GRUBENKATASTROPHE#
Donnerstag, 26. Juni 1924 als gegen 12 Uhr mittags im Braunkohlenbergwerk in Hart Gemeinde Enzenreith bei Gloggnitz, die über eine Belegschaft von 220 Personen verfügen, die in drei Schichten einfährt. Eine Schicht von 70 Mann war heute früh eingefahren, als plötzlich ein abgebauter brennender Flöz nieder gebrochen ist und die Gase in die Stollen drangen. Diese Gase sind ungeheuer giftig und rufen sofort Herzschlag hervor. Um 11 Uhr kamen die ersten Hilfesignale. Sie wurden immer stürmischer. Bald war der ganze Ort Enzenreith alarmiert. Man weiß, dass im Tiefbau der Grube vor längerer Zeit ein Brand wütete, der aber abgedämmt werden konnte. Ein eiserner Torbogen in der Nähe der Reichsstraße mit der Aufschrift „Harter Kohlenwerke AG.“ ist Eigentum der Firma Vogel und Noot. Monatlich werden 33 Tonnen Braunkohle gefördert. Ein Kohlenhäuer verdient als Grundlohn 48.000 Kronen, im Akkord kommt er auf 52.000 oder 60.000 Kronen täglich.
Als die ersten Rettungsversuche unternommen wurden, stellte sich heraus, dass die vorhandenen Gasmasken unbrauchbar waren. Auch Rettungspartien waren nicht vorhanden und überhaupt keine Leute zu Rettungsdiensten abgerichtet. Die Leute stiegen daher nicht ausgerüstet in den Schacht. Man bemühte sich inzwischen, mit dem Kompressor die Luft aus dem Schacht heraus zu fördern und gute Luft einzupumpen. Die Pumpe war jedoch vollkommen ruiniert Endlich um 2 Uhr konnte man sich mit dem Kohlenbergwerk in Grünbach am Schneeberg verständigen, dass sofort eine Rettungsexpedition, die mit brauchbaren Gasmasken ausgerüstet war, entsandte. Die Verzögerung war eingetreten, da zu Mittag das Postamt in Hart zwei Stunden geschlossen war.
Bisher 12 Tote geborgen, 26 Bergleute sind noch eingeschlossen.
Außer den Bergleuten, die bei der Katastrophe vom Tod überrascht wurden, haben noch zwei Bergleute bei der Rettungsaktion den Tod gefunden. Es ist das der 39jährge Josef Zwinz, der Bürgermeister der Gemeinde Enzenreith. Dieser Mann ist fünfmal hintereinander in den Schacht eingedrungen und hat sieben seiner Kameraden das Leben gerettet. Als er zum sechsten mal vordrang, um sein Rettungswerk fortzuführen, hat er selbst den Tod gefunden. Ohne Gasmaske und sonstige Hilfsmittel hatte er sich zu weit vorgewagt und war den giftigen Gasen erlegen, Das zweite Todesopfer, das seine heldenmütigen Rettungsaktion mit seinem Leben bezahlte, ist der Häuer Franz Schmiedbauer. Er ist viermal in das von Gasen erfüllte Werk eingedrungen.. Als er zum fünften mal in den Stollen ging, kehrte er nicht wieder zurück.
Die Bergung der Toten wurde im Laufe der Nacht beendet.
Die Zahl der Toten beim Grubenunglück in Gloggnitz hat sich um ein Opfer erhöht, da ein Arbeiter, den man heute früh unter Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus nach Neunkirchen brachte, ebenfalls schon gestorben.
Die Opfer der Katastrophe sind zumeist aus Enzenreith. Unter ihnen sind Familienväter, die mehrere Kinder haben. Auch zwei Gemeinderäte von Enzenreith sind unter den Opfern der Katastrophe.
Am 27. Juni vormittags erschien der deutsche Geschäftsträger von Scherfenberg beim Bundesminister für Äußeres Dr. Grünberger und übergab ihm einen Betrag von fünf Millionen Kronen als Spende der deutschen Reichsregierung für die Hinterbliebenen der Katastrophe im Harter Kohlenbergwerk.
Bundespräsident Dr. Hainisch begab sich nachmittags in Begleitung des Sekretärs Dr. Tomasberger nach Gloggnitz, um sich an Ort und Stelle über den Umfang der Katastrophe zu orientieren
In einem amtlichen Aufruf wird die Bevölkerung Österreichs dringend um rasche Hilfe für die 59 Waisen und die unglücklichen Frauen der bei der Grubenkatastrophe in Hart ums Leben gekommenen Bergleute gebeten.
Der italienische und tschechoslowakische Gesandte haben beim Bundesminister des Äußeren vorgesprochen und ihm das Bedauern über das Unglück zum Ausdruck gebracht.
Unter ungeheurer Beteiligung aller Kreise der Bevölkerung wurden am 29. Juni die Leichen der Opfer des Grubendramas im Hartberger Kohlenbergwrks zu Grabe getragen. Aus der Umgebung waren alle sozialdemokratischen Organisationen, Turnvereine, Feuerwehren, Gesangsvereine und Musikkapellen angekommen, um den toten Kameraden die letzte Ehre zu erweisen und die Bevölkerung der gesamten Umgebung stand bereits in den ersten Nachmittagsstunden in den Straßen von Gloggnitz. Auf dem Marktplatz waren die 29 Särge in zwei Reihen auf Reisig gebettet aufgestellt. Bergleute und Feierwehrleute in Uniform hielten bei ihnen Wache.
Um drei Uhr trafen die Vertreter der Regierung Vizekanzler Dr. Frank und Bundesminister für Handel Dr. Schürff im Auto von Wien ein. Der Vizekanzler übergab dem Bezirkshauptmann von Neunkirchen im Namen der Bundesregierung für die Hinterbliebenen der Opfer einen Betrag von 100 Millionen Kronen aus dem Dr. Seipel-Sühnefonds. Die Leser der Reichspost hatten extra eine Sammlung vorgenommen, die bereits überwiesen wurde. Kurz darauf fanden alle übrigen Trauergäste ein, unter ihnen Landeshauptmann Dr. Buresch und sein Stellvertreter. Um 4 Uhr begann die Trauerfeier mit Nachrufen darunter auch von Nationalrat Dr. Renner.
QUELLEN: Villacher Zeitung, 2. Juli 1924, Linzer Volksblatt, 28. Juni 1924, Allgem. Tiroler Anzeiger, 28. Juni 1924, Grazer Tagblatt, 28. Juni 1924, Österreichische Nationalbibliothek ANNO
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