MAURICE RAVEL#
Als Ersatz für den Philharmoniker Ball gab es im Februar 1932 ein Konzert der Philharmoniker um doch etwas für ihre Wohlfahrtseinrichtungen zu tun, haben sie Maurice Ravel zu Gast gebeten – in einem außerordentlichen Konzert dieser ruhmreichen Körperschaft wird der Meister selber dirigieren und seine neueste Komposition, ein Klavierkonzert, zur ersten Wiener Aufführung bringen lassen. Die Philharmoniker rechnen, mit dem großen, weltumspannenden Ruhm des Gastes. Es gibt nur ganz wenig zeitgenössische Komponisten, die sich in dieser Hinsicht mit ihm vergleichen dürfen. Das sind zur Zeit: Richard Strauß, Schönberg, Strawinsky...
Nicht nur seine Landsleute bezeichnen Ravel als den französischen Komponisten an sich unter den heute Lebenden. Er wird oft mit Debussy in einem Atem genannt.
Das Konzert der Philharmoniker das nicht nur Ravel sondern auch Clemens Krauß dirigieren wird. Ein neues Werk Ravels, erste Aufführung außerhalb Frankreichs. Das scheint die Neugierde der Menschen geweckt zu haben, der goldenen Saal war ausverkauft, Bundespräsident, Gesandter Graf Clauzel als Protektor der Veranstaltung, Diplomatie, Gesellschaft, es konnte nicht festlicher sein.
Man begann mit der Rhapsodie Espagnole von Maurice Ravel, ein Stück voll orchestraler Delikatessen, von Clemens Krauß sehr fein interpretiert. Es folgte Modest Mussorgskij Bilder einer Ausstellung die von Ravel in brillanter Instrumentation von subtilistem Klang, motivisch mit unnachahmlichem, raffiniertem Können gestaltet, ein wahres Juwel und wurde zum Konzertsaal Klassiker.
Dazwischen eine Neuheit von Ravel abermals ein Klavierkonzert. Dreisätzig, echtester Ravel von subtilstem Klang, formal, motivisch, in der Instrumentation mit unnachahmlichem, raffiniertem Können gestaltet, ein wahres Juwel. . Der Meister dirigierte, Marguerite Long vom Pariser Konservatorium, spielte das ihr gewidmete Stück mit höchster Bravour, das Orchester ließ sich nicht spotten und kein Wunder, dass der letzte Satz wiederholt werden musste.
Etwas zu elegisch geriet diesmal der Bolero, der das Signal zu einer begeisterten Ovation für Ravel gibt. Ravel erschien inmitten des Orchesters, das einen seiner glänzenden Abende hatte, so oft auf dem Podium, dass es nicht mehr zu zählen war. Es ist Ravel wieder einmal gezeigt worden, wie sehr man ihn und seine Werke in Wien ehrt und liebt. Die noble Geste, mit der er sich den Philharmonikern zur Verfügung stellte, wird ihm nicht vergessen werden.
Ravel war immer schon ein Freund und Verehrer Wiens und der Wiener Musik gewesen. Er war einer der ersten fremden Künstler, die gleich nach dem Krieg hierher kamen, und er hat seither Wien immer wieder aufgesucht. Ravels Werke fehlen nie in den Wiener Konzertprogrammen, auch die Oper ist an ihnen nicht vorübergegangen und der Meister hat hier immer wieder auch selbst bei der Wiedergabe seiner Werke mitgewirkt, zuletzt, als er mit Arnold Rosé seine Violinsonate, mit der Sängerin Jella Braun-Fernwald seine „Lieder aus Madagaskar“ zu Gehör brachte. Seine „Walzer Orchesterdichtung“ ist ausdrücklich als Huldigung an Wien bezeichnet.
Maurice Ravel wurde 1927 von der Tänzerin Ida Rubinstein gebeten, für sie ein Musikstück zu entwerfen. Ihr schwebte ein Ballett spanisch angehaucht vor. Die Rechte der von Ravel ausgewählten Werke waren bereits vergeben, so entschloss sich der Komponist etwas ganz Neues zu probieren. Es handelte sich um einen einsatzigen Tanz, der sehr langsam und ständig bei gleich bleibender Melodie, die Harmonik und den ununterbrochen von einer Trommel markierten Rhythmus mit dem Element der Zunahme der verschiedenen Instrumente die zu einem Crescendo des Orchesters verschmolzen.
Was niemand wusste, war, dass Rubinstein sehr viel Geld für diese Komposition zahlte und zur Bedingung machte, dass das Ballett durch zwei Jahre nur von ihrem Ensemble zur Darstellung gebracht werden dürfe und für alle anderen Bühnen gesperrt bliebe. So mussten sich all die Opernhäuser in Geduld fassen, bis der Vertrag der Frau Rubinstein Ravel wieder freies Verfügungsrecht über sein Opus gibt.
Diese neuartige Ballett Phantasie erfolgte am 22. November 1928 in der Pariser Oper unter der Leitung von Walther Straram und Choreographie von Bronislava Nijinska mit der damals bereits 43jährigen Tänzerin Ida Rubinstein. Im Kreis von 20 jungen Tänzern führte sie einen erotisch verführerischen Tanz von dem das Publikum entweder schockiert aber auch fasziniert war.
