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Technische Chemie#

Von

Marko Zlokarnik


Allegorie der Technischen Chemie als Giftmischerei
Abb. 1: Allegorie der Technischen Chemie als Giftmischerei

Technische Chemie ist ein Lehrfach an chemischen und chemisch-technischen Fakultäten und behandelt die Durchführung chemischer Reaktionen im technischen Maßstab. Sie gründet sich auf der chemischen Reaktionskinetik, wobei diese nicht - wie in Lehrbüchern zur Physikalischen Chemie üblich – intrinsisch („Mikrokinetik“), sondern als „Makrokinetik“im Zusammenspiel mit dem Stoff- und Wärmetransport und mit der Art der Reaktionsführung (homogene und heterogene Reaktionen, diskontinuierliche und kontinuierliche Reaktionsführung) in unterschiedlichen Reaktortypen (Rührbehälter, Blasensäulen, usw.) betrachtet wird.

Diese Behandlung der Technischen Chemie kam im wesentlichen aus den USA und ersetzte bei uns den Lehrfach der Chemischen Technologie. Der zeitliche Vorsprung dieser Wissenschaft in den USA kam dadurch zustande, dass in den USA insbesondere die Erdölverarbeitung und –veredelung wesentlich eher und in einem viel größeren Umfang als bei uns betrieben wurde, was auch für die Entwicklung der verfahrenstechnischen Verfahren generell gesagt werden kann.

Diese Sicht ist durch das Aufkommen der amerikanischen Lehrbücher auf diesem Gebiet leicht zu untermauern, den die wichtigsten davon sind bereits in der Mitte der 50er und Anfang der 60er Jahre erschienen, siehe [1][2][3]. Im Jahre 1963 wurde in den Niederlanden ein bedeutsames Buch zu diesem Thema publiziert [5], das auch bei den deutschen Fachkollegen hohe Wellen schlug. Die beiden diesbezüglichen deutschen Bücher [8][9] sind bedeutend jünger.

Ohne die Bedeutung beider erstgenannten amerikanischen Bücher schmälern zu wollen, muss das von O. Levenspiel [3] besonders hervorgehoben werden, weil er die Thematik außerordentlich klar und einsichtig wiedergibt. Es ist in den USA derart populär geworden, dass sich der Autor bemüßigt sah, es zwecks Senkung der Herstellungskosten in erweiterter Fassung größtenteils als Manuskript zu veröffentlichen [4]. Das einführende Bild zu diesem Lehrbuch soll wohl eine Allegorie der Technischen Chemie als Giftmischerei darstellen (Abb. 1).

Um die Mannigfaltigkeit der chemischen Reaktionen unter dem Gesichtspunkt der Mikrokinetik zu veranschaulichen, soll nur kurz aufgezählt werden: Reaktionen 0. Ordnung, Irreversible Reaktionen 1 und 2. Ordnung, Irreversible Parallel- und Folgereaktionen, Reversible Reaktionen 1., 2. sowie unterschiedlicher Ordnung. Heterogen katalysierte Reaktionen. Polymerisationskinetik.

Abb. 2
Abb. 2

Bei den Grundlagen der Strömungsmechanik sowie des Impuls- Wärme- und Stofftransportes wird auf molekulare Transportvorgänge (Wärmeleitung, Diffusion, Viskosität) eingegangen und es wird die Dimensionsanalyse als Grundlage der Maßstabsvergrößerung (Scale-up) vorgestellt. Bei den Wärmetransportvorgängen werden Wärmestrahlung, Wärmeleitung und konvektiver Wärmetransport besprochen. Die Stofftransportvorgänge sind mannigfaltig, weil sie sich unter verschiedenen Phasen abspielen können (S/G, S/L; L/L, L/G, L/G/S). Die Kürzel stehen für S - Feststoff, L- Flüssigkeit, G – Gas. Es werden Grundlagen deren Berechnung vorgestellt.

Das Neue an der Technischen Chemie sind die Grundlagen zur Auslegung und Optimierung von chemischen Reaktionsapparaten. Es werden die Konzentrationsführung bei einfachen und bei komplexen Reaktionen sowie die Temperaturführungen bei einfachen und bei komplexen Reaktionen besprochen. Um die Mannigfaltigkeit bei der Bestimmung des Umsatzgrades in den einzelnen Stufen einer Reaktorkaskade zu veranschaulichen, wird in der Abbildung 2 aus [3] gezeigt, wie sich der Konzentrationsprofil in einer 5er Kaskade im Vergleich zum einstufigen Reaktor und dem Strömungsrohr gestaltet.

All das besprochene belegt deutlich, dass es zwischen dem Lehrstoff zur Chemischen Technologie und der Technischen Chemie einen großen Unterschied gibt.

Da der Autor dieses Beitrages den großen Vorzug hatte, vor seiner Hochschultätigkeit 38 Jahre lang der BAYER AG als Sachverständiger für chemische Reaktionstechnik anzugehören, werden in seiner Hochschulskripta zur Technischen Chemie [10] auch Themen behandelt, die in den übrigen Hochschulbüchern nicht vorkommen, so z.B. die Reaktionstechnische Verfahrensüberarbeitung (Alternative Synthesewege, Alternative Rohstoffe, Alternative Reaktionsmedien, bessere Katalysatoren) sowie die Verfahrenstechnische Verfahrensüberarbeitung. (Diese Skripten sind in der Bibliothek der TU Graz vorhanden.)

Literatur#

[1] Stanley M. Walas: Reaction Kinetics for Chemical Engineers, Butterworths Publishers, Stoneham, MA, USA. 1989. (Die erste Auflage erschien 1959 bei McGraw-Hill)
[2] J. M. Smith: Chemical Engineering Kinetics, McGraw-Hill Book Company 1956, 1970, 1981.
[3] Octave Levenspiel: Chemical Reaction Engineering, John Wiley & Sons, Inc. 1962, 1972
[4] Octave Levenspiel: Chemical Reactor Omnibook, Chemical Engineering Department Oregon State University, Corvalis, Oregon 1989
[5] H. Kramers and K. R. Westerterp: Elements of Chemical Reactor Design and Operation, Nederlands University Press, Amsterdam 1963
[6] K. R. Westerterp, W. P. M. van Swaaij, A. A. C. M. Beenackers: Chemical Reactor Design and Operation, John Wiley and Sons Ltd., 1987 und 1990
[7] Gilbert F. Froment und Kenneth B. Bischoff: Chemical Reactor Analysis and Design, John Wiley and Sons, Inc. 1979, 1990
[8] Manfred Bearns, Hanns Hofmann, Albert Renken: Chemische Reaktions-technik - Lehrbuch der Technischen Chemie, Band 1, Georg Thieme Verlag Stuttgart, 1987
[9] Fitzer – Fritz – Emig: Technische Chemie – Einführung in die Chemische Reaktionstechnik, Springer Hochschultexte, 1975, 1982, 1989, 1995.
[10] M. Zlokarnik: Skripten zur Technischen Chemie, Teil I (243 Seiten), 1992 sowie Teil II (233 Seiten), 1993 beinhalten Reaktionskinetik, Mikro- und Makrokinetik, Grundlagen der Strömungsmechanik und des Stoff- und Wärmetransportes sowie Reaktionstechnik, Auslegung und Optimierung von chemischen Reaktionsapparaten und den Produktionsintegrierten Umweltschutz.

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