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Die ferngelenkte Grausamkeit des Krieges#

Der Einsatz von unbemannten Drohnen zur Aufklärung und Ausschaltung von Terroristen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Nun melden auch Wissenschafter Bedenken an. Eine Analyse.#


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: DIE FURCHE (Donnerstag, 1. August 2013).

Von

Christian Hütterer


Modernes Kriegsgerät: Drohnen
Modernes Kriegsgerät. Noch im Jugoslawienkrieg waren Drohnen eine Ausnahmeerscheinung. In den vergangenen Jahren aber wurden sie in Massen eingesetzt. Zum Nachteil der Zivilbevölkerung.
Foto: © EPA

Der Einsatz von unbemannten Fluggeräten – in den Medien kurz „Drohnen“ genannt – hat die Kriegsführung in den letzten Jahren grundlegend geändert. Während der Balkankriege in den Neunzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurden erst einige wenige Drohnen für Überwachungsflüge eingesetzt, u.U. über eine Datenbrille geleitet.

Mittlerweile hat sich ihre Zahl alleine in den Vereinigten Staaten auf etwa 8.000 Stück erhöht und auch ihr Einsatzspektrum wurde in den letzten Jahren wesentlich erweitert: Die unbemannten Geräte werden nun nicht mehr ausschließlich zur Überwachung verwendet, sondern fliegen auch immer öfter Kampfeinsätze. Gerade während der ersten Präsidentschaft von Barack Obama, dem immerhin der Friedensnobelpreis zugesprochen wurde, ist die Zahl der bewaffneten Einsätze von Drohnen stark angestiegen.

Genaue Schätzungen über die Zahl dieser Missionen sind aber schwer zu treffen, denn die USA betreiben verschiedene Drohnenprogramme. Offiziell ist nur jenes der Luftwaffe, das vor allem der Unterstützung der Bodentruppen in Afghanistan dient. Daneben gibt es aber eine Vielzahl von Angriffen von bewaffneten Drohnen, die von den Geheimdiensten geflogen werden und über die in der Öffentlichkeit nur spekuliert werden kann. Diese Einsätze werden im Kampf gegen den Terrorismus unternommen und dienen meist der Überwachung von Verdächtigen, gelegentlich aber auch, um diese Personen gezielt zu eliminieren.

Steigende Bedeutung #

Die Vorteile von Drohnen liegen auf der Hand: Sie sind wesentlich billiger als herkömmliche Flugzeuge und die Piloten sitzen tausende Kilometer entfernt in einem Kontrollraum in den USA, sind also keiner unmittelbaren Gefahr ausgesetzt. Die von Politikern gefürchteten medienwirksamen Bilder von abgeschossenen Jets und getöteten Piloten gehören der Vergangenheit an, die politischen Kosten eines militärischen Einschreitens sinken durch den Einsatz der Drohnen also erheblich. All diese Aspekte tragen dazu bei, dass die Bedeutung der ferngelenkten Geräte weiterhin steigt, und so bildet die US-Air Force mittlerweile bereits mehr Piloten für unbemannte Systeme als für herkömmliche Flugzeuge aus.

In den letzten Jahren ist auch die technische Entwicklung der ferngelenkten Geräte rasch vorangeschritten, und mittlerweile gibt es Drohnen in allen denkbaren Größen, vom nur 16 Zentimeter großen Hummingbird bis hin zum Global Hawk, der mit 35 Meter Spannweite größer als so manches Flugzeug ist. Aber nicht nur die Zahl der unterschiedlichen Drohnen, sondern auch die der Staaten, die diese Systeme verwenden, wächst ständig. Bis heute haben 87 Staaten solche ferngelenkten Luftfahrzeuge eingesetzt, 26 davon verfügen über Modelle, die auch bewaffnet werden können. An der Spitze dieser Entwicklung stehen die USA, aber eine Vielzahl von Staaten rüstet auf diesem Sektor weiter auf, wie auch die Debatte über die Beschaffung von Kampfdrohnen für die deutsche Bundeswehr bewiesen hat. Die Drohnen sind also – zumindest aus rein militärischer Sicht – eine Erfolgsgeschichte und es ist absehbar, dass ihre Bedeutung in den kommenden Jahren weiter wachsen wird.

Zugleich steigt aber die Zahl jener Stimmen, die den Einsatz der ferngelenkten Geräte kritisieren. Menschenrechtsorganisationen stellen die Rechtmäßigkeit vieler Angriffe in Frage und heben die hohe Zahl der zivilen Opfer von Drohnen hervor.

Kritik an der Kriegsführung #

Kritik an der neuen Art der Kriegsführung kommt auch aus der Wissenschaft. Eine Gruppe von Forschern aus unterschiedlichen Disziplinen wie Robotik, künstliche Intelligenz, Ethik, Soziologie und Philosophie hat das International Comittee for Robot Arms Control (ICRAC) gegründet und setzt sich für eine Kontrolle der Rüstung bei ferngelenkten und autonomen Systemen ein. Einer der prominentesten Vertreter dieser Gruppierung ist Jürgen Altmann, der an der Universität Dortmund experimentelle Physik unterrichtet und sich schon seit langem mit der militärischen Nutzung von unbemannten Fahrzeugen beschäftigt.

Altmann fürchtet, dass mit diesen Systemen die geltenden Verträge zur Rüstungsbegrenzung unterlaufen werden. Derzeit sind durch verschiedene Verträge die Stationierung und Zahl unterschiedlicher Kategorien von Waffen beschränkt, es gibt bisher aber keine spezifischen Regelungen für unbemannte Geräte. Bewaffnete unbemannte Flugzeuge sind nur schwer zu entdecken und können daher gut für Überraschungsangriffe oder spezielle Einsätze, die der Öffentlichkeit verborgen bleiben sollen, genutzt werden. Altmann fürchtet daher, dass sich die Politik dadurch schneller und leichter auf eine bewaffnete Auseinandersetzung einlässt, als das bisher der Fall ist.

Es gibt aber weitere Aspekte, die den Experten Anlass zur Sorge geben. Sie befürchten etwa, dass der zunehmende Ausbau der Arsenale dazu führen wird, dass auch nichtstaatliche Akteure in den Besitz von Drohnen kommen. Die unbemannten Geräte könnten bald zu den bevorzugten Waffen von terroristischen Gruppierungen zählen, beispielsweise sind Drohnen der Hisbollah bereits mehrmals in den israelischen Luftraum eingedrungen. Besorgnis erregt auch die aktuelle Entwicklung der Forschung hin zu mehr Autonomie der unbemannten Geräte. Dies bedeutet nämlich, dass der Einfluss der menschlichen Soldaten sinkt oder gar verschwindet und die Maschinen in Zukunft selbstständig darüber entscheiden, wen und wann sie angreifen.

All diese Punkte tragen dazu bei, dass Altmann und seine Kollegen eine weltweite Rüstungskontrolle für unbemannte Systeme verlangen. Ihre wesentlichste Forderung ist eine internationale Konvention, durch die die Entwicklung und Verwendung von Maschinen, die unabhängig von menschlichen Entscheidungen ihre Ziele auswählen, verboten werden soll.

Es bleibt aber offen, ob diese Bemühungen erfolgreich sein werden, denn die technologisch führenden Staaten wollen ihren Vorsprung verteidigen, andere wollen wiederum zu den großen Mächten aufschließen. Die Voraussetzungen für ein neues Wettrüsten sind also gegeben.

Der Autor ist im EU- und Int. Dienst der Parlamentsdirektion und Supporter des Int. Comittee for Robot Arms Control

DIE FURCHE, Donnerstag, 1. August 2013