ARTHUR NIKISCH#
1893: Bekanntlich bildete die Besetzung des Postens eines artistischen Leiters der königl. ung. Oper seit dem Abgang des Direktors Mahler unablässig eine Hauptsorge der an dem Gedeihen dieses nationalen Kunstinstitutes interessierten Kreise der Bevölkerung von Budapest und machte sich der Mangel an einem geeigneten und fähigen Bühnenleiter rückblickend der künstlerischen Entwicklung und der Hebung dieser ersten und bedeutenden Opernbühne Ungarns in empfindlich nachteiliger Weise fühlbar. Auf die kurze Zeit des Aufschwunges, den das königl. ungar, Operntheater unter Mahlers zweijähriger Tätigkeit genommen, folgen einige Jahre des künstlerischen Niederganges, so dass die Frage der Sanierung und Reformierung der artistisch gänzlich im argen sich befindenden Verhältnisse eine brennende und endliche Lösung erheischende wurde. Jeder Kunst- und Theaterfreund der ungarischen Haupt- und Residenzstadt war von dem Wunsch beseelt, die Beseitigung der Kalamitäten, in die das genannte Theater in Folge einer mangelnden zielbewussten Leistung geraten war, baldigst herbeigeführt zu sehen und so entschloss man sich denn, den aufgelassenen Posten eines Direktors der ungarischen Oper, wieder zu besetzen und an die Spitze des Instituts einen Mann zu berufen, der die unzweifelhafte Befähigung und Begabung besitzt, das Prestige und die Bedeutung dieses Theaters als des ersten Kunstinstitutes voll und ganz zu repräsentieren, die tristen Verhältnisse desselben zu sanieren und die bestehenden argen Zustände zu reformieren. Man hielt Ausschau aber es fand sich kein Geeigneter. Schon gab man die Möglichkeit auf einen derart qualifizierten Künstler gewinnen zu können, da wurde die Intendanz auf den berühmten Musikdirektor Arthur Nikisch der Bostoner Symphonie-Konzerte, einen geborenen Ungar, aufmerksam gemacht und nach langwierigen Unterhandlungen gelang es endlich, diesen hervorragenden und zu den bedeutendsten Musikern der Jetztzeit zählende Mann für die ungarische Oper als Direktor zu gewinnen. Es ist keine Übertreibung wenn behauptet wurde. Das Engagement des Herrn Arthur Nikisch als Direktor ist einer der größten Erfolge, den die ungarische Oper errungen.
1915: Arthur Nikisch benutzte den Vorabend seines 60. Geburtstages dazu, dem Publikum der Philharmonischen Konzerte seine Unübertrefflichkeit als Orchesterinterpret wieder einmal mit größtem Nachdruck zum Bewusstsein zu bringen. Der Philharmoniesaal war am Montag, beim ersten „Philharmonischen“ dieser Spielzeit, fast vollständig besetzt, und unter den Zuhörern befanden sich viele, die zur Musik gehören, aber nicht oft in Konzerte laufen. Das Orchester begrüßte seinen Meister durch Erheben von den Sitzen, und das Publikum nahm gleich an dieser Ehrenbezeugung den lebhaftesten „handlichen“ Anteil. Aber nach dem unnachahmlich fein ausgearbeiteten Vortrag der vierten Beethoven Symphonie bekam der Beifall Ovationscharakter, und manch riesiger Lorbeerkranz fand seinen Weg aufs Podium. Es war eine spiel- und klangfreudige und dabei doch sehr ernste Leistung gewesen, also genau was sich für diese klassische Symphonie mit der romantischen Einleitung geziemt
Noch höher schlugen dann freilich die Wogen der Begeisterung, als Nikisch und die Philharmoniker, das Meistersinger-Vorspiel in einer Pracht, mit einem Schwung und zugleich mit einer Durchsichtigkeit der Linienführung gespielt hatten, die selbst alten Konzert- und Opernveteranen dieses Wunderwerk neu erscheinen ließen.
Am Dienstag, den 24. Jänner 1922 traf in Berlin die Trauerbotschaft aus Leipzig, dass Geheimrat Prof. Dr. Arthur Nikisch einem Grippevirus mit nachfolgenden Herzkomplikationen erlegen sei. Noch am 9. Jänner hatte er das vierte der Philharmonischen Konzerte mit alter Spannkraft und Elastizität dirigiert. Dann erfuhren wir, die allerorten in Deutschland grassierende Grippe habe auch ihn ergriffen und auf das Krankenlager geworfen. Die Botschaften über den Zustand des Patienten lauteten verschieden. Der Kranke lag 10 Tage lang mit hohem Fieber, auch seine Herztätigkeit ließ zu wünschen übrig. Am Sonnabend , 21. Jänner, trat eine merkbare Besserung ein, das Fieber wich, die klare Besinnung gewann die Oberhand, so dass man glaubte, Nikisch hätte den die Krankheit überwunden und gehe der Genesung entgegen. Da stellte sich zwei Tage später neue Herzschwäche ein, sie nahm bedrohliche Formen an. Am 23. Jänner - am selben Abend, da Max Fiedler als Vertreter das fünfte Philharmonische Konzert leitete – gegen 9 Uhr 30 trat der Tod ein. - Am 12. Oktober dieses Jahres hätte Nikisch sein 67. Lebensjahr vollendet.
