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Automotive 8: Klein und fein#

(Auto-Miniaturen zwischen Spielzeug und Sammelobjekt)#

von Martin Krusche

Technisches Spielzeug war noch nie bloß zum Spielen da. Es hatte von Anfang an auch die Funktion, Menschen mit technischen Neuerungen vertraut zu machen. So gab es beizeiten Miniatur-Lokomotiven, die per Uhrwerk oder sogar von einem kleinen Dampfkessel betrieben wurden. Derlei bekamen freilich nur die Kinder wohlhabender Leute. Bald folgten kleine Dampfschiffe und spindeldürre Flugzeuge, schließlich Automobile aller Art. Modernisierungsschritte bildeten sich vielfach im Spielzeug ab.

Austro-Daimler Sascha: Porsches geniale Kompaktwagen-Konstruktion, ein Meilenstein von 1922. (Foto: Martin Krusche)
Austro-Daimler Sascha: Porsches geniale Kompaktwagen-Konstruktion, ein Meilenstein von 1922. (Foto: Martin Krusche)

Ich vermute, daß sogar die Art Miniatur-Stechzeug, wie es Aristokraten ihrer Kindern anfertigen ließen, vergleichbaren Zwecken dienten: Ein kleiner Ritter in voller Rüstung, mit eingesetzter Lanze auf einem gepanzerten Pferd, das Ganze auf einem Brett mit vier Rädern montiert, boten ein Rollenmodell an.

Blechspielzeug, von den Spielzeugkisten heute meist in nobler Distanz gehalten, markiert eine versunkene Ära. Es wird für Liebhaberkreise noch gelegentlich produziert oder als teure Antiquität gesammelt.

Seit den Matchbox-, Lego- und Corgi-Autos unserer Kindertage haben sich Produktionsmethoden exorbitant verfeinert. Da regiert heute der Spritzguß (Die Cast) in Metall und Kunststoff bei allen denkbaren Qualitätsstufen und Preislagen.

Rene Wachtler ist Sammler. Sein Faible für Miniaturen drang sogar in sein Berufsleben vor. Das begann bei einer Kooperation des PR-Fachmannes mit dem ÖAMTC. So entstanden ein Puch-Schammerl und ein Motorradgespann im Maßstab 1:43 als Abbilder einstiger Service-Fahrzeuge des Clubs.

Beginn einer neuen Puch-Ära in der Miniaturen-Welt: Der ÖAMTC-Fünfhunderter in 1:43. (Foto: Martin Krusche)
Beginn einer neuen Puch-Ära in der Miniaturen-Welt: Der ÖAMTC-Fünfhunderter in 1:43. (Foto: Martin Krusche)

Was kannten wir aus der Puch-Ecke bis dahin? Den legendären GOWI-Puch, gut ein halbes Jahrhundert alt, besitzt kaum noch wer. Viele Fans haben dieses Grazer Produkt noch nie gesehen.

Im populären Eisenbahn-Maßstab 1:87 war aber manches dahergerollt, was den Erzeugnissen der historischen Steyr-Daimler-Puch AG entsprach. Puch-Autos von Busch, Pinzgauer von Roco. Für einen Haflinger in H0 mußte man allerdings den winzigen Metallbausätzen von Trident gewachsen sein.

Das älteste markenbezogene Modell in meiner Sammlung ist ein 1:87er Mercedes G-Klasse von Wiking, den ich gegen 1980 gekauft haben dürfte. In der Version des Puch G gab es ihn damals nicht.

Es ist viele Jahre her, daß ich dann in einem Salzburger Fachgeschäft das gebrauchte Exemplar jenes 1998er Pinzgauer im THW-Look entdeckte, den Dreiachser von Roco, um damit eine markante Lücke in meiner Sammlung zu schließen.

Damit ist ein wichtiger Aspekt der ganzen Angelegenheit illustriert. Sammlerinnen und Sammler möchten bestimmte Themen bearbeiten. Es gibt Instanzen in uns, die uns das mitunter sehr irrational verfolgen lassen.

Natürlich kann ich meine Sammelleidenschaft auch sachlich begründen und erläutern. Dazu habe ich unwiderlegbare Argumente zur Verfügung, wo sich meine Sammelthemen zum Beispiel mit interessanten historischen und kulturellen Themen verzahnen. (Viele Sammler sind auch auf Nebenschauplätzen ihres Hauptthemas tätig.)

