Der Vormarsch der Drohnen#
Drohnen filmen, vertreiben Stare und sollen Pakete zustellen.#
Von der Wiener Zeitung (Samstag, 6. Mai 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Nina Flori
Wien. Wie schafft man es beim Thema Drohnen, ein Regulativ zwischen Spaßbremse und Verantwortungslosigkeit zu finden? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Austro Control bereits seit geraumer Zeit. Im Interview mit der "Wiener Zeitung" spricht Vorstandsdirektor Heinz Sommerbauer über das derzeitige Drohnen Flugbeschränkungsgebiet über Wien, den Druck der Internetgiganten auf die Regierungen, die Drohnengesetzgebung zu lockern und die Herausforderung, dass sich Drohnen und Flugzeuge den Luftraum teilen.
Wiener Zeitung: Welche Regelungen existieren derzeit für die Anschaffung von Drohnen?
Heinz Sommerbauer: Man unterscheidet zwischen Spielzeugdrohnen und jenen, die eine Bewilligung benötigen. Die Spielzeugdrohne ist definiert mit 79 Joule Bewegungsenergie. Wenn man das umrechnet, kommt ein viertel Kilo heraus. Wenn Sie sich eine Drohne in dieser Größe kaufen und den eigenen Apfelbaum im Garten filmen und nicht höher als 30 Meter hinauffliegen, können Sie das ohne Bewilligung der Austro Control tun. Denn durch das relativ geringe Gewicht kann man relativ wenig Schaden anrichten. Alles, was darüber hinaus geht, erfordert eine Bewilligung der Austro Control.
Wie viele Drohnen hat die Austro Control bereits in ganz Österreich, wie viele in Wien bewilligt?
Wir haben in den vergangenen Jahren einen stürmischen Andrang erlebt. Die Gesamtzahl der Anträge nach der Novelle des Luftfahrtgesetzes im Jahr 2014 ist 2600. Davon wurden 2200 positiv erledigt. 2014 hatten wir 150, 2015 schon 410 und 2016 bereits 1195 Bewilligungen. Wien ist ein Sonderfall, da es sich hier um ein Flugbeschränkungsgebiet handelt und Drohnenflüge nur in Ausnahmefällen, wie etwa für Filmaufnahmen, bewilligt werden.
Filmaufnahmen werden meist mit größeren Drohnen gemacht. Welche Voraussetzungen sind nötig, um eine derartige Drohne navigieren zu dürfen?
Wir haben einen risikobasierten Ansatz. Je schwerer die Drohne und je dicht besiedelter das Gebiet ist, desto strenger sind die Auflagen. Ein Rolling Stones Konzert im Prater zu filmen, erfordert natürlich strengere Auflagen, als den eigenen Apfelbaum abzufilmen. Sie müssen etwa nachweisen, dass die technischen Systeme redundant sind. Wenn ein System ausfällt, muss das nächste eingreifen. Auf unserer Homepage findet man sehr detailliert, welche Unterlagen dazu notwendig sind. Insgesamt gilt: Die Höhe des Risikos definiert die Auflagen. Das ist ein Ansatz, den wir entwickelt haben und der jetzt von der EASA (europäische Agentur für Flugsicherheit, Anm.), die an einem gesamteuropäischen Regulativ arbeitet, übernommen wird.
Zurzeit kommen Drohnen meist für Filmaufnahmen oder in der Landwirtschaft zum Einsatz. Große Internetwarenhäuser wollen, ihre Waren künftig mit Drohen versenden. Wie realistisch erscheint das?
Internetwarenhäuser haben das strategische Ziel, Pakete bis zu einer gewissen Gewichtsklasse, egal zu welcher Zeit, innerhalb einer halben Stunde zu zustellen. Dann steht eben die Drohne vor dem Fenster und Sie können sich das Buch rausnehmen. Technisch wird das alles möglich sein, aber das heißt, das Drohnen dann auch in Lufträume fliegen, in denen Flugzeuge unterwegs sind und das ist natürlich eine riesige Herausforderung. Es laufen derzeit viele Versuche und spannendende Überlegungen. Es gibt beispielsweise einen holländischen Studenten, der eine Ambulanzdrohne entwickelt hat, mit der ein Defibrillator geliefert wird und die eine Funk- und Sichtverbindung zum Ort herstellt, wo der Herzinfarktgefährdete ist. Gleichzeitig, wird ein Medikament verbracht und die Drohne stellt eine Sprechverbindung zum Arzt her. In Dubai wird außerdem gerade ein Drohnentaxi getestet. Sie steigen ein und geben Ihr Ziel an. Die Drohne hebt ab und bringt sie in einen anderen Stadtteil. Es wird auch daran gearbeitet, dass Ballone Drohnen in den ganz oberen Luftraum bringen und dort riesige Warenlager oder Internetstationen eingerichtet werden. Die Einsatzmöglichkeiten sind unendlich.
