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Notiz 014: Komplexität und Krisen#

von Martin Krusche

Ich bin mit Teleworking vertraut und weiß daher: man kann nicht genug aufpassen. Das meint: egal, wie sehr man aufpaßt, es ist nie genug. Darum wurde mir dabei über die Jahre Teamwork so wichtig. Darin liegt eine realistische Chance, die meisten Bugs in einer Arbeit zu erwischen. Das ist übrigens alter Coder-Slang. Ich mag diesen Begriff, den ich inzwischen kaum noch wo lese, bis heute: Debugging.

Irgendwann muß man seine Geschichte aus der Fülle des zusammengetragenen Materials neu ausgraben. (Foto: Martin Krusche)
Irgendwann muß man seine Geschichte aus der Fülle des zusammengetragenen Materials neu ausgraben. (Foto: Martin Krusche)

Es ist ursprünglich das „Entkäfern“, noch besser: „Entlausen“ eines frisch geschriebenen Computerprogrammes. (Genau! Bugs meint Fehler.) Mit einem Buchmanuskript kommt es nicht anders. Immer wieder entdeckt man einen Fehler. Zwischendurch habe ich so meine Komplexitätskrisen, weil ich zum Thema heute sehr viel mehr weiß, als im Buch Platz hat. Ständig muß die Geschichte eingedampft, verdickt werden, oder auch entlastet, gestrafft.

Lange saß ich allein am Schreibtisch und auf einem Berg von Quellenmaterial. Jetzt kippt die Situation in ihre vorletzte Phase. Satz, Layout, Druckvortsufe. Derzeit geht mein Material via Internet hinaus. Layouter Werner Prokop muß nun die Gestaltung des Haflinger-Buches treffend hinbekommen, ohne daß wir uns dazu je an einen gemeinsamen Tisch gesetzt haben. Das handelt vom richtigen Zusammenspiel fachspezifischer Texte und einer großen Anzahl von Illustrationen.

Wenn der Layouter gearbeitet hat, ist etwas völlig anderes daraus geworden. (Foto: Martin Krusche)
Wenn der Layouter gearbeitet hat, ist etwas völlig anderes daraus geworden. (Foto: Martin Krusche)

Prokop kommt von einer anderen Baustelle. Er hat einige Eisenbahn-Bücher verfaßt, sehr feine Arbeiten übrigens, mit einer einschüchternden Fülle an Details. Daraus schließe ich, er ist Kummer gewohnt. Typenvielfalt, endlose Ketten von Seriennummern und Jahreszahlen, huh! Da beneide ich mich selbst, daß der Haflinger vergleichsweise ein relativ überschaubares Thema ist. Eine Thema, das für Prokop gerade Neuland ergibt. Dabei kommt es dann beispielsweise zu solchen Sequenzen:

  • Werner: Foto 104 Magna Steyr... ist im Block 3 dabei... hast du aber nicht eingeteilt zum Einbauen! Soll ich das in Block 3 einbauen?
  • Martin: ja, pardon, da hab ich geschludert. gehört zur passage: „Das ist ungewöhnlich, weil es die Puchwerke längst nicht mehr gibt…“
  • Werner: Block 3: Das Bild 105 neu 03 tif... ist das das Neu 03 Foto von Stöhr? Also was Franz hochgeladen hat?
  • Martin: ja, da war ich auch ungenau im numerieren. (Betreff: 4er packerl) du siehst eh, z.b. 115_provi_chassis ist durch das "provi" als provisorium ausgewiesen, da kommen am wochenende die scans vom franz.
  • Werner: Dafür pass ich ja auf, wenns irgendwie geht. Schickst du mir dann bitte noch die zwei Scans, die ich daweil nur provisorisch hab?
  • Martin: hab ich noch nicht. der franz macht sie erst jetzt am wochenende.
Werner Prokop in seiner Arbeit über den Elektrotriebzug 4010 (Grafik: Railway-Media-Group)
Werner Prokop in seiner Arbeit über den Elektrotriebzug 4010 (Grafik: Railway-Media-Group)

Inzwischen scheint mir, daß etwa ein erstes Drittel des Buches im Kasten ist. Prokop schrieb eben: „Anbei die ersten 4 Blöcke fertig gesetzt und in Vorschauqualität! Bitte um allfällige Korrekturen! (Texte, Bilder, Anordnung)“ Dazu kam ein feines PDF-Paket.

Das sind die Momente, wo mir meine eigenen Arbeit völlig fremd wird und genau das ist ein angenehmes Gefühl. So ein Heraustreten aus der Mühle, in der man manche Sätze und Begriffe fast unendlich gewälzt hat und abschnittweise die ausgewählten Bilder schon nicht mehr sehen kann.

Dieser Effekt einer Transformation fällt nicht vom Himmel, denn das ist ja die Arbeit des Buch-Gestalters, wodurch aus einem Packen Material ein lesbares Buch wird. Und dadurch ist es dann etwas anderes, nicht mehr bloß meine Arbeit, sondern ein völlig neues Ding.

Für mich sind das, wie erwähnt, sehr spannende Verläufe, diese Entfremdung von der eigenen Arbeit, dieses Herausfallen aus der Versponnenheit, um dem Gestalter über die Schulter zu schauen und dabei etwas zu entdecken, das es vorher nicht gegeben hat. Das macht für mich auch ganz generell die Magie der Bücher; daß sie etwas so Eigenständiges werden.