"Hainfeld ist aktueller denn je"#
125 Jahre Sozialdemokratie und 80 Jahre Bürgerkrieg #
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung (Freitag, 10. Jänner 2014)
Von
Wolfgang Zaunbauer
Historiker Rathkolb: Programm nach 125 Jahren durch Krise wieder aktuell.#
Wien. Als Victor Adler 1893 zurückblickte, zeichnete er ein wenig schmeichelhaftes Bild der Sozialdemokratie in der Habsburger Monarchie: "Die Radikalen erschienen den Gemäßigten als Räuberbande, die Gemäßigten wurden von den Radikalen als Ordnungssozialisten, Wassersuppler, Polizeisozialisten verhöhnt." Zwar wurde schon 1874 in Neudörfl die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs gegründet (obwohl der burgenländische Ort im ungarischen Teil der Doppelmonarchie lag), allerdings sollte es noch fast 15 Jahre dauern, ehe Adler die verschiedenen ideologischen Strömungen der Arbeiterbewegung in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs vereinigen konnte. Am 31. Dezember 1888 und 1. Jänner 1889 fand im niederösterreichischen Hainfeld der sogenannte Einigungsparteitag statt. Morgen, Samstag, gedenkt die SPÖ mit einem Festakt ihres 125-jährigen Bestehens.
Thesen zur Zukunft der Sozialdemokratie#
Dazu kehren die Genossen ins Mostviertel zurück. Ab zehn Uhr beginnen die Feierlichkeiten mit Diskussionen und Gesprächsrunden zu Vergangenheit und Zukunft der Sozialdemokratie, ehe um 12.45 Uhr der eigentliche Festakt im Gemeindezentrum Hainfeld beginnt. Die Festrede hält Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann höchstselbst. Die Schauspieler Erika Pluhar und Frank Hoffmann werden historische Texte vortragen und der Philosoph Konrad Paul Liessmann Thesen zur Zukunft der Sozialdemokratie präsentieren.
Dass es beim Hainfeld-Gedenken um mehr geht als reine Nostalgie, betont auch der Historiker Oliver Rathkolb, Zeitgeschichtsprofessor an der Universität Wien, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Ganz im Gegenteil, die Prinzipien von Hainfeld sind aktueller denn je."
Zentrale Botschaft des Hainfelder Programms war es, "das gesamte Volk ohne Unterschied der Nation, der Rasse und des Geschlechtes (...) aus den Fesseln der ökonomischen Abhängigkeit, (...) der politischen Rechtlosigkeit und (...) der geistigen Verkümmerung" zu befreien. "Von der ursprünglichen Programmatik hat die SPÖ enorm viel umgesetzt", sagt Wolfgang Maderthaner, Direktor des Staatsarchivs und langjähriger Leiter des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung (VGA). Zentrale Forderungen - Wahlrecht, Demokratie - wurden erfüllt, "eine imposante Erfolgsbilanz". Damit ist das Thema aber keineswegs erledigt: "Gerade in Zeiten ökonomischer Krisen besinnt man sich auf traditionelle Werte - etwa das Recht auf Arbeit", sagt Maderthaner.
Auch für Rathkolb sind die Hainfelder Ziele heute, wo die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht, höchst aktuell. Trotz der Aktualität der Grundidee tut sich die SPÖ in Österreich aber seit Jahren schwer, die Wähler zu erreichen. "Die Sozialdemokratie hat das soziale Projekt von Hainfeld - nach vielen Katastrophen - letztlich verwirklicht. Aber es gelang ihr nicht, es ins 21. Jahrhundert zu transportieren", so Rathkolb. "1907 haben die damaligen Working Poor noch die Sozialdemokraten gewählt, ihre Urenkel haben hingegen die starke Tendenz, gar nicht zu wählen oder ihre Stimme einer Rechtspartei zu geben."
Damit will sich die SPÖ freilich nicht abfinden. "In ihrer 125-jährigen Geschichte war die Sozialdemokratie immer die treibende Kraft, um die soziale Lage der Menschen in unserem Land zu verbessern", erklärte Parteichef Faymann. Auch heute seien ein solidarisches Miteinander, Gerechtigkeit und Freiheit die Grundpfeiler sozialdemokratischer Politik. Daher stehe die SPÖ auch gegen rechtspopulistische Hetzparolen und für ein Europa, "in dem alle Menschen eine Zukunft haben", so Faymann.
Einen Monat nach der großen Hainfeld-Feier steht der nächste Gedenktag an, den die SPÖ groß begehen wird: Vom 12. bis 15. Februar jährt sich der Österreichische Bürgerkrieg zum 80. Mal. Am 12. Februar findet um 18.30 Uhr in der Volkshalle im Wiener Rathaus eine Gedenkveranstaltung mit Bundeskanzler Faymann und Wiens Bürgermeister Michael Häupl statt. Schon ab 15 Uhr gibt es ausgehend vom Rathaus Busexkursionen zu den Kampfstätten des Bürgerkriegs in Wien.
