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Die Sandberge bei Oberweiden – eine biologische Besonderheit in der Nähe Wiens #

von Martin Lödl

Die Umgebung Wiens ist biologisch äußerst reichhaltig. Nirgends sonst in Mitteleuropa findet sich eine derartige Vielfalt an Biotopen, wie in einem zirka 100km Radius um die Bundeshauptstadt. Wärmebegünstigte, pannonische Standorte sind ebenso zu finden wie kühle und feuchte Naturgebiete und auch alpine Regionen mit Bergen von über 2000m Seehöhe. Es gibt Hochmoore und nordische Heidegebiete im Norden, feuchte Buchenwälder und Schluchtwälder im Westen, Salzsteppen um den Neusiedlersee im Südosten und an vielen Stellen pannonische Trockenrasen und vielfältige Xerothermstandorte. Das Klima an diesen Stellen ist trocken und heiß im Sommer, kalt und schneearm im Winter. Riesige Auwaldgebiete konnten gottseidank rechtzeitig entlang der Donau und March erhalten bleiben. Diese Mannigfaltigkeit bedingt auch eine reiche Tier- und Pflanzenwelt. Etwa 3300 Schmetterlingsarten können in der Umgebung Wiens beispielsweise gefunden werden (Kasy, 1981).

Ein besonders schönes Gebiet sind die sogenannten Sandberge bei Oberweiden im nordöstlichen Marchfeld (Abbildungen 1-4).

Sandberge bei Oberweiden
Abbildung 1: Oberweiden
© Martin Lödl

Sandberge bei Oberweiden
Abbildung 2: Oberweiden
© Martin Lödl
Sandberge bei Oberweiden
Abbildung 3: Oberweiden
© Martin Lödl


Sandberge bei Oberweiden
Abbildung 4: Oberweiden
© Martin Lödl

Ein seit den 60iger Jahren des vorigen Jahrhunderts unter Natuschutz stehendes Trockenrasengebiet auf ehemaligen Sanddünen, daher auch der Name. Heute sind offenliegende oder gar wandernde Dünenabschnitte nicht mehr zu finden, eine Trockenrasennarbe bedeckt die stabil gewordenen Sanddünen. Das ganze Gebiet ist etwas über einen Quadratkilometer groß und kann zu Fuß bewandert werden. Die ehemaligen Dünen sind eindrucksvoll, einige sogar fast 8 m hoch. Es handelt sich daher um eines der bedeutendsten Trockenrasengebiete Mitteleuropas. Die Geschichte der letzten Jahrhunderte mit ihrem Wechsel aus Bekämpfung und Erhalt der Sanddünenbiotope wird in Wiesbauer & Mazzucco (1997) näher behandelt.

Der natürliche Trockenrasentyp ist eine Astragalus-Stipa-Gesellschaft mit vielen seltenen Pflanzen und Tierarten. Heute wird das Gebiet einmal jährlich gemäht. Man findet an seltenen Pflanzen die Späte Federnelke (Dianthus serotinus) oder die Gewöhnliche Grasnelke (Armeria maritima), die gar keine Nelke ist, sondern ein Bleiwurzgewächs (Plumbaginaceae). In den dicht bewachsenen Bereichen sind etliche Horstgräser beheimatet, unter anderem das Grauscheidige Federgras (Stipa pennata) und das seltenere Gelbscheidige Federgras (Stipa pulcherrima). Typische Sandpflanzen sind auch das Schleierkraut (Gypsophila paniculata) und das Sandruhrkraut (Helichrysum arenarium), die auch Sand-Strohblume genannt wird. Wer sich generell über die Pflanzenwelt der Wiener Gegend informieren will, sei auf die wunderbare Bilddatenbank verwiesen, die seit 2004 am Server des Naturhistorischen Museums Wien untergebracht ist: http://members.aon.at/ernst.horak.botanik/Seiten/Was-wir-tun.htm

Die Insektenfauna ist besonders reichhaltig. Vor allem seltene pannonische Arten können hier gefunden werden. Viele wärmeliebende Wildbienen-Arten (Familie Apidae sensu lato) (Abbildung 5, Colletes fodiens Männchen), (Abbildung 6, Halictus semitectus Weibchen) sowie Grabwespen (Familie Sphecidae) (Abbildung 7, Bembecinus tridens Weibchen), die auf sandige Flächen spezialisiert sind, bewohnen den Xerothermstandort. Die schönen Hautflügleraufnahmen von Herrn Heinz Wiesbauer zeigen einige seltene Vertreter dieser Gruppe.

Colletes fodiens Männchen
Abbildung 5: Colletes fodiens Männchen
© Heinz Wiesbauer

Halictus semitectus Weibchen
Abbildung 6: Halictus semitectus Weibchen
© Heinz Wiesbauer

Bembecinus tridens Weibchen
Abbildung 7: Bembecinus tridens Weibchen
© Heinz Wiesbauer

Die Gottesanbeterin (Mantis religiosa) ist ebenfalls auf den bewachsenen Sandhügeln zuhause (Abbildung 8).

