Blutige Opfer an Göttin Kali in Dakshinkali bei Kathmandu#
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Die Bilder wurden vom Verfasser zwischen den Jahren 1977 und 2015 aufgenommen und sind Teil des Archives „Bilderflut Jontes“.
Während der Buddhismus Opfer mit vorangehender Tötung eines Lebewesens ablehnt, haben sich solche Bräuche im Hinduismus erhalten, wo besonders der Göttin Kali solche dargebracht werden. Die furchterregend dargestellte Kali (skr. „die Schwarze“) ist eine der Aspekte der Gattinnen des Hochgottes Shiva. Im Gegensatz zu ihrem Herrn und dessen anderen Familienmitgliedern gilt ihre Verehrung bei gläubigen Hindus als wunscherfüllend und sie wird auch als die große Beschützerin vor Dämonen und Schadgöttern angesehen. In der Hoffnung, dass Opfer für sie ihre Geneigtheit gegenüber dem gläubigen Pilger befördern, schlachtet man ihr zu Ehren Tiere. Bis 1780, als die nepalesische Regierung Menschenopfer untersagte, wurden auch solche verbunden mit der Hoffnung auf besondere Wunschgewährung vollführt. Damit sollte auch die Einheit von Leben und Tod zum Ausdruck kommen.
Im Tal von Kathmandu befindet sich in etwa 1450 m Seehöhe 20 km südwestlich der Hauptstadt Nepals ein kleiner Talkessel, zu welchem man über eine steile und lange Treppe hinunter steigend gelangt. Dann befindet man sich im Heiligtum von Dakshinkali Dakshinkali,nepal . Wörtlich bedeutet dieser Name im Hindi „Kali im Süden“. Kunstgeschichtlich eher unbedeutend ist dieser Tempel aber der wichtigste Pilgerort des Kathmandutales, an dessen Eckpunkten der Himmelrichtungen im Mittelalter Tempel für verschiedene Gottheiten entstanden, die einen spirituellen Schutz für das Tal bewirken sollen. Im Süden hat also Kali diese Aufgabe. Wie kaum sonst irgendwo in Nepal kann man hier die Vielfalt hinduistischen Glaubenlebens, frommer Bräuche und Menschen erleben. Der Verfasser hat deshalb immer wieder diesen Ort besucht, um diese Buntheit von tiefster Hingabe an die Gottheit und marktschreierischem Lärm zu dokumentieren.
Die Kultstätte steht im Zusammenhang mit dem mächtigsten Herrscher über Kathmandu König Pratapamalla (1641-1674) aus der heimischen Malla-Dynastie. Dieser hatte einst einen Traum, in welchem ihm befohlen wurde, in einer abgelegenen Gegend einen Tempel für die Göttin Kali zu errichten. Man stellte einen solchen Ort fest und fand, dass sich hier bereits ein Bild der Göttin und die Reste eines Tempels befanden. Über dessen Ruinen errichtete man dann das neue Heiligtum. Wahrscheinlich geht die Verehrung an dieser Stelle bis ins 14. Jahrhundert zurück. Pratapamalla war der größte Bauherr seiner Zeit. Auf ihn gehen die Paläste und Tempel um den Durbar-Platz in Kathmandu, die Neugestaltung des Plateaus und die Treppe auf das Svayambhunath-Bergheiligtum, das Bad der Königin „Rani Pokhari“, das Kalabhairava-Monument und andere Bauten zurück. Sein Bronzebild inmitten seiner Söhne steht auf einer Säule vor dem Hanuman Dhoka-Palast in Kathmandu.
Der kleine, von einem Bach durchronnene Talkessel umfasst die eigentliche Kultstätte unter offenem Himmel, Treppen und Brücken und auf der Höhenstufe darüber Läden, Garküchen und Handwerksbetriebe.
Für Hindus und Buddhisten sind alle Lebewesen gleichrangig und deshalb auch in gleicher Weise der Lebensbilanz des Karmas und dem Kreislauf der Wiedergeburten unterworfen. Da das Tier als Opfer nun getötet werden muss, vollführt der Opferer eine Art Entschuldungszeremonie, indem er die Kreatur gleichsam frägt, ob sie damit einverstanden sei, für die Göttin den Tod zu finden. Zuerst bekommt das Zicklein hier ein rituelle Salbung, dann wird es mit Wasser besprenkelt. Wenn es sich dabei schüttelt, gilt dies als Einverständnis. Im menschlichen Gestenrepertoire Südasien gilt dies bekanntlich im Gegensatz zum westlichen Bekunden als Bejahung. Nun kann das Opfer also erfolgen. Der Opferpriester trennt mit einem schnellen Schnitt den Kopf vom Leib des Tieres. Mit dem hervorschießenden Blut wird die Statue der Göttin und das der anderen Kultbilder übergossen. Der Pilger nimmt den Tierkörper wieder mit sich. Er wird später zubereitet und verzehrt.
Was nun folgt, zeigt, wie pragmatisch die Leute denken. Professionelle Helfer weiden die Tiere aus, zerteilen sie, machen sie bratfertig, bereiten sie gegen Entgelt auch zu und dann kann gleich bei einem Picknick die ganze mitgereiste Familie verköstigt werden. Schließlich hat man für diese Pilgerfahrt ja gefastet und ist hungrig.
An Pilgerstätten kann man nach der Erfüllung religiöser Pflichten sich gleich auch mit Waren aller Art eindecken. Entlang der Zufahrtswege haben sich an Ständen, aber gleich auch am Boden zahlreiche Händler mit Waren aller Art, Lebensmitteln und Bedarfsartikeln niedergelassen.
Die Verehrung der wunschgewährenden Göttin Kali im privaten und familiären Kreis zeigt sich auch in der Tatsache, dass die Verlage populärer Graphik Indiens Andachtsbilder in zahllosen Varianten hervorgebracht haben und noch immer liefern, die auch Kali als Sujet bringen. Der Stil dieser Darstellungen hat sich nach europäischen lithographischen Heiligenbildern aus Deutschland vor allem in Indien im 19. Jahrhundert entwickelt, die durch Missionäre in Indien verbreitet worden waren. Die folgenden Beispiele entstammen den ethnographischen Sammlungen Jontes. Sie wurden zum Teil in Dakshinkali erworben.
Blutrünstig, dem Menschen aber wohlgesonnen ist Kali. Sie steigt über den Körper ihres Gatten Shiva quasi von einer Welt in die andere. Eine Schädelkette schmückt sie. Waffen und ein abgeschlagener Kopf, blauschwarze Hautfarbe und ihre hervorgereckte Zunge gehören ebenfalls zu ihren Attributen