Der G-Wagen mit Stern. Auf den mit Puch-Logo mußte ich lange warten. (Foto: Martin Krusche)
Der G-Wagen mit Stern. Auf den mit Puch-Logo mußte ich lange warten. (Foto: Martin Krusche)
Alter Glücksfall: Mein Second Hand-Pinzgauer 712 K in Arbeitskleidung. (Foto: Martin Krusche)
Alter Glücksfall: Mein Second Hand-Pinzgauer 712 K in Arbeitskleidung. (Foto: Martin Krusche)
Schon Geschichte: Die metallenen Hafi in 1:87 stammen von BUB. (Foto: Martin Krusche)
Schon Geschichte: Die metallenen Hafi in 1:87 stammen von BUB. (Foto: Martin Krusche)

Aber der Kern ist einfach das Begehren. Hinter dieser allgemein verständlichen Emotion liegen noch ein paar weitere Zusammenhänge, die man beachten kann. Als mich Rene Wachtel kürzlich in Gleisdorf besuchte, hatten wir jenes Haflinger-Projekt zu besprechen, das wir gemeinsam mit der Railway Media Group begonnen haben. Bei der Gelegenheit fragte ich ihn, ob er eine überzeugende These kenne, die des Menschen Neigung zum Sammeln plausibel erklären würde. Immerhin richtet sich ein Hauptteil seines Unternehmens an Sammler. Aber es geht uns beiden gleich, wir kennen vorerst keine beeindruckende These.

Ich kann Ihnen bloß einige Eckpunkte dieses Genres markieren. Das Begehren habe ich erwähnt. Dazu kommt Wißbegier und überdies etwas sehr Unscharfes, das uns bewegt: über Dinge verfügen zu wollen. Unverblümt gesagt: Verfügungsgewalt über Dinge. „Ich. Will. Das. Haben!“

Der steirische Büffel: Puch 250 SG in 1:43. (Foto: Martin Krusche)
Der steirische Büffel: Puch 250 SG in 1:43. (Foto: Martin Krusche)
Das einzige originale Mini-Pucherl aus Grazer Produktion: Der heute sehr seltene GOWI-Fünfhunderter. (Foto: Martin Krusche)
Das einzige originale Mini-Pucherl aus Grazer Produktion: Der heute sehr seltene GOWI-Fünfhunderter. (Foto: Martin Krusche)

Bedenken Sie, Menschen meiner Herkunft hatten vor wenigen Generationen noch keine Freizeit und fast keinen Privatbesitz. Das betraf den Großteil unserer Bevölkerung, denn nur Menschen von Stand verfügten über die Ressourcen, die Zeit und auch den nötigen Platz, um Dinge anhäufen zu können, die nicht der Alltagsbewältigung nützten.

Diese einfach begreiflichen Aspekte des Sammelns sind freilich in etwas tiefer Liegendes eingebettet, nämlich in grundlegende kulturelle und spirituelle Bedürfnisse des Menschen. Das ist eine Eigenheit unserer Spezies. Die Sammelleidenschaft hat selbstverständlich auch in diesen Zusammenhängen Fundamente.

Das Monster, angenehm billig: Mercedes-Benz den G63 AMG 6x6 von
Das Monster, angenehm billig: Mercedes-Benz den G63 AMG 6x6 von

All das schillert gelegentlich auch in sozialen Zusammenhängen. Sei es durch den bestaunten Sammler, den wir an seine Schätze geklammert finden, der sich wie ein Pharao damit begraben lassen wird, weil er die Idee nicht erträgt, daß jemand anderer über seine Kollektion verfügt. Den betrachten wir lächelnd und fühlen uns über solche Posen erhaben. Sei es der gesellige Typ, mit dem man ansatzlos über Stunden fachsimpeln kann. Sei es der weitblickende Typ, von dem man hören kann: „Wenn wir das Wissen nicht weitergeben, stirbt das Thema.“ Es ist ein Tummelplatz kurioser Mitmenschlichkeiten.

Wer nun als Sammler bei den Modellautos den Produktionsstandort Graz als einen der Themenschwerpunkte gewählt hat, wurde die längste Zeit knapp gehalten. Der italienische Produzent Brumm hat ein paar Fiat-Modelle in 1:43 „puchisiert“. Damit kam immerhin die Krawallsemmel von Polens Motorsport-As Sobek Zasada in die Vitrine, aber auch ein fachlicher Irrtum wie der „Giannini-Puch“.

Es tauchten sogar einige eher preiswerte Pucherln im No Name-Segment auf. Und zwischenzeitlich machte einem die Firma BUB mit einigen Hafis und Pinzgauern in 1:87 Freude. Das sind Die Cast-Autos (Druckguß) in Metall, mit Kunststoffteilen ergänzt. Die entstanden übrigens auf Anregung von Wachtel, der mit Peter Brunner und Thomas Roschmann erörtert hatte, daß man auf diesem Sektor etwas mit österreichischen Autos machen könnte.

Der Sarajevo-Wagen (Gräf & Stift), wie er im Heeresgeschichtlichen Museum steht, hier aber etwas glänzender. (Foto: Martin Krusche)
Der Sarajevo-Wagen (Gräf & Stift), wie er im Heeresgeschichtlichen Museum steht, hier aber etwas glänzender. (Foto: Martin Krusche)

Aber auch dieser Produzent ist inzwischen Geschichte. Brunner wanderte zu Schuco ab und Roschmann startete Autocult. Damit sind wir nun weit jenseits von Spielzeug. Hier tut sich ein Feld auf, in dem sich Wachtel mit seiner Austrian Car Collection etabliert hat.