Gottesanbeterin (Mantis religiosa)
Abbildung 8: Gottesanbeterin (Mantis religiosa)
© Martin Lödl

Schwalbenschwanz (Papilio machaon)(Abbildung 9, Kopula des Schwalbenschwanzes) und Segelfalter (Iphiclides podalirius) kann man sogar recht häufig beobachten.

Kopula des Schwalbenschwanzes
Abbildung 9: Kopula des Schwalbenschwanzes
© Martin Lödl

An besonderen Schmetterlingen wären noch zu nennen die Bärenspinner Chelis maculosa (Abbildung 10) und und die spätnachts (oder besser gesagt frühmorgens) fliegende Watsonarctia deserta (=Eucharia casta)(Abbildung 11).

Chelis maculosa (Gerning, 1780)
Abbildung 10: Chelis maculosa (Gerning, 1780)
© Schillhammer

Watsonarctia deserta (Bartel, 1902)
Abbildung 11: Watsonarctia deserta (Bartel, 1902)
© Schillhammer

An Eulenfaltern sind als seltene Arten Yigoga signifera, Euxoa hastifera, Conisania leineri (Abbildung 12), Gonospileia triquetra (Abbildung 13, Gonospileia triquetra) und Lygephila ludicra (Abbildung 14, Lygephila ludicra) zu finden.

Conisania leineri (Freyer, 1836)
Abbildung 12: Conisania leineri (Freyer, 1836)
© Schillhammer

Gonospileia triquetra (Denis & Schiffermüller, 1775)
Abbildung 13: Gonospileia triquetra (Denis & Schiffermüller, 1775)
© Schillhammer

Lygephila ludicra (Hübner, 1790)
Abbildung 14: Lygephila ludicra (Hübner, 1790)
© Schillhammer


Zwei Widderchen (Blutströpfchen) kommen auf den Sandbergen als besonders seltene Arten vor: Zygaena laeta (Abbildung 15, Zygaena laeta) und Zygaena punctum.

Zygaena laeta (Hübner, 1709)
Abbildung 15: Zygaena laeta (Hübner, 1709
© Schillhammer


Unter den Kleinschmetterlingen gibt es eine herausragende Rarität. Die Ziermotte (Scythrididae) Scythris kasyi (Abbildung 16, Scythris kasyi Hannemann, 1962), die überhaupt in Österreich nur in den Sandbergen von Oberweiden gefunden wurde.

Scythris kasyi, (Hannemann, 1962)
Abbildung 16: Scythris kasyi Hannemann, 1962
© Schillhammer


Diese östliche Art kommt weiters von der Slowakei bis in den Süd-Ural vor. Sie wurde erstmals vom deutschen Microlepidopterologen Hannemann im Jahre 1962 beschrieben. Benannt ist sie nach dem früheren Leiter der Schmetterlingssammlung des Naturhistorischen Museums, Dr. Friedrich Kasy, der sich vor allem um die Erforschung von Xerothermstandorten im östlichen Österreich und durch seine Bemühungen im Naturschutz verdient gemacht hat. Auch zwei sehr seltene Sackträgermotten (Coleophoridae) sind in Oberweiden anzutreffen: Coleophora dentiferella und Coleophora supinella.

Einige seltene Arten sind auf Abbildung 17 (Antheminia lunulata), Abbildung 18 (Derephysia cristata), Abbildung 19 (Emblethis ciliatus) und Abbildung 20 (Hallodapus suturalis) zu sehen.

Antheminia lunulata
Abbildung 17: Antheminia lunulata
© Wolfgang Rabitsch

Derephysia cristata
Abbildung 18: Derephysia cristata
© Wolfgang Rabitsch

Emblethis ciliatus
Abbildung 19: Emblethis ciliatus
© Wolfgang Rabitsch

Hallodapus suturalis
Abbildung 20: Hallodapus suturalis
© Wolfgang Rabitsch


Bemekenswert ist das Gebiet allerdings auch durch das Verschwinden einiger besonders seltener Insektenarten, wie zum Beispiel der beiden psammophilen (also sandliebenden) Wanzenarten Phimodera humeralis und Menaccarus arenicola (http://homepage.univie.ac.at/wolfgang.rabitsch/menaccarus.jpg). Beide Arten dürften daher in Österreich ausgestorben sein (Rabitsch, 2002).

