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Item: Vase#

(Die Virtuelle Pariserin)#

von Mirjana Peitler-Selakov

Milica Mojsijev war eine meiner Tanten, die Schwester von meine Oma Mascha, welche die Mutter meiner Mama war. Tante Mica muss eine ganz spezielle Frau gewesen sein. Sie starb, als ich vier Jahre alt war und ich habe sie nie näher kennengelernt.

(Foto: Mirjana Peitler-Selakov)
(Foto: Mirjana Peitler-Selakov)

Ich kannte sie viel mehr aus den Fotoalben und aus den Erzählungen, die sich um ihre Person entwickelten. Sie unterrichtete Kunst in einer Stadt, ganz im Norden von Serbien, fast an der ungarische Grenze. Sie war kurz mit Ivan, einem russischen Soldaten, verheiratet, der ihr wunderschöne und zu gleich seltsamste Dinge schenkte. Er starb jung. Seitdem lebte sie allein mit ihrem Hund in dieser Stadt.

Nach Ivans Tod versteckte Mica ihre Hände in beigefarbenen Lederhandschuhen. Seitdem hat niemand mehr ihre Hände gesehen. Sie war eine zarte Frau, trug gerne Hosen und reiste viel. In den 1950er Jahren brachte sie von einer ihrer Reise eine Vase mit. Eine asymmetrische Vase, die einen Frauenkopf mit Kopftuch zeigte. Trotz ihrer Breite, die einem Bauch ähnelt, hat diese Vase einen sehr dünnen Hals, so dass sie höchstens für eine Blume Platz bietet.

Nach Micas Tod stand diese Vase auf einem Etagere im Wohnzimmer meiner Oma. Das Frauenprofil mit den großen Augen schaute mich jeden Tag an. Diese Frau wusste alles über mich. Auch wann ich was böses eingestellt habe. Sie war meine Komplizin.

Eines Tages wollte ich sie genauer ansehen und sie dazu vom ihrem Platz von der höchste Ebene des Etagere holen, was mir auch gelungen ist. Ich habe die Vase von allen ihrem Seiten angeschaut, die Form, die Farben, den Blick. Diese Frau war bestimmt aus Paris. Ich wusste nicht wo und was Paris ist, aber das Wort habe ich einmal wo gehört. Und die Vasen-Frau hat zu diesem Wort gepasst.

Ich habe die Vase für etwas ganz besonders gehalten, habe sie immer wieder geholt, angeschaut und dann wieder zurück an ihr Platz gegeben. Ein letztes Mal, als ich sie in der Hand gehalten habe, kam meine Oma ins Zimmer.

Ich habe sie, in der Angst nicht erwischt zu werden, fallen lasen. Die Vase ist ganz geblieben, aber ihr dünner Hals wurde an einer Stelle beschädigt. Ich fing an zu weinen. Wir werden das kleben, sagte meine Oma, und wenn ich nicht mehr da bin, kannst du die Vase haben.

Jahrzehnte später steht diese Vase mit dem Frauenkopf in meinem Wohnzimmer in Graz; zwischen den Reproduktionen zweier Gemälde von Jawlensky und Malewitsch mit Köpfen, die ich inzwischen für mich entdeckt hatte.


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