Diese Einsatzfelder erfordern allerdings, dass Drohnen ohne Sichtkontakt gesteuert werden können, was derzeit rechtlich nicht erlaubt ist.
Das wird über kurz oder lang in ganz Europa ein Thema werden. Im militärischen und zivilen Bereich gibt es das ja jetzt auch schon. Zur Flüchtlingsrettung im Mittelmeer etwa werden jetzt schon Drohnen eingesetzt, zu denen natürlich keine Sichtverbindung besteht. Auch bei den Grenzsicherungen wird bereits viel mit Drohnen gearbeitet. Ich bin mir sicher, dass es langfristig bis hin zur Benutzung des gemeinsamen Luftraums gehen wird. Zur Zeit bewegen sich Drohnen auf einer Flughöhe bis 150 Meter. Der eigentlich spannende Bereich ist aber, was darüber hinaus passiert. Wenn man Drohnen auf lange Reisen schicken will, sie also in den Bereich der normalen Luftfahrt kommen. Derzeit versucht man überall auf der Welt, die Dinge auseinanderzuhalten. Hier die bemannte Flugfahrt, mit der Sie auf Urlaub fliegen, dort die Drohnen. Aber der nächste Schritt wird die Integration sein und dann ist die spannende Herausforderung: Wie verträgt sich der Flugverkehr der Drohnen mit der bemannten Luftfahrt?
Wie weit ist diese Entwicklung fortgeschritten?
Die Herausforderung wird sein, einen Weg zu finden, wie Drohnen selbstständig erkennen können, dass der Weg nicht frei ist. Hier ist die Forschung noch ganz am Anfang. Auch was die Sichtverbindung betrifft. Es gibt ja einen Piloten, aber der sitzt zum Beispiel in Wien und die Drohne fliegt über Frankreich. Er kann ja mit der Drohne auch schauen, aber er sitzt nicht in ihr drinnen. Das alles gehört aufgearbeitet und zu einem Regulativ entwickelt.
Internetgiganten werden Druck ausüben, um die gesetzlichen Regelungen so zu ändern, sodass Drohnenlieferungen möglich werden.
Natürlich. Es wird dann die Frage sein, wie intensiv sich der Gesetzgeber unter Druck setzen lässt. In den USA gibt es bereits eine Lobbying-Plattform, die in Richtung Liberalisierung drängt. Es hat zu diesem Thema vor einiger Zeit eine sehr interessante Podiumsdiskussion gegeben, an der mein italienischer Kollege, ein Vertreter der EU-Kommission und eine amerikanische Kollegin teilgenommen haben. Der italienische Kollege hat zu dem Thema gesagt: "Bei uns klopfen sie schon ganz deutlich an". Der Vertreter von der EU-Kommission hat gemeint: "Bei uns hämmern sie bereits an die Tür" und die Amerikanerin hat hinzugefügt: "Bei uns haben Sie die Tür bereits eingetreten". Na klar, das ist ein riesiges Geschäft. Da ist es Aufgabe des Gesetzgebers, eine vernünftige Regulation zu treffen und nicht aus einer Drucksituation heraus nachzugeben.
Wie gestalten sich die Regeln in den USA? Existiert dort die Begrenzung der Sichtverbindung nicht?
In vielen Ländern ist, was den Drohnenverkehr betrifft, sehr viel undefiniert. Meines Wissens nach ist es aber auch in den USA erst im Erprobungsstadium, in welchen Bereich Drohnen über die Sichtverbindung hinaus fliegen dürfen. Denn da gibt es viele offene Fragen: Was passiert, wenn eine Drohne, im Flug defekt wird. Kann sie notlanden? Wo macht sie das? Das ist bei Drohnen alles noch nicht ausgereift. Der Druck, dass es in die Richtung geht, ist in Amerika aber jedenfalls größer als in Europa. Man rechnet damit, dass es dort im Jahr 2025 sieben Millionen Drohnen geben wird. In den USA will man alles, was technisch möglich ist, auch gleich umsetzen. In Europa hat man einen pragmatischeren Zugang und sieht das Thema in der Gesamtheit. Zuerst will man wissen, was man als Gesellschaft will und dann lässt man es erst zu.
