Teil des Kanals durch den Berg ist in einem offenen Einschnitt geführt. Die Breite des Kanals liegt über die gesamte Länge des Durchstichs bei etwa vier Metern. Der Einschnitt reicht bis zu einer Einschnitthöhe von geschätzten 25 m auf beiden Seiten. Der Tunnel selbst misst knapp 100 m Länge. Die Höhe des Tunnels ist beim Einlauf etwa 4m, beim Auslauf etwa 6 m hoch. Ziemlich genau in der Mitte des Tunnels gibt es eine S-Kurve. Dieser Versatz misst selbst knapp mehr als 4 m und ist offensichtlich daraus zu erklären, dass der Tunnel von beiden Seiten gleichzeitig aus dem Felsen geschlagen wurde und die Vermessung außen über den Berg vor 2000 Jahren nicht ganz so genau war, wie mit heutigen geodätischen Präzisionsinstrumenten. Die Gesamtlänge des Kanals durch den Bergrücken macht, wenn man Einschnitte und Tunnel zusammenrechnet, etwa 170 m aus.
Auch auf der Einlaufseite liegt der Talboden deutlich tiefer als der Kanal. Er folgt hier nach einer Ablenkung des Kanals um ca. 90° dem Hang in einem parallel zum Berg geführten Kanal. Hierzu wurde der Kanal in voller Breite von 4 m und einer entsprechenden Tiefe von 4 bis 7 m aus dem gewachsenen Felshang herausgemeißelt. Weiter oben endet er in den Resten eines einst großen Staubeckens. Man erkennt deutlich die Sedimentationen und an den sekundären Erosionshängen talaufwärts die Reste des antiken breiten Staudammes. Nach dem Bruch des Dammes und späteren Regenfällen wurde dieser fast vollständig abgetragen und die horizontalen Ablagerungen dahinter größtenteils wieder herausgeschwemmt. Der Stauraum hinter diesem Damm war das Wasserreservoir, aus dem der Kanal ins Tal von Baynun gespeist wurde.
Es war inzwischen recht spät geworden. So konnten wir nur noch schnell einen Tee trinken und mussten uns vom Bürgermeister, seinen guten Freunden, von Baynun und seinen Bewohnern verabschieden. Es ging bei Helligkeit und schönem Abendlicht durch die Täler zurück. Als es dunkel wurde, war die Fahrspur oft fast gar nicht mehr zu erkennen. Noch vor Dhamar brachte mich der Fahrer zu einer Stelle, wo Sammeltaxis, auch solche aus Taiz, anhalten. Hier biegen Fahrzeuge von der Hauptstraße Taiz – Sanaa Yemen, Sanaa Richtung Rada Yemen, Rada ab. Ich stieg um ca. 20.00 h bei völliger Finsternis aus, zahlte meinem Fahrer das vereinbarte Geld und wir verabschiedeten uns freundlich.
Nach etwa einer halben Stunde kam ein Sammeltaxi, das nach Sanaa fuhr, anhielt und mich mitnahm, obwohl es eigentlich im Wagen keinen Platz mehr gab. Man rückte zusammen. Der Fahrer fuhr gut und sehr zügig – meist mit 120 km/h, was auf den engen Bergstraßen auch auf einer der Hauptverkehrsstraßen im Jemen recht schnell ist. Einige der Fahrgäste klagten darüber, was nichts half.
Wir waren gerade auf einem sehr kurvenreichen Straßenabschnitt kurz vor einer Passstelle unterwegs und fuhren um eine Bergnase in einer nicht einsehbaren engen Rechtskurve, als wir uns zwei sich überholenden, schlecht beleuchtet Lastkraftwagen gegenübersahen, die in geschätzten 40m Entfernung die gesamte Straßenbreite einnahmen und auf uns zufuhren. Ich sah eigentlich keine Lösung des Problems. Alles spielte sich wie in einem Zeitlupenfilm ab. Viel sehen konnte man nicht, weil draußen schwarze Nacht war. Der reaktionsschnelle Fahrer fuhr unmittelbar an den rechts senkrecht aufsteigenden Felsen heran. Das Blech kreischte rechts auf Stein und links auf dem Blech des überholenden Lastkraftwagens für Sekundenbruchteile. Der Lärm war unglaublich, der ganze Wagen wurde dabei extrem gebremst und zugleich gebeutelt. Auch die Mitreisenden schrien. Unmittelbar danach kamen wir schon wieder aus dem schmalen Wassergraben neben der Felswand heraus auf die Straße und hatten uns nicht überschlagen. Es grenzte für mich an ein Wunder, dass wir noch lebten und der Wagen sogar noch fahren konnte.
Ich weiß nicht, ob einer der Lastkraftwagen in der Kurve über die Straßenkante in den Abgrund gestürzt ist, was ich mir vorstellen könnte. Im Jemen überprüft man so etwas nicht. Es sind schon zu oft Unschuldige zu Schuldigen geworden. Alle Mitreisenden im Wagen riefen Allah in Dankgebeten an. Manche beklagten sich auch darüber, dass der Fahrer zu schnell gefahren sei. Der Fahrer hatte in dieser Situation instinktiv optimal reagiert. Sein Wagen war durch das unverantwortliche Überholmanöver des überholenden Lastkraftwagens stark beschädigt. Der Fahrer fuhr noch eine kurze Strecke weiter; dann hielt er an und besichtigte den Schaden mit einer mitgeführten Taschenlampe. Eine der Türen ließ sich nicht mehr öffnen, alle Türen und auch die Kotbleche waren stark beschädigt, zum Teil war das Außenblech regelrecht von der Rahmenkonstruktion heruntergerissen oder aufgerollt. Aber alle vier Räder und Reifen waren funktionsfähig geblieben. Von hier an fuhr der Fahrer nur noch mit maximal 80 km/h nach Sanaa weiter. Auch die weitere Fahrt war noch von heftigen Gebeten der anderen Mitreisenden begleitet: Allah ist groß!
Siehe auch den Beitrag in dem exzellenten Buch über Jemen: