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Das ehemalige Augustiner - Chorherrenstift St. Andrä an der Traisen#

Von

Karl Anton Glaubauf


Der Stifter Walter, Graf von Traisma, und die Entwicklung des Klosters bis 1683#

Stift Herzogenburg, © Foto: Österreich Werbung / Trumler
Stift Herzogenburg
© Foto: Österreich Werbung / Trumler

Dem Wunsche des Stifters, Walter, Graf von Traisma, entsprechend, setzte Bischof Konrad von Passau am 30. Dezember 1160 den Augustiner-Chorherren Gottschalk als ersten Propst des neuen Stiftes St. Andrä an der Traisen St. Andrä an der Traisen ein.

Die materiellen Voraussetzungen für die Klostergründung hatte Walter schon 1147 geschaffen, als er eine bestehende Andreaskapelle mit seinem beträchlichen grundherrschaftlichen Besitz dem Bischof von Passau übergab. Der Graf von Traisma wird in der Stiftungsurkunde von Klosterneuburg ausdrücklich erwähnt und gehörte somit zum einflussreichen Hochadel der Babenberger-Mark.

1185 wurde das junge Stift unter den Schutz des päpstlichen Stuhls gestellt und somit der Jurisdiktion des Passauer Bistums entzogen. Obwohl das Kloster sogar ein "Hospital" betrieb, konnte es sich offensichtlich wegen des seit 1244 in unmittelbarer Nähe gelegenen Chorherrenstiftes Herzogenburg Herzogenburg nicht richtig entfalten, sodass vor allem die Zahl der Chorherren sehr gering blieb und nicht selten der Propst der einzige Priester war.

Infolge der im Gegensatz zu Herzogenburg nicht vorhandenen Verteidigungsanlagen wurde das Kloster im Spätmittelalter beinahe regelmäßig zerstört und musste ebenso oft wieder aufgebaut werden:

Die Verwüstungen durch die Rebellen Konrad Fronauers und die Truppen von Matthias Corvinus führten dabei allerdings dazu, dass 1487 die Grundherrschaft über die Orte Zeining Zeining und Mandersdorf Mandersdorf verkauft werden musste, um das Stift wieder aufzubauen.

1529 wurde das Stiftsgebäude neuerlich gänzlich zerstört, sodass der damalige Propst Wolfgang mehreren seiner Chorherren die Erlaubnis gab, das Kloster zu verlassen, weshalb 1539 nur mehr zwei Chorherren anwesend waren.

Im Gegensatz zu Herzogenburg, das schon im 13. Jahrhundert durch einen zwei Kilometer langen und vier Meter tiefen Graben mit dahinter liegendem Erdwall befestigt wurde, blieb St. Andrä trotz der vielfachen Zerstörungen im Spätmittelalter ohne wirksamen Schutz, was sich 1683 bitter rächen sollte.

Das Massaker von 1683#

Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges und dem Sieg der Gegenreformation begann sich das Stift zu konsolidieren: Die Zahl der Chorherren nahm wieder zu und die Seelsorge in den Pfarren wurde intensiviert. Unmittelbar nach dem Beginn der Wiener Türkenbelagerung am 14. Juli 1683 begann allerdings türkische leichte Kavallerie, die sich ihren Sold selbst erwerben musste und deshalb besonders gefährlich war, die Umgebung des Stiftes zu verwüsten und den Stiftsmeierhof und das Dorf St. Andrä in Brand zu stecken.

Die Tore des Stiftes und der Kirche wurden ebenfalls aufgebrochen, die Dorfbewohner flüchteten in den Turm der Kirche. Dabei "vergaß" allerdings der letzte, die eiserne Tür zu schließen, sodass " auf dem obersten Glockenturme ein solches Gemetzel" entstand, " dass das Blut stromweise auf die Balken und den untersten Erdboden herabfloss, dass es selbst nach mehreren Jahren noch sichtbar war und nicht übertüncht werden konnte."[1]

Am Ende des Gemetzels wurden Kirche und Ort niedergebrannt. Um den völligen Untergang des Chorherrenstiftes zu verhindern, waren gewaltige Anstrengungen erforderlich, die von den Pröpsten Augustinus Erath und Anton Ruckenbaum zu bewältigen waren.

Der barocke Neubau#

Probst Erath ließ dabei zunächst in den Jahren 1711 und 1712 den Turm der Kirche im glanzvollen Barockstil errichten, sein Nachfolger Anton Ruckenbaum (1719-1745) ließ von 1725-1729, also in nur vier Jahren, die neue Barockkirche erbauen,"ganz ohne Belastung für das Stift"[2] wie auf seinem in der Kirche befindlichen Grabstein zu lesen ist.