Wann rechnen Sie damit, dass es Zustellungen durch Drohnen gibt?
Wenn die gesetzlichen Möglichkeiten vorhanden sind und das auch gewollt wird. Eines muss man ganz klar sagen: Nur, weil etwas technisch möglich ist, heißt es nicht, dass es schon Anwendung finden soll. Ob die Pizzalieferung jetzt über den Häuserblock ein anstrebenswertes Ziel ist, ist keine luftfahrttechnische, sondern eine gesellschaftspolitische Frage. Will ich eine Stadt haben, wo hinter jedem Haus eine Drohne auf mich lauert, die mich filmen und verfolgen kann? Hier sind die Parlamente dazu aufgerufen, Entscheidungen zu treffen. Technisch ist das alles jetzt schon möglich. Die Frage ist, was wir als Gesellschaft ermöglichen wollen.
Zu berücksichtigen, ist außerdem das Sicherheitsrisiko. Man kann ja nicht davon ausgehen, dass jeder exzellent Drohnen steuern kann.
Nicht nur das. Stellen Sie sich statt der Pizza einen explosiven Stoff vor. Sie wissen ja nicht, wer am Steuer sitzt. Es gibt viele Beispiele im Internet, die darstellen, was mit einer Drohne alles Schlechtes gemacht werden kann. Diese Dinge muss man genauso berücksichtigen wie die positiven Aspekte, die etwa eine medizinische Drohne hat. Denn genauso könnte man mit einer Drohne Sprengstoff transportieren.
Gleichzeitig ist auch der Datenschutz ein großes Thema. Schließlich könnte man mit einer Drohne auch in Wohnungen hineinfilmen.
Der Datenschutz ist natürlich eine ganz wichtige Materie. Sie möchten ja die Gewissheit haben, wenn Sie im Pool schwimmen, dass nicht drei Drohnen über Ihnen schweben und Sie dabei stören. Auch die Tatsache, jemanden beobachten zu können, setzt eine Regelung voraus. Die Frage ist, wie bringt man ein Regulativ zustande, das zwischen Spaßbremse und Verantwortungslosigkeit liegt. Dazwischen liegt es irgendwo.
Ein breiterer Einsatz von Drohnen setzt also noch einige Entwicklungen voraus.
Vor allem die Themen Datenschutz und Sicherheit müssen gelöst werden. Wenn das Thema Sicherheit geregelt ist, wird es wenige Argumente geben, Drohnen nicht zuzulassen. In der Luftfahrt gibt es die berühmte 10hoch-9 Regel: Ein gravierender Zwischenfall pro eine Milliarde Flugstunden. Wenn die Drohne das einmal nachweisen kann und die gleiche Sicherheit erreicht, wie die bemannte Luftfahrt, wird man schwer sagen können: "Nein, wir wollen das nicht". Dann werden sich Flugzeuge und Drohnen den Luftraum teilen und die Verkehrskonzepte in der Luft werden sich massiv ändern.
Also werden wir bald überall von Drohnen umgeben sein?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es einmal eine Welt mit Drohnen geben wird, die so ähnlich wie Hubschrauber zu bewerten sind. Auch über Wien fliegt aber nicht ständig ein Hubschrauber, auch dafür benötigt man eine Genehmigung. Es wird die Sinnhaftigkeit nachzuweisen sein. Wer nur zum Spaß mit der Drohne fliegen will, soll sich mit dem Eigentümer eines Feldes einigen und das dort machen.
Zur Person#
Heinz Sommerbauer ist seit Jänner 2009 Vorstandsdirektor der Austro Control. Seit 1995 ist er im Unternehmen tätig. Zunächst war er Leiter der Abteilung internationale Kooperationen, ab dem Jahr 2000 war er als Generalsekretär für Unternehmensentwicklung, Unternehmenskommunikation und die Entwicklung neuer Geschäftsfelder verantwortlich.Heinz Sommerbauer ist seit Jänner 2009 Vorstandsdirektor der Austro Control. Seit 1995 ist er im Unternehmen tätig. Zunächst war er Leiter der Abteilung internationale Kooperationen, ab dem Jahr 2000 war er als Generalsekretär für Unternehmensentwicklung, Unternehmenskommunikation und die Entwicklung neuer Geschäftsfelder verantwortlich.