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Notiz 081: Weg da, jetzt komm ich!#

von Martin Krusche

Eben habe ich noch betont, wie sehr ich es seit den letzten Tage genieße, daß an vielen Stellen Tempo aus dem Alltag genommen wurde und daß mir Menschen achtsamer als davor erscheinen. In der Stadt regiert aber auch noch ein anderer Club. Während wir uns vorerst gegen die Gefahren durch die Vireninfektion (Corona) mit Sachkenntnis und ein paar simplen Verhaltensregeln ganz gut sichern können, ist das gegenüber dem, ähem, räusper, verhaltensoriginellen Benehmen mancher Menschen offenbar nicht gegeben.

Einsames Herz sucht Anschluß? Nein, ein Freistil-Parker erklärt seine Weltsicht. (Foto: Martin Krusche)
Einsames Herz sucht Anschluß? Nein, ein Freistil-Parker erklärt seine Weltsicht. (Foto: Martin Krusche)

Ich hab samstags bestaunt, wie dicht der Gleisdorfer Bauernmarkt besucht ist. Die Gründe dafür muß man derzeit wohl nicht erklären. Dabei stand ich eine Weile mit einem Bekannten aus meinen Jugendtagen zusammen. Wir unterhielten uns über das sehr interessante Wesen von Viren, die ich für eine ziemlich spektakuläre Lebensform halte.

Dann kam ich mit Unternehmerin Barbara Regelsberger ins Gespräch. Sie hatte mit etwas Mühe ihr Fahrrad samt Anhänger rangiert, da der Radweg vor dem Markt auf voller Länge mit Autos zugeparkt war.

Ich mag die Plaudereien an solchen Tagen, welche ja zu einer Standortbestimmung beitragen, wenn Europa in Bewegung geraten ist. Das hat heute alles auch seine Effekte auf kleinster, lokaler Ebene. Plötzlich gesellte sich ein fremder Mann zu uns und ermahnte Regelsberger, sie solle achtgeben, ihm mit dem Anhänger keine Kratzer ins Auto machen. (Übrigens eine etwas räudige Karre, also kein Glanzstück.)

„Mach ich nicht“, erwiderte sie und fügte an: „Außerdem stehen sie hier illegal.“

Man möchte annehmen, daß so ein Satz mit einer Entschuldigung quittiert würde oder wenigstens mit etwas weniger Elegantem wie „Ich sag ja nur.“ Wahlweise: „War eh nicht so gemeint.“ Faktisch parkte das Auto mitten auf dem deutlich gekennzeichneten Fahrradweg vor einer Hofeinfahrt.

Man muß kein Rechtsgelehrter sein, um das für eine regelwidrige Position zu halten. Nun drehte der gute Mann aber auf, meinte, sie könne ihn ja anzeigen, zückte dabei sein Mobiltelefon brachte es offenbar für eine Fotografie in Anschlag und fragte Regelsberger nach ihrem Namen. Das garnierte er mit einem angriffslustigen Tonfall. In meinem Universum wird so etwas als Drohgebärde verstanden und war wohl auch so gemeint.

Regelsberger zeigte sich zurückhaltend, wollte das merklich nicht zum Eskalieren bringen. Ich dagegen war erst einmal verdutzt, weil ich es bei meiner Statur und meinem Kampfgewicht einfach nicht gewohnt bin, auf solche Art angeschnauzt zu werden, was primär die Reste eines Neandertalers in mir aktiviert.

Der Mann schien vorerst nicht zurückrudern zu wollen, zog es dann aber doch vor, flott ins Auto zu steigen und davonzufahren. Er muß gespürt haben, daß ich kein Pazifist bin.

Bei meiner nun schon Jahrzehnte währenden Befassung mit unserer Mobilitätsgeschichte kenne ich diverse Abschnitte im Aufkommen des Automobilismus detailreich. Ich bin ganz gerührt, wenn ich im realen Leben auf solche antiquierten Menschen stoße, die mehr als ein Jahrhundert Historie belegen und uns mit ihrem völlig irrationalen Verhalten Hinweise liefern, daß sie eine populäre Art Fetischbeziehung pflegen.

Das heißt, ihre Zuneigung zu einem unbelebten Gegenstand löst eine Verschiebung im Realitätssinn aus. Kurzgefaßt: wer so bescheuert parkt wie dieser Junge, zwei Fremde ansudert, die ihm nichts getan haben, und dann auch noch aufdreht, statt sich zurückzuziehen, ist entweder ein Agent der Blödheit oder ordnet seine Wahrnehmung persönlichen Prioritäten unter, die ich so nicht nachvollziehen kann.

Aber mir ist schon klar, seit Jahren feiern Leute Feste, deren Wappenspruch viele Fans findet. Er lautet: „Was wird aus mir?“ Ich neige zur Ansicht, die Mitglieder dieses Clubs sind eine gefährdete Spezies.

Vor allem wenn man wenigstens den 50. Geburtstag hinter sich hat und nicht zu den reichen Leuten gehört, dürfte man mit einem schwach ausgebildeten Sozialverhalten zunehmend schlechte Karten haben. Schwamm drüber! Ich bin niemandes Hüter…


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