Regierung gedachte gemeinsam#
Faymann und Spindelegger legten Kranz bei Mahnmal am Zentralfriedhof nieder.#
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung (Dienstag, 11. Februar 2014)
Wien. Regierungsmitglieder von SPÖ und ÖVP haben am Dienstag gemeinsam des Bürgerkriegsbeginns am 12. Februar 1934 gedacht. Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger legten einen Kranz beim Mahnmal der Opfer für ein freies Österreich (1934 bis 1945) am Wiener Zentralfriedhof nieder. Opferverbände hatten diesen Schritt, der erstmalig seit 1964 war, im Vorfeld begrüßt.
Fast alle Regierungsmitglieder, die Klubobleute von SPÖ wie ÖVP sowie Vertreter von Opferverbänden und Religionsgemeinschaften hatten sich am Zentralfriedhof eingefunden, um der gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen sozialdemokratischem Schutzbund und dem Verband aus Bundesheer, Polizei und den teils faschistischen, regierungstreuen Heimwehren zu gedenken. Vertreter beider Parteien sprachen von einem wichtigen symbolischen Akt, der das Gemeinsame vor das Trennende stelle.
Gräben zwischen beiden Parteien#
Eine "Mahnung für die Zukunft" sah dementsprechend Vizekanzler Spindelegger nach der Kranzniederlegung. "Wir gedenken heute aller Opfer, die für ein freies Österreich gekämpft haben." SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sprach von einem Zeichen, dass ganz bewusst die Gräben zwischen beiden Parteien überbrückt werden. Und sein ÖVP-Gegenüber Reinhold Lopatka würdigte die Aufarbeitung, welche an der Sache und nicht an Emotionen orientiert sei.
Inhaltlicher Streitpunkt ist nach wie vor das Porträt des ehemaligen Bundeskanzlers und Begründers des austrofaschistischen Ständestaats, Engelbert Dollfuß, im Parlamentsklub der ÖVP. Spindelegger plädierte für eine differenzierte Sichtweise, sei Dollfuß doch auch eines der "ersten Opfer" der Nationalsozialisten gewesen. "Man muss ihn als das sehen, was er ist. Das alles gehört mit einem nüchternen Blick aufgearbeitet, ohne dass man irgendetwas beschönigt."
Porträt mit Text? #
Spindelegger kann sich, wie vom Parlamentsklub schon angekündigt, auch persönlich vorstellen, das umstrittene Porträt etwa mit einem von Historikern erarbeiteten Text zu versehen, denn: "Mit dem Abhängen eines Bildes ändert man die Geschichte nicht." Lopatka wiederum erinnerte daran, dass man die Person Dollfuß nicht völlig von der Parteigeschichte trennen könne. Die ÖVP sei zwar nach dieser Zeit neu gegründet worden, die handelnden Personen seien aber in vielen Bereichen die selben geblieben, meinte er.
SPÖ-Klubobmann Schieder begrüßte die von der ÖVP angekündigte Neubewertung des Themas als "ersten Schritt". Dennoch sei es "schwer zu akzeptieren, dass ein solches Porträt in den Klubräumen hängt". Ob dieser erste Schritt genug sei, "wird man sehen".
"Die Wahrheit ist zumutbar"#
Bundespräsident Heinz Fischer hat das Gedenken von SPÖ und ÖVP ausdrücklich begrüßt. "Die Wahrheit ist zumutbar und das Bekenntnis zur Versöhnung ein Zeichen von Reife und Stärke", meinte er am Dienstag via Aussendung. Zur Rolle der damaligen Lager plädierte er für eine differenzierte Sichtweise, ohne das Dollfuß-Porträt im ÖVP-Klub direkt anzusprechen.
Die Komplexität der historischen Ursachen, die schließlich zum Bürgerkriegsbeginn geführt haben, "macht es notwendig, auch bei der Suche nach Schuld und Verantwortung viele Aspekte zu berücksichtigen", so Fischer. "Allein mit den Farben Schwarz und Weiß oder mit den Worten schuldig oder unschuldig kann ein historisch fundiertes Urteil nicht gefällt werden."
Der Bundespräsident erinnerte aber auch ausdrücklich an die dramatischen Auswirkungen des Austrofaschismus: "Zu den Folgen dieses auf die Schaffung eines Einparteienstaates zielenden Vorgehens zählte die Tatsache, dass die Chance Österreichs, sich gegenüber dem Druck des nationalsozialistischen Deutschland zu behaupten, nicht vergrößert sondern vielmehr reduziert und geschwächt wurde."
"Irrungen, Verfehlungen und politischen Sünde"#
Zur Person des ehemaligen Bundeskanzlers und Begründers des austrofaschistischen Ständestaats, Engelbert Dollfuß, erinnerte der Bundespräsident auch daran, dass dieser im Zuge eines Putschversuches der Nationalsozialisten ermordet wurde. Und weiter: "Vor diesem historischen Hintergrund muss es umso positiver beurteilt werden, dass ein gemeinsames Gedenken an die Irrungen, Verfehlungen und politischen Sünden der Ersten Republik möglich ist, dem der Gedanke der Versöhnung zugrunde liegt."
"Ereignisse wie jene in den Jahren 1933 und 1934 dürfen sich nie und unter keinen Umständen wiederholen", mahnte der Bundespräsident. Es sei Pflicht, Kenntnisse über die Entwicklung der Ersten Republik weiter zu vertiefen, alle Fakten offen zu legen "und auch die weitere Entwicklung bis hin zum sogenannten Anschluss im März 1938 mit schonungsloser Offenheit und wissenschaftlicher Gründlichkeit zu beleuchten".
Information#
Die Gedenkfeiern zum 12. Februar sind ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur der Sozialdemokraten. Ein gemeinsames Erinnern ehemals verfeindeten Lager hat es erst einmal gegeben: 1964 haben der damalige ÖVP-Bundeskanzler Alfons Gorbach und SPÖ-Parteichef Bruno Pittermann einen Kranz niedergelegt.Weiterführendes