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Notiz 007: Dämon der Geschwindigkeit#

(Ein Kräftespiel seit Jahrtausenden )#

von Martin Krusche

Am 17. Jänner 2020 hatte ich an meinem Küchentisch ein anregendes Arbeitsgespräch, das mir den Jahresauftakt ein Stück fröhlicher macht und ein Vorhaben triggert, mit dem wir längerfristig recht tief in das Thema Mythos Puch hineingehen werden.

Der Traum von einer Kompressor-Puch: Manuel Wutti ist mit dem Thema Puch in Theorie und Praxis verwoben. (Foto: Martin Krusche)
Der Traum von einer Kompressor-Puch: Manuel Wutti ist mit dem Thema Puch in Theorie und Praxis verwoben. (Foto: Martin Krusche)

Manu, genauer: Manuel Wutti, gehört zum Kreis jener Schrauber, die sich mit alter Technologie gut vertraut gemacht haben, die ihr diesbezügliches Wissen laufend vertiefen und auch in der Praxis erproben. Das heißt im gegebenen Fall, ein Fahrzeug darf nicht zu Stehzeug werden. Die Dinger würden in diesem Fall kaputtgehen.

Was sich dabei als gnadenlose Kummer-Kategorie erweist: Standschäden. Eine Maschine, die nicht läuft, beginnt quasi, sich in vitalen Bereichen selbst aufzufressen. Andrerseits berührt das auch die Sinnfragen. Da ist eben diese spezielle Kategorie. In Amerika nennt man den Bezugspunkt „Demon of Speed“. Der Dämon der Geschwindigkeit.

Deshalb besagt ein Bonmot: das erste Motorradrennen der Welt fand statt, als das zweite Motorrad der Welt gebaut war. Wir sehen das auch in der Geschichte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Was immer motorisiert ist und bewegt werden kann, wird meist auch benutzt, um mit jemandem um die Wette zu fahren, zu schwimmen, zu fliegen.

Puch Werksfoto in der Ausgabe 1 von 1969 des Magazins „Das Motorrad“ (Foto: Archiv Fredi Thaler)
Puch Werksfoto in der Ausgabe 1 von 1969 des Magazins „Das Motorrad“ (Foto: Archiv Fredi Thaler)

Falls Sie nun meinen, das sei eventuell eine Unart des 20. Jahrhunderts, kennen Sie die Kulturgeschichte Europas nicht. Ich kurble rund 2500 Jahre zurück. Phaeton hat seinem Vater, dem Sonnengott Helios, den Sonnenwagen abgeschwatzt. Bloß einmal damit fahren, so die Bitte.

Durfte er schließlich auch und hat’s vermasselt. Phaeton baute einen Total-Crash und kam dabei ums. Leben. Ikarus? Flog zu hoch, fiel herunter, war tot. Zu jener Zeit, als diese Geschichten formuliert wurden, ist das Pferd schon einige tausend Jahre die wichtigste Tempomaschine der Menschen gewesen.

Wenn Sie bedenken, daß in Graz vor etwas mehr als hundert Jahren eine Pferdestraßenbahn eingerichtet wurde, wobei oft bloß ein einzelner Gaul vor den Wagen gespannt wurde, mögen Sie sich ausmalen, wie verdammt schnell antike Streitwagen gewesen sind, mit zwei bis vier Pferden bespannt.

Sigi Cmyral im Jahr 1931 auf seiner Kompressor-Puch. (Foto: Archiv Sigi Cmyral jun.)
Sigi Cmyral im Jahr 1931 auf seiner Kompressor-Puch. (Foto: Archiv Sigi Cmyral jun.)

Das ist eine sehr alte Geschichte. Die Menschen nutzen mindestens seit der Bronzezeit Streitwagen. Auch die Reiterei jener Ära war ein Großereignis der Raumüberwindung. Wir sind so. Wir wollen schneller sein, als es uns die Evolution körperlich ermöglicht. Wir nutzen dafür, was immer sich eignet, selbst wenn es einem das Genick bricht.

Das ist ein Grundmotiv menschlicher Kultur. Falls Sie dieses Detail moralisch bewerten wollen, nur zu! Das läßt Legionen derer, die sich in die Arme des erwähnten Dämons werfen, völlig unbeeindruckt. (Dämon kommt vom altgriechischen Wort daimon, also Geist. Das Wort daimónion bezeichnet eine Schicksalsmacht.)

Wutti ist von historischen Rennmaschinen fasziniert. Sein Traum, wenn das Wünschen helfen würde: eine Puch mit Kompressor. Viele gab es davon nicht. Eine fuhr Sigi Cmyral, dessen gleichnamigen Sohn ich besuchen durfte. Da schraubte der gerade an einer 1932er Grindlay Peerless mit dem „Python-Motor“ (250er Rudge) und wir redeten natürlich über die Isle of Man.

Ich denke, die TT war damals und ist heute das härteste Motorradrennen der gesamten Kraftfahrzeuggeschichte. (Sehr beliebt sind Videoclips mit den Reaktionen von Zuschauern, wenn die Teilnehmer auf einer simplen Landstraße an ihnen vorbeidonnern. Einschüchternd!)

Historische Puch-Fotos aus der Sammlung von Hans Sattler. (Foto: Martin Krusche)
Historische Puch-Fotos aus der Sammlung von Hans Sattler. (Foto: Martin Krusche)
Sigi Cmyral jun. an seiner 1932er Grindlay Peerless. (Foto: Martin Krusche)
Sigi Cmyral jun. an seiner 1932er Grindlay Peerless. (Foto: Martin Krusche)

Als mich Manu kürzlich besuchte, hatten wir naturgemäß reichlich Gesprächsstoff und ich konnte ihm außerdem die historischen Fotos aus dem Besitz von Hans Sattler zeigen. Macht schon Spaß, jemandem, der ein Puch-Fan ist, dabei zuzuschauen, wenn er solches Material in Händen hält.

Wir werden da also noch einiges zu bereden haben, während ich wieder einmal tiefer in die kulturellen Hintergründe von all dem hineingehe. Wie oben angedeutet, wesentliche Motive sind keineswegs jung, sondern wurden in Europas Antike erdacht, formuliert, aufgezeichnet.

In all dem ist der Titan Prometheus als Gründer exponiert. Ein Gott, der den Menschen zugetan war und sie vieles lehrte. Prometheus der Vorausdenkende, der Kulturbringer, der Begründer unserer Technik. So die historische Deutung jener Figur. Wenn diese Notizenreihe dem Mythos Puch gewidmet ist, versteht sich von selbst, daß hier auch die mythologischen Hintergründe nachgezeichnet werden.

Darin liegt nun auch die Querverbindung zum Themenschwerpunkt Prometheus in Ketten (Himmelsstürmerei und die Folgen). Unsere Mobilitätsgeschichte, die schon angelaufenen Umbrüche, die Vierte Industrielle Revolution, all das bedeutet viel Unruhe, eine Menge offene Fragen…


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