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DAS DIPHTHERIESERUM#

Forscher
Emil von Behring, Apotheker Zeitung

1929: Ein Wohltäter der Menschheit, ein Wissenschaftler, dessen Erkenntnisse Millionen von Menschen das Leben retteten und dessen Lebensarbeit heute wie ehemals unter uns wirksam ist, könnte am 15. März 1929 den fünfundsiebzigsten Geburtstag feiern, wenn nicht schon im 63. Jahr ein unerbittliches Geschick seinem Leben ein Ziel gesetzt hätte. Es gilt einem Mann Dank abzustatten, der, wie kaum ein anderer vor ihm, unsägliches Leid von Hunderttausenden von Familien abwendete durch die Entdeckung des Diphtherieheilserums, mit dem der Name Emil von Behring in der Geschichte der Menschheit für alle Zeit verbunden ist.

Wenn heute die Wissenschaft eine erprobte Waffe im Kampf gegen die Diphtherie besitzt und die Diphtherie ihre Schrecken für die Völker verloren hat, so ist das dem Verdienst des deutschen Forschers Emil von Behring zu danken. Sohn einer kinderreichen Familie, der Vater war Lehrer in Hansdorf in Westpreußen, lernte er frühzeitig den Ernst der Arbeit kennen. Bei elf Geschwistern schien es dem Vater unmöglich, den hochbegabten Jungen, der schon frühzeitig lebhafte Neigung zur Medizin bekundete, studieren zu lassen. Infolge seiner Begabung erregte er jedoch so das Interesse seiner Lehrer, dass sie Stipendien zum Besuch höherer Lehranstalten und zum Studium für ihn erwirkten. Mit zwanzig Jahren konnte er nun die Militär ärztliche Bildungsanstalt in Berlin (Königliches Friedrich-Wilhelm-Institut) beziehen, die er als 26jähriger nach bestandenem Examen als Doktor der Medizin verließ, um als Militärarzt in das deutsche Heer einzutreten.

Im Jahr 1882 tritt er mit einer grundlegenden, völlig neuen Anschauung über die Wirkung der Bakterien tötenden Mittel hervor und widmet die nächsten Jahre der intensiven Arbeit auf diesem Gebiet. Er verlässt nun die Militär ärztliche Laufbahn, wird Wissenschaftler, experimentiert unter den schwierigsten, wirtschaftlichen Verhältnissen und gibt im Winter des Jahres 1890 seine bahnbrechende Entdeckung der Blutserumtherapie bekannt.

Diese Entdeckung gipfelt in der Feststellung, dass dem Blutserum erkrankt gewesener Tiere die Fähigkeit inne wohnt, andere Tiere von der gleichen Krankheit zu heilen. Bei der Diphtherie erwies sich diese Erkenntnis, übertragen auf den Menschen, als ein durchschlagender Erfolg, der zum Sieg wurde, als es ihm im Jahr darauf gelang, die ersten Diphtherie kranken Kinder in der von Bergmannschen Klinik in Berlin mit dem Behring Diphtherieheilserum ereilten Erfolg zu retten.

Auf der ganzen Welt bestätigten die durch Diphtherieheilserum ereilten Erfolge die Richtigkeit der Behringschen Lehre. Die Diphtheriekrankheitszahlen sanken überall dort, wo der Arzt zum Diphtherieheilserum griff. In kurzer Zeit verwendeten die meisten Ärzte der Welt das Behringsche Heilmittel im erfolgreichen Kampf gegen die Diphtherie.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass es Behring zusammen mit Kitasato bereits 1890 gelungen war, das Wundstarrkrampfserum herzustellen, das in seinem Wert für die Allgemeinnheit dem Diphtherieheilserum ebenbürtig zur Seite steht. Darüber hinaus widmete der große Gelehrte sein ganzes Leben der Tuberkuloseforschung. In Marburg an der Lahn gründete er im Jahr 1904 vorbildliche eigene Forschungsinstitute und Laboratorien zur Serum Gewinnung, die er später unter dem Namen Behring-Werke zusammenfasste. Bis zu seinem Tod leitete er selbst, gleich stark als Wissenschaftler wie als praktischer Mensch, das heute in der ganzen Welt bekannte Werk, dessen Sera überall gebraucht werden.

Marburg/L
Behring-Werke, Radio Wien

Emil von Behring gehört zu den seltenen Erscheinungen in der Welt der großen Geister, die trotz heftigen Kampfes die volle Anerkennung ihres Werkes erleben durften. Zahllos waren die Ehrungen, die ihm in der ganzen Welt bereitet wurden.

Als im Jahr 1901 zum ersten Mal der Nobelpreis verteilt wurde, fiel die Wahl auf Emil von Behring, als den bedeutendstenr r Forscher der Welt auf medizinischem Gebiet. Es war nur selbstverständlich, dass in Deutschland Wissenschaft und öffentliches Leben nicht zurückstanden, ihn nach Gebühr zu ehren. Bereits 1893 erhielt er den Titel Professor, 1895 wurde er Geheimer Medizinalrat. Im selben Jahr verlieh ihm die Senkkenbergische Naturforschende Gesellschaft in Frankfurt am Main die Tiedemann-Medaille mit einem Ehrenpreis, der sich 1897 die Würzburger Medizinishe Fakultät mit einem Ehrenpreis und der Verleihung der Benicker Medaille anschloss. Die Preußische Akademie der Wissenschaften und viele bedeutende Körperschaften wählten ihn zum korrespondierenden oder Ehrenmitglied. Die Stadt Marburg an der Lahn, in der er so lange gewirkt hatte, ehrte ihn durch das Ehrenbürgerrecht; Fürsten und Landesherren des Deutschen Reiches überreichten ihm Orden und Ehrenzeichen, Der deutsche Kaiser erhob ihn im Jahr 1901 in Anerkennung seiner großen Verdienste in den erblichen Adelstand. Im Jahr 1903 erfolgte von Behrings Ernennung zum wirkliche Geheimen Rat mit dem Prädikat „Exzellenz“.

Zu früh für die Menschheit starb er am 31. März 1917. Seine irdische Hülle ruht im Mausoleum in Marburg an der Lahn, unweit der von ihm begründeten Behring-Werke, im tiefen Frieden der Natur. Über sein Grab hinaus aber lebt weiter sein Werk.

Allein an Diphtherie starben im damaligen Deutschland alljährlich bis 50.000 Kinder zwischen 1 und 15 Jahren.

1944 gab es in Wien das Emil von Behring Kinder Krankenhaus der Stadt Wien.

QUELLE: Neues Wiener Journal, 10.März 1929,S 16. ANNO Österreichische Nationalbibliothek.

https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Essays/Historisches_von_Graupp


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