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Ein Lebenswerk für Österreich#

Ein Nachruf auf Österreichs ersten EU-Botschafter, Manfred Scheich.#


Von der Wiener Zeitung (27. März 2020) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Wolfgang Schüssel


Der am 6. März verstorbene Manfred Scheich (r.) im April 1995 mit dem damaligen Außenminister Alois Mock
Der am 6. März verstorbene Manfred Scheich (r.) im April 1995 mit dem damaligen Außenminister Alois Mock.
Foto: © apa/B. Gindl

Manfred Scheich, der erste Botschafter Österreichs bei der Europäischen Union, ist vor kurzem gestorben. Die Vita dieses österreichischen Beamten ist gleichsam ein Spiegelbild für die dramatische und faszinierende Geschichte unserer Heimat. 1933 im schlesischen Troppau geboren, floh Scheich mit den Eltern im Zuge der Vertreibung der Sudetendeutschen nach Wien. Studien an der Wiener Hochschule für Welthandel und der Johns Hopkins Universität in Bologna folgten. Zur gleichen Zeit war dort auch ein gewisser Alois Mock in postgraduate Studien inskribiert.

Die Beamtenlaufbahn führte Scheich vom Bundeskanzleramt bald ins Außenministerium - OECD-Vertretung in Paris, Österreichs EFTA-Delegation in Genf, Botschaftsrat in Brüssel. Sektionschef für Integrations- und Wirtschaftspolitik 1986 bis 1992. Manfred Scheich hatte in dieser Zeit die anspruchsvolle Aufgabe, als Leiter der interministeriellen Kommission die Auswirkungen eines EU-Beitritts auf die österreichische Rechtslage zu bewerten. Dabei waren immerhin an die 60.000 (!) Seiten des "Acquis Communautaire", der EU-Rechtstexte, zu prüfen. Besonders heikel war die Frage, ob die österreichische Neutralität mit dem Beitritt vereinbar sei. Scheichs Credo war immer, Neutralität sei nicht mit Neutralismus zu verwechseln und Österreich gebühre ein Platz im Herzen Europas und der liberalen Demokratie.

Ein fachlich versiertes, zielorientiertes Energiebündel#

Wolfgang Schüssel war von 2000 bis 2007 Bundeskanzler der Republik Österreich. Davor war er ab 1989 Wirtschaftsminister, ab 1995 Vizekanzler und Außenminister. Von 1995 bis 2007 war er Bundesparteiobmann der ÖVP
Wolfgang Schüssel war von 2000 bis 2007 Bundeskanzler der Republik Österreich. Davor war er ab 1989 Wirtschaftsminister Bundesminister, ab 1995 Vizekanzler und Außenminister. Von 1995 bis 2007 war er Bundesparteiobmann der ÖVP.
Foto: © ÖVP

Als Wirtschaftsminister habe ich Scheich bei den Verhandlungen zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) kennen und schätzen gelernt. Er fiel mir als ein kleines, aber ungemein lebendiges Energiebündel auf. Fachlich versiert, zielorientiert, energisch, mit durchsetzungsfähigen Ellbogen ausgestattet, wenn es um österreichische Anliegen ging. Und das war wichtig - denn bei den EG-Beitrittsgesprächen war er der Chefverhandler auf Beamtenebene. Mock vertraute Scheich in jeder Hinsicht - sie kannten sich ja noch vom Studium und von der gemeinsamen Zeit bei der OECD in Paris. Mock war Trauzeuge bei Scheichs Hochzeit mit Catherine. Und umgekehrt konnte der Botschafter dem Außenminister, der mit seinen Kräften bereits haushalten musste, vieles abnehmen. Besonders stolz war Scheich, dass Österreich den ersten Beitrittsantrag lange vor den anderen EFTA-Staaten und noch vor dem Fall der Mauer an Frankreichs Außenminister übergab. Auch Wolfgang Schüssel schätzte die Expertise und den Einsatz von Österreichs erstem EU-Botschafter. - © apa/Robert Jäger

Folgerichtig wurde Scheich auch ab 1995 der erste "PermRep", der Ständige Vertreter Österreichs bei der EG, später EU. Als Außenminister schätzte ich die Arbeit, Professionalität und Expertise von Botschafter Scheich außerordentlich. Beim Vertrag von Amsterdam und beim ersten österreichischen EU-Vorsitz 1998 waren seine Mitarbeit und fachlichen Beiträge entscheidend. Auch nach seiner Pensionierung blieb Scheich seiner pro-europäischen Linie in vielen Vorträgen, Artikeln, Beiträgen und Ratschlägen treu. Zudem konnte er zufrieden die Erfolge unseres EU-Beitritts bilanzieren: eine halbe Million zusätzliche Arbeitsplätze, die Exporte fast vervierfacht, 180 Milliarden Euro an Auslandsinvestitionen in Österreich - elfmal so hoch wie vor dem Beitritt. 6 Milliarden Euro flossen seither in die Entwicklung unserer Regionen. Und die Zustimmung der Bürger zur EU ist mit 74 Prozent heute sogar höher als bei der legendären Volksabstimmung am 12. Juni 1995. Botschafter Scheich hat zu diesem Erfolg entscheidend beigetragen.

Nun kann er in Frieden ruhen. Wir sollten ihn nicht vergessen!

Wiener Zeitung, 27. März 2020


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