Kaum hat seit dem Ableben Liszts und Wagners eine Todesbotschaft so allgemeine Bestürzung und aufrichtige Trauer ausgelöst. Sie legte sich wie lähmend auf alle Gemüter. Denn Nikisch war bereits auf Erden ein Gott gewesen, - eine Persönlichkeit, der die Begeisterung und Liebe der gesamten musikalischen Welt entgegenschlug, der vom Einspruchs losen Enthusiasmus umgeben war und als Gefeierter auf den Höhen des Lebens wandelte. Eine Erscheinung, der wir kaum im Jahrhundert einmal begegnen, - die alle anderen weit überragte nach künstlerischen und menschlichen Eigenschaften. Die Prosaiker des Lebens haben das Wort geprägt, dass ein jeder zu ersetzen sei. Die „Weisheit“ gilt für solche, die nur die Oberfläche des Daseins überschauen. Selbstverständlich wird leer gewordenen Platz ein anderer rücken; einen Arthur Nikisch aber werden wir nie wieder bekommen.
Anthur Nikisch wurde am 12. Oktober 1855 in Mosonszentmiklos, Ungarn geboren, studierte am Wiener Konservatorium Geige und Klavier. Als Geiger begann er in verschiedenen Orchester, so auch im Wiener Hofopernorchester, gerade als Anton Bruckner die Uraufführung seiner Zweiten Symphonie dirigierte und bei Nikisch eine Begeisterung auslöste. Kein Wunder, dass er sich der Dirigentenausbildung bei Felix Otto Dessoff unterweisen ließ. Dieser wieder erkannte dessen Talent und in einem Schreiben für Leipzig wies er darauf hin, dass man an Nikisch nicht achtlos vorbei gehen soll, denn sein Können erstaune ihn.
Im Stadttheater Leipzig war er als Chordirektor tätig. Ein Jahr später war er bereits erster Kapellmeister. Ein anderer prominenter Komponist, Tschaikowsky, der sich zufällig 1888 in Leipzig aufhielt, war von Nikisch seiner Interpretation der Konzertstücke sehr beeindruckt.
Als Joseph Schalk, ein Schüler Bruckners mit der 7. Symphonie in Leipzig bei Nikisch vorstellig wurde. Nikisch der längst schon ein Bewunderer Bruckners, zeigte sich sofort einverstanden die 7. Symphonie des von ihm verehrten Meisters in Leipzig aufzuführen.
Am 30. Dezember 1884 wurde die 7. Symphonie in Bruckners Anwesenheit unter der Leitung Nikisch aufgeführt. Es wurde ein großer Triumph. Der zweiten Aufführung in Leipzig wohnte das sächs. Königspaar bei. Bruckners Erfolg beginnt in Deutschland unter dem Dirigenten Arthur Nikisch
Die Wiener kamen spät aber doch erst 1886 in den Genuss Bruckners 7. Symphonie.
Die Jahre eilten dahin, Nikisch war inzwischen Chefdirigent des Boston Symphony Orchestra und Direktor der Königlichen Ungarischen Oper, wurde er als Gewandhauskapellmeister nach Leipzig berufen. Ein weiteres Angebot kam aus Berlin, ein Nachfolger nach Hans von Bülow als Chefdirigent. Nikisch konnte dem Ruf aus Leipzig nicht widerstehen, erwartete ihn dort doch ein ausgezeichneter Klangkörper, der die berühmtesten Werke zur Aufführung gebracht hatte. Seine Zusage galt auch Berlin, dessen Orchester er zu Weltruhm führte.
Johannes Brahms zeigte sich entsetzt als er seine Musik unter Nikisch kaum wieder erkannte, doch bald darauf musste er erkennen, dass seine Musik nur so zur Geltung kam.
Noch eine weitere Neuigkeit führte Nikisch ein, als er mit dem Berliner Philharmonischen Orchester in einem Aufnahmestudio die Fünfte von Beethoven auf Tonträger aufnehmen ließ.
QUELLEN: Signale 1915, H 41, 1922, H 5, Crescendo, Anton Bruckner und sein Leben, ans C. Fischer, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO
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Weiterführendes#
- Arthur Nikisch (AEIOU)