Feine 1:43er mit einem Spektrum an Modellen, die sehr detailliert Technologie- und Mobilitätsgeschichte erzählen, Zeitgeschichte abbilden. Das heißt, mit Klassikern aus diesem Bereich kann ich quasi meine Sammlung zum sachlich fundierten Miniaturmuseum machen, kann Themen nachstellen, wie sie vielen Fans gar nicht geläufig sind. Man könnte sagen, hier wurden keine Bilderbücher aufgeschlagen, hier wurden Fachbücher in Gegenstände übersetzt.

Wer genug Stauraum hat, kann zu all dem seit vielen Jahren motorisierte und ferngesteuerte Modelle in die Sammlung einbeziehen. Mir sind die allerdings einfach zu groß. Es klemmt schon lange in allerhand Kästen und Schubladen, wo ich mich bloß auf die Modell-Dimension zwischen 1:87 und 1:43 beschränke.

Sie ahnen vielleicht, welche komplexen Netzwerke der Emotionen da schwingen. Ich bin immer noch der Kerl, dem die Eltern keineswegs einfach seine Wünsche erfüllten. Spielzeugautos gab es nur zu besonderen Anlässen, sonst nicht. Das wirkt bis heute. Immerhin konnte ich als Schulkind mit spärlichem Taschengeld manchen Hot Wheeler nach eigenem Geschmack kaufen, aber auch Militärisches von Roco Peetzy; ein Interesse , mit dem ich damals eher alleine blieb.

Als Erwachsener genieße ich es bis heute, daß ich nicht mehr fragen muß, wenn ich ein bestimmtes Matchbox-Auto haben möchte. Die Sammelleidenschaft hat mich in all dem aber gründlich aufgemischt. Mein Faible für Sozialgeschichte gab diesen Flausen weitere Nuancen. Und dann war es vor Jahren genau Rene Wachtel, der eines meiner Prinzipien aufweichte.

Bis dahin hielt ich ein Limit ein, das da lautete: Ich gebe keinesfalls für irgendein Modell mehr als 40,- Euro aus. Solche Preislagen erscheinen mir ohnehin schon frivol, selbst beim Einsatz von selbstverdientem Geld. Außerdem kann man es sich am freien Markt nie mehr zurückholen.

Aber dann führten neue Produktionstechniken zu einem fast schockierenden Detailreichtum im 1:43er Segment. Und es tauchten Sammelstücke auf, von denen ich vorher nicht einmal geträumt hätte. Ich habe definitiv Jahre nach einer im Internet angekündigten 1:87er Version des Austro-Daimler Sascha von Busch gesucht, also nach einem preiswerten und kleinen Modell. Aber diese bedeutende Porsche-Konstruktion kam in H0 einfach nirgends daher, bei keinem Händler, auch bei Ebay nicht.

Das Fabelwesen: Adria Coupé in Kleinserie auf Puch-Basis: Wir kennen bloß noch zwei Originale. (Foto: Martin Krusche)
Das Fabelwesen: Adria Coupé in Kleinserie auf Puch-Basis: Wir kennen bloß noch zwei Originale. (Foto: Martin Krusche)

Außerdem hatte es mir der Gräf & Stift des Grafen Harrach angetan, jenes Auto, in dem Franz Ferdinand und seine Frau 1914 von Gavro Princip angeschossen wurden. Überdies war mir bei Sammlern eine alte Version des zweiten Marcus-Wagen in 1:43 untergekommen, der erst kürzlich neu erschien. Da half nichts, mein Preis-Limit mußte fallen, denn österreichische Mobilitätsgeschichte wäre ohne diese Fahrzeuge auffallend lückenhaft erzählt.

Man muß nun symbolische Zusammenhänge nicht überbewerten, aber ich hab einige Freude daran, aktuell an einem Projekt mit jenem Mann zusammenzuarbeiten, der das hier skizzierte Modellauto-Segment ganz wesentlich mitzuverantworten hat. Wir befassen uns gerade mit dem Steyr-Puch Haflinger, der 2019 sein 60. Jahr nach der Erstauslieferung hat.

Ein bedeutender Akzent in Österreichs Automobilgeschichte, noch dazu ein markanter Querverweis auf den bedeutenden Automobil-Konstrukteur Hans Ledwinka, dessen Sohn Erich mit seinem Team, im Grazer Puchwerk für die Entwicklung des Hafi zuständig war.

Es verbinden sich also bei unserer Sammelleidenschaft, bei diesem Faible für Modellautos, mehrere Themenlinien und Arbeitsfelder. Das verweist einerseits auf eine Volkskultur in der technischen Welt. Das führt andrerseits in die gegenwärtige Arbeitswelt, die sich gerade durch eine Vierte Industrielle Revolution völlig verändert. Wie Modellautos dabei auftauchen können, hab ich übrigens eben erst hier erörtert: An der Basis (Lehrer und Schüler). Eine kleine Reflexion über einen Lehrer und seine Teenager, wo es auch um Automodelle und diese Kompetenzen geht. Siehe zum Thema außerdem: Suchen und Lauern (Wir sind Sammler auf vielfache Arten)!

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