Notiz 083: Eine Woche vor Lockdown#
von Martin KruscheSaisonauftakt der Alltagsklassiker im jungen Jahr. Am Samstag, dem 7. März 2020, hatte sich die Community in Graz getroffen, um die bestehenden Kontakte zu vertiefen und sich an den Begegnungen zu vergnügen. Im Freien war es noch etwas kühl und wir wußten alle nicht, was gerade auf uns zukam.
Inzwischen ist das Coronavirus im Ausmaß einer Pandemie unterwegs. Wir müssen derzeit alle erst lernen, die Ruhe zu bewahren und physische Kontakte mit andere Menschen nach Kräften zu reduzieren. Der Grund ist simpel. Diese Viren können sich aus eigener Kraft nirgends hinbewegen. Sie brauchen uns Menschen, brauchen unvorsichtige Berührungen, um andere Menschen zu erreichen.
Micky Tieber, Frontman der Alltagsklassiker, hält eine überaus kontrastreiche Interessensgemeinschaft beinander. Das ist nicht bloß der Teil eines Schrauber-Universums. Es ist eine Art lebendiger Enzyklopädie, in der schwindendes Wissen greifbar wird, das teilweise nicht dokumentiert wurde. Es ist außerdem ein Pool der Handfertigkeit.
Viel von dem, was diese Szene pflegt, wird derzeit von der Wirtschaft kaum noch gebraucht und daher nicht bezahlt. Wir befinden uns in einem enormen Umbruch und wissen heute noch nicht, was die Vierte Industrielle Revolution an menschlichen Kompetenzen definitiv hinfällig macht, was wir andrerseits – unabhängig von Industrie und neuen Produktionsmethoden – von diesen Kompetenzen unbedingt erhalten sollten.
Auf dem Set trifft man dann Routiniers wie Karl Hubeny, den man vor allem zu Themen der britischen Inseln umfassend befragen kann. Garagenliebling Gerhard Szamuhely kam mit seiner Frau aus Wien und hatte einen nächsten Fiat Panda dabei. Er ist aber vor allem ein rasender Fotoreporter, der laufend staunenswertes Material bringt.
Dieses Meeting war für mich die derzeit letzte unbeschwerte Zusammenkunft mit einem größeren Kreis von Menschen, bei dem wir uns zum Abschluß im Restaurant an mehrere Tische setzten und diese anregenden Stunden genossen.
Bald darauf, am Freitag, dem 13. März 2020, bin ich noch kurz auf ein Solidaritäts-Bier in ein Gleisdorfer Pub gegangen, wo ich der einzige Gast war. Davor hatte ich eine kleine Tour der Einkäufe und Erledigungen gemacht, da wußten wir alle schon, daß wir als Gesellschaft das System runterfahren müssen, um physische Kontakte drastisch zu reduzieren, um die sprunghafte Verbreitung des Virus einzudämmen.
Am Wochenende darauf wurde Österreich in allen machbaren Bereichen runtergebremst und die Menschen wurden aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Ich habe eben einen WHO-Experten gehört, der sagte, dies sei die sechste größere Sache in seiner Berufslaufbahn, „aber dieses Ausmaß haben wir noch nie gehabt“. Nun also auf Distanz zueinander, einige von uns in ihren Schuppen und Werkstätten, andere an ihren Schreibtischen, manche zwischen beiden Positionen pendelnd.
Das Berufsleben verlangt von uns allen Anpassungsschritte. Natürlich machen sich auch Geldsorgen bemerkbar. Vor allem für uns Selbständige ist das eine harte Zeit unter Bedingungen, auf die wir nicht vorbereitet waren.
Wer genug Schlechtwettererfahrung hat, bleibt halbwegs ruhig und arbeitet an den aktuellen Aufgaben, Projekten. Ich muß mir bei den jüngsten Unwägbarkeiten etwas für die Umsetzung von „Mythos Puch“ einfallen lassen. Mit Manuel Wutti bin ich über das Finish am Neustart des Puch Club-Magazins verknüpft. Wutti muß diesen aktuellen Schlag gegen seine Planung ausbalancieren.
Tieber hat schon reagiert: „Das Alltagsklassiker Saturday Night Cruising im Grazer Citypark mussten wir zu deiner und unserer Sicherheit absagen. Stattdessen gibt es ein virtuelles SNC! Dazu brauchen wir aber deine Hilfe. Alle Infos dazu findest du im Blogbeitrag.“ (Link)
Nein, wir haben keinen Platz für Whataboutism. Erwachsene Leute entscheiden selbst, worauf sie ihre Kompetenzen und Leidenschaft verwenden. Natürlich wird vorrangig Notwendiges bearbeitet, aber wir halten auch andere Gebiete in Gang.
In der regionalen Szene Kunst- und Kulturschaffender hab ich augenblicklich zu viel Pessimismus um die Ohren. Ich kann mich für Wehklagen nicht begeistern, das lenkt mich bloß ab. Also stelle ich meine „Konferenz in Permanenz“ neu auf und beginne, mit erfahrenen, sachkundigen Leuten auf die Ereignisse mit inhaltlicher Arbeit zu reagieren.
Wir sind eine multidisziplinäre Community, wo alle ihre persönlichen Problemlagen bewältigen müssen, wo aber auch eine Summe von Kompetenzen gebündelt ist, die mich sehr zuversichtlich sein läßt. Jeder erfahrene Schrauber weiß ja schon längst: niemand ist alleine schlau.