Die neue barocke Basilika wurde prunkvoll ausgestaltet: Paul Troger, der hier seine Tätigkeit in Österreich begann, malte nicht nur die Deckenfresken, die heute noch in ihrer gesamten Farbenpracht strahlen als seien sie erst gestern gemalt worden und die gesamte barocke Farbenfülle und Lebenskraft zeigen, sondern auch das große sehr naturalistische Hochaltarbild, das die grausame Kreuzigung des heiligen Andreas sehr realistisch zum Ausdruck bringt und einige Bilder der sechs Seitenaltäre. Die übrigen wurden von Johann Georg Schmidt, dem berühmten "Wiener Schmidt" gemalt.

Die kunstvollen Stuckarbeiten führten Christoph Kirschner, Anton Scheitler und Balthasar Hagenmüller aus.

Am 16. August 1729 wurde durch den Bischof von Passau, Joseph Dominik Graf von Lamberg, die Einweihung und Konsekration der Kirche vorgenommen.

Für den Kirchenneubau war die Konzeption der gesamten Anlage grundlegend geändert worden: Der zwischen dem Stift und dem Meierhof gelegene große Platz sollte Zentrum des gesamten barocken Ensembles werden. In seinem Mittelpunkt wurde als Dank für die Türkenabwehr eine prachtvolle Mariensäule errichtet, die auch heute noch - sorgfältig restauriert - sofort alle Blicke auf sich zieht.

Der Kirchenneubau wurde im Gegensatz zum früheren Gotteshaus um 180 Grad gedreht, sodass sich der Eingang mit der prunkvollen Fassade nun im Osten und der Hochaltar im Westen befindet. Dadurch reihen sich alle Gebäude nun um das Zentrum mit der Mariensäule.

Inkorporation in das Stift Herzogenburg 1783 und Auflösung 1787 #

In der Folgezeit ließ allerdings Probst Franz Nickel (ab 1745) die Schulden des Stiftes auf 22.939[3] Gulden ansteigen, was zum Ende der Selbständigkeit des Klosters führen sollte, das nun durch einen Administrator verwaltet wurde bis am 9. September 1783 der Probst von Herzogenburg als neuer Vorsteher von St. Andrä feierlich installiert wurde. Mehrere Chorherren begannen nun das Stift zu verlassen, was dessen Position neuerlich schwächte.

Am 30. Juni 1787 wurde dann das Stift aufgrund des Patentes Josephs II. aus dem Jahre 1782 endgültig aufgelöst. Das Stiftsgebäude blieb, bis auf wenige Chorherren, die noch darin wohnten, leer bis es 1780 verpachtet und bis 1828 als Kaserne genutzt wurde.

Anschließend wurde es von der Gemeinde Wien als Altersheim verwendet und sukzessive zum heutigen modernen Geriatriezentrum ausgebaut. Wertgegenstände des Stiftes und die Bibliothek waren zur Deckung der Schulden versteigert worden, der grundherrschaftliche Besitz verblieb dem Stift Herzogenburg.

1856 brannte der barocke Turm ab und erhielt lediglich eine Notbedachung, die bis heute erhalten ist und das gesamte Ensemble verunstaltet. (siehe Bild) Das Stift Herzogenburg ist zuständig für die Wiederherstellung des Turmes.

Im Totenbuch des Stiftes findet sich unter dem Datum 3. November 1204 die Eintragung eines "ruedegerus marchio" (Markgraf Rüdiger), der dem Düsseldorfer Germanistik-Ordinarius Joachim Splett zufolge das historische Vorbild für den Markgrafen Rüdiger von Bechelaren im Nibelungenlied war.

Da laufend Restaurierungsarbeiten durchgeführt wurden, blieb der barocke Ensemble-Charakter des ehemaligen Stiftes St. Andrä an der Traisen erhalten. Das ehemalige Chorherrenstift St. Andrä ist daher gemeinsam mit dem Chorherrenstift Herzogenburg ein zweites - allerdings wenig bekanntes - Barock-Juwel der ehemaligen landesfürstlichen "Stadt unter dem Herzogshut" im unteren Traisental.

Anmerkungen:

[1] - [3] : St. Andrä/Traisen, hrsg. vom Niederösterreichischen Pressehaus, unpaginiert, St. Pölten 1973.

Literatur#

  • Wahl, Egon: Das Augustiner-Chorherrenstift St. Andrä an der Traisen. Phil. Diss.; Wien 1945
  • St. Andrä/Traisen, hrsg.vom Niederösterreichen Pressehaus, unpaginiert, St. Pölten 1973.
  • Splett, Joachim: Rüdigerstudien. Phil. Diss. (gedruckt), Münster 1964.
  • Sankt Andrä an der Traisen
  • Herzogenburg



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