"Klare Rollenverteilung" im Bürgerkrieg#
Dabei ist es für Maderthaner "erstaunlich, wie stark der Februar 34 noch immer nachklingt". Das offizielle - sprich: rot-schwarz dominierte - Österreich hat die damaligen Ereignisse zwar ganz im Geiste der Lagerstraße verdrängt, auf unterer Funktionärsebene werden zu den wiederkehrenden Jahrestagen aber immer noch Unfreundlichkeiten ausgetauscht. Dabei sind für Maderthaner "die Rollen deutlich verteilt": Auf der einen (roten) Seite die Verteidigung der Republik, auf der anderen (schwarzen) die Zerstörung der Republik. Noch bis in die 70er Jahre hat der Februar 1934 als traumatisches Ereignis in der Gesellschaft nachgewirkt", sagt Maderthaner, "erst durch Bruno Kreisky und Kardinal Franz König wurde das überwunden".
Durch die Wirtschaftskrise, in der die Welt seit fünf Jahren steckt, hat das Bürgerkriegsgedenken für den Staatsarchivar "eine völlig neue Aktualität". Man sah sich 2008 plötzlich an die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre erinnert. "Zwar hat die Staatengemeinschaft anders reagiert als damals, aber das Schreckgespenst der Krise war plötzlich wieder da."
Für Historiker Rathkolb hat der Februar 1934 eine ganz andere aktuelle Brisanz - auch wenn der Bürgerkrieg ein "Nicht-Thema in der österreichischen Gesellschaft und für viele eine Leerstelle im historischen Gedächtnis" sei. Dabei dürfe es aber nicht um Schuldzuweisungen gehen, sagt Rathkolb, sondern darum, demokratiepolitisches Bewusstsein zu wecken: "Es gibt einen Trend hin zu starken politischen Persönlichkeiten einerseits und zu Politikverdrossenheit andererseits. Der Jahrestag sollte genutzt werden, um in Erinnerung zu rufen, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist."
Dass es der Sozialdemokratie im Februar 1934 gar nicht um den Erhalt der Demokratie gegangen sei, sondern um Sozialismus, wie das etwa der Salzburger Historiker Ernst Hanisch vertritt, weist Rathkolb als "Fehleinschätzung" zurück: "Sozialismus stand 1934 nicht mehr auf dem Tapet." Außerdem sei der Bürgerkrieg nicht als geplante Machtergreifung ausgebrochen, sondern als lokaler Konflikt in Linz. Die Sozialdemokratie war laut Rathkolb "in der politischen Praxis extrem zurückhaltend" und 1934 gar nicht mehr in der Lage, massiven Widerstand umzusetzen, was ein Jahr zuvor vielleicht noch möglich gewesen wäre.
"Großparteien ohne akzentuierte Botschaft"#
Während die SPÖ das Jahr 1934 groß begehen wird, tut sich die ÖVP mit ihrer Historie eher schwer - "obwohl es gerade in der Soziallehre der damaligen Christlichsozialen vieles gibt, wo man heute anknüpfen könnte", sagt Rathkolb. Stattdessen seien die Großparteien - ÖVP wie SPÖ - völlig auf den "Kampf um die Mitte" konzentriert und dabei "ohne akzentuierte Botschaft". Übertriebenes politisches Marketing habe dazu geführt, dass den Politikern "alle Ecken und Kanten abgeschliffen werden". Dadurch verliere man letztlich aber Wähler an neue Gruppierungen wie die Neos oder zumindest kurzfristig an Typen wie Frank Stronach, "der alle Lehren des politischen Marketings über den Haufen wirft", sagt Rathkolb.
Der Bürgerkrieg 1934#
Als der christlichsoziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß im März 1933 das Parlament ausschaltet, die politischen Rechte sukzessive abbaut und dafür die Diktatur Schritt für Schritt errichtet, reagiert die österreichische Sozialdemokratie zunächst wie gelähmt. Erst als die Regierung daran geht, den "Republikanischen Schutzbund" (der paramilitärische Arm der Sozialdemokraten) zu entwaffnen, kommt es zum Konflikt. Als die Polizei am Morgen des 12. Februar die Linzer Parteizentrale der Sozialdemokraten nach Waffen durchsuchen will, eröffnen Schutzbündler das Feuer - gegen den Willen der Parteiführung. Nach drei Tagen kämpft das Bundesheer den Februaraufstand des Schutzbundes nieder. Zurück bleiben 118 Tote auf Regierungsseite und rund 270 tote Aufständische. Neun Schutzbündler werden standrechtlich hingerichtet. Die rote Parteispitze flieht großteils ins Ausland.
Neben Spanien ist Österreich das einzige Land, wo die Arbeiterschaft mit Waffengewalt versucht, dem Vormarsch des Faschismus entgegenzutreten.
Der Fliegerhorst Brumovsky sollte umbenannt werden, da Brumovsky eine Luftangriff gegen den Wiener Goethehof flog im Februar 1934........
-- Glaubauf Karl, Donnerstag, 16. Jänner 2014, 15:20
Die bleibende Leistung der Sozialdemokratie war die Demokratisierung Österreichs: 1907 allgemeines Wahlrecht für Männer, 1919 auch für Frauen, 1922 die Wiener Stadtverfassung mit ihrer doppelten Wahlmöglichkeit (Gemeinderat/Landtag, Bezirksvertretungen) Würde die Sozialdemokratie auch eine Demokratisierung der EU anstreben (etwa Wahl des Präsidenten) wäre das sicher der Weg des Erfolges......
-- Glaubauf Karl, Donnerstag, 23. Jänner 2014, 12:08