An zwei Abenden brachte die Oper das Gastspiel des Ida Rubinstein Ballettes aus der gepriesenen Seine Stadt. Ravel dirigierte selbst seine Werke „La Valse“ und „Bolero“, die mit starkem Beifall aufgenommen wurden. Bolero ein scharf rhythmisches Stück stellt eine Tanzekstase in einer spanischen Kneipe dar und „La Valse“ mimt und singt das Lob des Wiener Walzers. Außerdem bewunderte man noch einen von Honegger modernst instrumentierten Bach und das blumige „Nocturno“ von Borodin eine Serenaden hafte, nette Tanzpiece. Die Primaballerina ist eine kühle, schlanke, äußerst schöne Bühnenerscheinung von Format, die ihre Technik blendend beherrscht. Nur scheint sie eine zu große Distanz zwischen sich und die vorgeführten Werke zu legen. Dennoch huldigte man ihr und ebenso ihrem Ensemble wie Maurice Ravel irgendwie berauscht, bezwungen und narkotisiert von ihrer interessanten, blonden Kunst und wohl nicht zuletzt deshalb, weil das Wort und der Begriff „Paris“ eine heimliche Magie auszustrahlen scheint. Sein pianistische Können und Empfinden erforderten die beiden Stücke „Mioirs“ und „Gaspard de la Nuit“.
In den folgenden Werken stellt Ravel das virtuose Element zurück und nähert sich einer neuen Klassizität. Das erste Werk dieser neuen Schaffensepoche sind die „Valses nobles et sentimentales“ und die Suite zu vier Händen „Ma mere l'Oye“ die, später instrumentiert, in Wien als Ballett im Redoutensaal in der Hofburg aufgeführt wurde. Das Hauptwerk dieser Zeit aber ist die Klaviersuite „Tombeau de Couperin“ ihm dem größten französischen Klavierkomponisten als Denkmal gesetzt. Später wurde das Stück instrumentiert. Damit war er auf der Höhe der Instrumentierkunst.
Das Ballett „Daphnis und Chloe“ gilt als das bedeutendste Werk Ravels und wurde von einem russischen Ballett zuerst aufgeführt., in Schönheit seiner Melodien und dem Glanz des Orchesters ein wunderbares Meisterwerk darstellt. Eine kleine Oper „L'Heure Espagnole“ wurde 1911 in Paris gegeben und fand auch an anderen deutschen Bühnen Aufführungserfolge. Die größte Verbreitung fand sein „Streichquartett in F-dur“, das schon bei seiner Erstaufführung die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erweckte und dessen zarte Gemütsbewegung sich in der kunstvollen Aneinanderreihung melodischer Gedanken äußern.
Alle seine Stücke zeugen in ihrer kühnen Harmonie und selbständigen Rhythmik von der schöpferischen Freiheit eines genialen Künstlers und doch artet die lebhafte Fantasie, das stärkste Gefühl nie in Extravaganzen aus.
Aus der Bewunderung für Johann Strauß und dem Wiener Walzer entstand 1922 das am 6. Februar aus dem großen Konzerthaussaal zur Übertragung gelangtes Orchesterstück „La Valse“ das Ravel bei seinem Wiener Besuch, anlässlich des Ravel Festes, das Oscar Fried dirigierte, zusammen mit Alfredo Casella einem kleinen Kreis von Musikern vorspielte, und ist gleichzeitig der Abschied des impressionistischen Stils.
Werke seiner letzten Periode ein Duo für Violine und Violoncell, ein Klaviertrio, sowie ein Violinstück „Tzigane“ zeigen Ravel als Führer einer jüngeren Generation, die in ihm den meisterhaften Musiker bewundert.
Gerade das musikalische Experiment Bolero wurde durch Toscanini zum Welterfolg und machte den Komponisten Maurice Ravel weltberühmt.
Ravel wurde am 7. März 1875 in Ciboure in den französischen Pyrenäen geboren und erhielt seine musikalische Ausbildung am Pariser Konservatorium wo er Klavier bei De Bériot und Komposition bei Gédalge und Gabriel Fauré studierte.
Seine ersten Kompositionen zeigen auch den Einfluss von Fauré, dessen Lieder weit über Frankreich hinaus Verbreitung fanden, dazu kamen aber noch Anregungen von Chabrier, der auch auf Debussy inspirierend gewirkt hatte.
Im Jahr 1901 erhielt Ravel den zweiten Rom Preis mit seiner Kantate „Myrrha“ und stand gleichzeitig als reifer Künstler mit seinem Klavierstück „Jeux d'Eaux“ (Wasserkünste) da.
Mit Debussy zusammen ist Ravel der Erneuerer der französischen Musik. Man bezeichnet im Ausland die beiden Musiker als „Impressionisten“, wobei gesagt wäre, dass sie den Eindruck der Dinge der Außenwelt in Musik wieder zugeben suchten.
Als der Krieg ausbrach rückte Ravel zur Front ein. Doch sein schwacher Organismus hielt die Anstrengungen nicht lange durch und ein Zusammenbruch von dem er sich nur langsam erholte war das Ergebnis.
Nur aus dem „Tagblatt“ war zu erfahren, dass der berühmte französische Komponist Maurice Ravel am 28. Dezember 1937 im Alter von 62 Jahren verstorben ist. Er musste sich zwei Wochen vorher einer schweren Operation unterziehen.
Als Mensch ist Ravel wie alle Großen ein Einsamer geblieben
QUELLE: Neues Österreich 7. März 1950, Radio Wien 1. Februar 1929 S 4, Die Stunde 4. Februar 1932, Radio Wien 29. Jänner 1932 S 10, Freie Stimmen 9. April 1929, Radio Wien 14. August 1931, sowie Bilder ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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