Wenn Großväter erzählen#
Jüdisches Museum Wien: Arik Brauer illustriert eine neue Haggada zum Pessachfest.#
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung (Mittwoch, 22. Jänner 2014)
Von
Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Fünfunddreißig Jahre nach seinen ersten Illustrationen zur Haggada 1979 hat Arik Brauer mit 24 Bildern einen neuen Zyklus zum Auszug des jüdischen Volkes aus Ägypten vor 3000 Jahren geschaffen. Angeregt von Erwin Javor, der die Blätter dem Jüdischen Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung stellt, birgt ein Begleitband in zwei von drei Variationen auch die Lieder, die am Seder-abend als Beginn des Pessachfestes gesungen werden - und wird damit zumindest den zwei Hauptbegabungen des im Jänner 85-jährigen Brauer gerecht. Zudem haben Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg und Joshua Sobol an lesenswerten Interpretationen der biblischen Geschichten mitgewirkt.
In der Einraumschau wird klar, wie unterschiedlich die Auffassungen und Grade der Säkularisierung der Geschichte der Haggada zum reinen Freiheitsfest heute sind. Denn im streng orthodoxen Glauben sind schon die Bilder ein Problem. Da zählt nur die sprachliche Auslegung. Bis ins kleinste Detail wird bei Brauer nicht nur die freudige Geschichte der Befreiung der Juden aus der ägyptischen Gefangenschaft Richtung Jerusalem mit allen Wundern wie dem Durchzug durch das Rote Meer oder die Speisung durch göttliches Manna erzählt, sondern auch über Moses und den Sieg des Monotheismus über die Vielgötterei berichtet. Für Kinder interessante Szenen sind all die Dämonen und Götzen wie auch die Katze, die das Zicklein frisst, um selber vom Hund verschlungen zu werden, oder die Feuer- und Rauchsäulen, glühenden Felsen und nächtlichen Sternenhimmel. In dunklen Flecken tropfen die Pest und Blutwolken bedrohlich auf die Wanderer.
Brauer hat mit einer perfektionierten Technik der Temperamalerei auf Karton dem Leuchten nachgeholfen, das in der biblischen Geschichte mit so positivem Ausgang für ihn wichtig ist. Er sieht sogar seine Kunstrichtung, den Phantastischen Realismus, auf dem facettenreichen Erzählschatz der Bibel begründet. Diese Inspirationsquelle ist auch für Ernst Fuchs wichtig, weniger für die anderen Kollegen der "Wiener Schule des Phantastischen Realismus" Anton Lehmden, Wolfgang Hutter und Rudolf Hausner. Neben Brauers 85. Geburtstag jährt sich übrigens der Hausners, um den sich die Jüngeren nach ihrem Studium gruppierten, heuer zum 100. Mal.
Kuratorin und Direktorin Danielle Spera weist auf die Hilfe hin, die Brauers Bilder ihren Kindern bieten: Der Sederabend mit dem vorgeschriebenen Lesen der ganzen Haggada durch alle Familienmitglieder verzögert das traditionelle Abendmahl nämlich um Stunden, und so helfen die Bil-der, die Ungeduld der Kinder nicht allzu sehr auf die Probe zu stellen.
Weiterführendes#
- Friedrich, O.: Ein wirklich großer Österreicher (Essay)
- Tauss, M.: Zeitreisen durch die Wiener Kampfzone (Essay)