Was ist politische Beteiligung? (Essay)#
Peter Filzmaier
Im politischen Alltagsverständnis wird oft nur die Wahlbeteiligung als politische Beteiligung verstanden und manchmal sogar mit der Demokratiequalität gleichgesetzt. Eine hohe Wahlbeteiligung wird als positiv gesehen, deren Absinken als Indikator für eine steigende Politikverdrossenheit gewertet.
Doch Vorsicht: Oft steigt die Wahlbeteiligung gerade bei großen Konflikten und Krisen, während sie bei einer subjektiv hohen (Lebens-)Zufriedenheit der Bürger sinken kann. Genauso falsch wäre es allerdings, das automatisch anzunehmen und sich bei einer extrem niedrigen Wahlbeteiligung nicht rechtzeitig Gedanken über einemögliche Politikverdrossenheit und die Demokratiequalität zu machen. Anderenfalls würde den politischen Akteuren eine allzu billige Rechtfertigung für das Phänomen geboten werden, dass inWahlen zunehmend die Nichtwähler zur größten Gruppe werden.
Zu unterscheiden ist jedoch zwischen Politiker-, Parteien- und Medienverdrossenheit. Viele Bürger sind durchaus an Politik interessiert und lehnen trotzdem das traditionelle politische System und insbesondere „alte“ Parteien mit wenig flexiblen Strukturen ab. Darüber hinaus stellt selbstverständlich die Wahlbeteiligung nur einen Faktor der politischen Beteiligung dar.
Immermehr Bürger artikulieren und formieren ihre politischen Anliegen auf zivilgesellschaftlicher Ebene, etwa in sozialen Bewegungen (Umwelt-, Frauen-, Studentenbewegung usw.). Genauso sind alle Formen der öffentlichen Meinungsäußerung von Leserbriefen in Zeitungen über Aktivitäten in gesellschaftlichen (Nicht-Regierungs-)Organisationen bis zu Versammlungen und Demonstrationen ein Ausdruck der politischen Beteiligung.
In den letzten Jahren ist vor allem das Internet zum Forum politischer Beteiligung geworden. Es bietet die Möglichkeit, quasi basisdemokratisch mit theoretisch gleichen Chancen für alle Bürger Meinungen zu veröffentlichen.
Realpolitisch dominieren freilich im Internet ebenfalls jene Akteure, die in den klassischen Medien am präsentesten sind. Politische Beteiligung kann daher nicht durch eine bloße Zählung von Partizipationsversuchen gemessen werden, sondern muss im engeren Sinn als reale Chance, auch das Ergebnis politischer Entscheidungsprozesse beeinflussen zu können, verstanden werden.
Nach dieser Definition verfügt in modernen Demokratien wie Österreich lediglich ein verhältnismäßig kleinerTeil der Bevölkerung über Beteiligungsmöglichkeiten, so dass die Demokratiequalität kritisch zu sehen ist.
Die zwölf Volksbegehren in Österreich mit der größten Zahl an Eintragungen:
1982 Konferenzzentrum-Einsparung 1.361.562
1997 Gentechnik-Volksbegehren 1.225.790
2002 Veto gegen Temelin 914.973
1975 Schutz des menschlichen Lebens 895.665
1969 40-Stunden-Woche 889.659
1964 Rundfunk-Volksbegehren 832.353
2002 Sozialstaat Österreich 717.102
1997 Frauen-Volksbegehren 644.665
2004 Pensions-Volksbegehren 627.559
2002 Volksbegehren gegen Abfangjäger 624.807
1996 Tierschutz-Volksbegehren 459.096
1980 Pro-Zwentendorf-Volksbegehren 421.282
Dieser Essay stammt mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus dem Buch:

Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG, Wien