Unter den höheren Tieren kommen häufig Zauneidechsen (Lacerta agilis) und natürlich auch Zieseln (Citellus citellus) vor. Die Vogelfauna beherbergt ebenfalls seltenere Arten, wie z.B. das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) und das Schwarzkehlchen (Saxicola torquata). Häufig findet man Feldlerchen (Alauda arvensis) und auch Grauammern (Emberiza calandra). Triel (Burhinus oedicnemus) und Blauracke (Coracias garrulus) sind allerdings seit langem verschwunden, seit etwa dreißig bis vierzig Jahren auch der Brachpieper (Anthus campestris).

Interessant ist die Entstehung der Sandberge. Sie sind geologisch jüngeren Datums. Sie entstammen Sandmassen, die erst während der ersten Eiszeit angeweht wurden. Man muß sich Mitteleuropa vor 20.000 Jahren als eine Kältesteppe (Tundra) vorstellen. Viel Wasser war in Eis gebunden, die Flüsse zeitweise zu kleinen Bachläufen reduziert. Bei Tauwetter traten diese kleinen Wasserläufe aus den Ufern und brachten Schotter und Sand mit. Der Wind konnte dann größere Sandmengen aufwirbeln und an bestimmten Stellen zu Dünen aufhäufen. Vor etwa 10.000 Jahren nahm die Vegetationsdecke deutlich zu, was zur Verfestigung von Wanderdünen führen konnte. Erst die Einflüsse des Menschen während der Jungsteinzeit waren groß genug, um neuerlich Bodenerosion einetzen zu lassen. Nährstoffreiche Humusauflagen wurden durch die starken Winde im östlichen Österreich abgetragen, was dazu führte, daß in älteren Berichten über das Marchfeld von einer Art Wüste gesprochen wurde. Im 18. Jahrhundert wurde dann damit begonnen die Dünen durch Vegetationsauflagen zu stabilisieren. Heute finden sich keine aktiven Sanddünen mehr.

Eine wichtige Publikation zum Monitoring und zur Beurteilung österreichischer Trockenrasengebiete ist der „Österreichische Trockenrasenkatalog“, herausgegeben von Wolfgang Holzner (seit 1986) (http://www.steppe.at/prostruktur.html)

Außerdem empfielt sich das Studium folgender weiterführender Quellen:

http://www.sandduene.at/
Wiesbauer, H. & K. Mazzucco (1997): Sanddünen in NÖ. Ökologie und Kulturgeschichte eines bemerkenswerten Lebensraumes.
Fachberichte des NÖ Landschaftsfonds Nr. 6/97.
ISBN 3-901542-10-8
Amt der NÖ Landesregierung, Preis 7,27 €
Bestellung: mailto:post.ru5@noel.gv.at

Wiesbauer, H. & K. Mazzucco (1999): Sandlebensräume in Österreich und ihre Bedeutung für Stechimmen.
ISBN 3-85457-516-5
Umweltbundesamt, Preis 10,90 €

Wiesbauer, H. (Hrsg. 2002): Naturkundliche Bedeutung und Schutz ausgewählter Sandlebensräume in Niederösterreich.
Bericht zum LIFE-Projekt "Pannonische Sanddünen". Amt der NÖ Landesregierung/Abteilung Naturschutz. St. Pölten. 176 pp.
ISBN 3-901542-21-3
Amt der NÖ Landesregierung, Preis: 15 €
Bestellung: mailto:post.ru5@noel.gv.at

Wiesbauer, H. (2002): Steppe in Niederösterreich. Amt der NÖ
Landesregierung/Abteilung Naturschutz. St. Pölten. 16 pp.
ISBN 3-901542-18-3
Amt der NÖ Landesregierung, Preis: gratis
Bestellung: mailto:post.ru5@noel.gv.at

Wer sich auf dem Gebiet der Wanzen (Heteropteren) ein genaueres Bild machen will, sei an Herrn Dr. Wolfgang Rabitsch verwiesen:

Dr. Wolfgang Rabitsch
Austrian Federal Environment Agency Ltd.
Dept. Nature Conservation
Spittelauer Lände 5 1090 Wien
Austria
Tel.: +43-1-31304-3340
wolfgang.rabitsch@umweltbundesamt.at
wolfgang.rabitsch@univie.ac.at
Von Wolfgang Rabitsch ist außerdem erschienen: Rabitsch, W. (2007) Rote Liste der Wanzen Niederösterreichs. 280 pp. Bestellungen (15,00 €) plus Porto an den Autor.

Wichtige Beiträge zur Fauna und Flora des Untersuchungsgebietes wurden – wie bereits erwähnt - vom früheren Leiter der Schmetterlingssammlung des Naturhistorischen Museums Wien, Dr. Friedrich Kasy, geleistet. Er hat in jahrelanger Kleinarbeit xerotherme Biotope in Ostösterreich erforscht und vor allem wesentliche Ergänzungen zur Kenntnis der Schmetterlingsfauna sowie zum Naturschutz geleistet.
Literatur
http://www.weiden-march.at/index-Dateien/sandb.htm
Fischer, M.


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