Notiz 024: Die Gelände-Legende#
von Martin KruscheNach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte Österreich von 1945 bis 1955 eine Besatzungszeit. Im Juli 1955 erhielt das Land durch den Österreichischen Staatsvertrag wieder seine volle Souveränität. Daran knüpfte sich für die Alliierten eine Frist von 90 Tagen, um die Besatzungstruppen abzuziehen. Im Jahr 1955 verließ der letzte Besatzungssoldat Österreich.
So waren die „Vier im Jeep“, jene Militärpatrouille mit je einem Amerikaner, Briten, Franzosen und Russen, Geschichte. Aber von den Jeeps blieben etliche zurück. Diese Vierteltonner waren geraume Zeit das Maß der Dinge für kompakte Geländefahrzeuge.
Es blieben auch größere Transporter in Österreich, etwa die Dodge der WC Series (Halb- und Dreivierteltonner) oder die dreiachsigen GMC, welche man noch in den 1970er Jahren beim Bundesheer finden konnte. (Wir nannten diese Zweienhalbtonner Jimmy.)
Die Gewichtsangabe meint übrigens nicht das Fahrzeuggewicht, sondern das „Nominal off-road payload rating“, also was bei diesen Offroad-Fahrzeugen an Nutzlast zulässig ist.
Zum Kuriosesten jener Tage gehörten die M8 Greyhound, amerikanische Radpanzer, denen man die Kanonen ausgebaut hatte, als man sie der sogenannten B-Gendarmerie übergab. Das war jene Truppe, über die Österreich verfügte, solange der Aufbau einer eigenen Armee untersagt blieb. (Mit der Umschreibung war deutlich, daß man dieser Formation andere Aufgaben beimaß als der herkömmlichen, der A-Gendarmerie.)
Divisionär Ernest König nannte diesen ersten Nachkriegs-Fuhrpark österreichischer Exekutivorgane „Schmetterling-, Raupen- und Insektensammlung der Alliierten“. Ein erheblicher Teil jener alten Armee-Fahrzeuge war übrigens schon zum Zeitpunkt der Übergabe bloß noch als Ersatzteilquelle brauchbar.
Ab dem Staatsvertrag bildeten die B-Gendarmen den Kader für das neu aufzubauende Bundesheer. Dabei schien völlig klar, daß das kleine Land mit den damals aktuellen Rohstoff- und Devisenmängeln sowie anderen Lasten kein Heer so aufrüsten konnte, daß es einer modernen Großarmee in direkter Konfrontation auf dem Schlachtfeld gewachsen wäre.
General Emil Spannocchi war in dieser Frage ohne Illusionen: „Die Technik läuft dem Kleinstaat derart sinnfällig davon, daß ihr Nachäffen beim Volk, das sie ja militärisch schützen soll, nur Verlegenheit oder Widerstand hervorrufen soll.“
Bevor die Steyr-Daimler-Puch AG in die Lage kam, Panzerfahrzeuge für Österreichs Bundesheer zu produzieren, setzte Erich Ledwinka, der technische Leiter des Werks in Graz Thondorf, mit seinem Team einen herausragenden Akzent für ganz andere Aufgaben.
Der Steyr-Puch 700 AP, der Haflinger, wurde zum vielseitig einsetzbaren Motor-Muli für das, was Spannocchi so formuliert hat: eine „Mischung zwischen raumgebundener Verteidigung und kleintaktischer Bewegung“. Das war auch nach dem Geschmack der Schweizer Militärs, die gleichermaßen für einem alpinen, also gebirgigen Kleinstaat zu sorgen hatten, der – wie Österreich – neutral ist und im Kalten Krieg genau zwischen den beiden Machtblöcken lag.
Der Haflinger ist also gewissermaßen ein Produkt dieses Kalten Krieges, um angesichts der einschüchternden Rüstung von Nato und Warschauer Pakt einen eigenen Weg zu ebnen, um notfalls eine „Verteidigung ohne Schlacht“ (Spannocchi) zu bewältigen. Das erklärt wohl auch zum Teil, warum sich Ledwinkas Konstruktion nicht nur für militärische Zwecke eignete, sondern genauso im kommunalen und privaten Bereich zur Legende im Gelände wurde. Er ist kein Kämpfer, sondern ein Artbeitstier.