Schmausen dort, wo es zur Kultur gehört#
Usbekistan und seine Küche#
Von
Die Bilder wurden vom Autor in den Jahren 1985, 2011 und 2012 aufgenommen. Sie sind Teil des Archivs „Bilderflut Jontes“
Unter den zentralasiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion nimmt Usbekistan Usbekistan eine besondere Rolle ein. Ihre bedeutendsten Städte waren Stationen der Seidenstraße, die kulturelle Einflüsse von Ost wie von West brachte, unter denen die Nahrungskultur einen wichtigen Teil einnimmt. Liest man die Speisekarte – man ist seit der Wende von der kyrillischen auf die Lateinschrift übergegangen – so fallen einem Begriffe wie Kabob, Plof oder Shashlik auf. Ihre Entsprechungen im Türkischen oder Arabischen sind Kebap, Pilaw und so weiter. Die usbekische Küche gilt unter den halal-Küchen als die schmackhafteste und vielfältigste.
Die usbekischen Emirate wurden bereits zur Zarenzeit 1868 in das Russische Reich einbezogen und nach dem Ende der Monarchie fast übergangslos vom Kommunismus Lenins und Stalins 1918 der Sowjetunion einverleibt. Nach dem Ende der Union gelang es den zentralasiatischen Republiken, sich freizumachen und Souveränität zu erlangen. Bis auf Tadschikistan, das eine iranisch-indogermanische Sprache spricht, herrschen in allen anderen von Turkmenistan bis Kasachstan Turksprachen vor, was politisch natürlich zu Gunsten der Türkei ausschlägt.
Liegen die historischen Wurzeln Usbekistans im Kulturbereich Alt-Persiens mit seiner auf Zarathustra zurückgehenden das Feuer anbetenden Religion, so ist später durch die gewaltsame Islamisierung ein vollkommen neues Lebensgefüge entstanden, das besonders auch auf dem Nahrungssektor grundlegende Vorgaben brachte.
Im Islam werden Speisen und Lebensmittel nur dann gekocht und gegessen, wenn sie den von Koran und Hadithen definierten Speisevorschriften entsprechen. Sie müssen halal sein. Dieses arabische Wort bedeutet „erlaubt, zulässig“. Sein Gegenteil ist haram „verboten“. Dazwischen liegt noch der Bereich makruh in der Bedeutung „nicht ausdrücklich verboten, aber unerwünscht“. Das ist ein weites Betätigungsfeld streitlustiger muslimischer Imame und Muftis.
Der Verfasser des Korans hat dabei Anleihen bei den mosaischen Speisegeboten genommen, die für ihre Zeit durchaus vernünftig waren. Verboten ist der Genuss von Schweinefleisch und seine Nebenprodukte, ebenso Blut. Außerdem muss das erlaubte Fleisch von Tieren stammen, die auf rituelle Weise geschächtet worden waren. Das heißt, dass dem Tier ohne Betäubung die Kehle mit einem Schnitt durchtrennt werden muss. Alkohol ist den Seligen im Paradies vorbehalten, ein Gebot, das in den muslimischen Ländern in vielen Fällen keine Beachtung findet
Zu den Grundnahrungsmitteln gehört neben dem Reis das Fladenbrot, das im Lehmofen Tandyr gebacken wird. Ein solcher steht vor jedem Haus. Das Backen dieser aus Weizenmehl bestehenden Teige bedarf des Geschickes und der Erfahrung der Hausfrau, die den Fladen an die glutheiße Innenwand kleben muss, ohne sich zu verbrennen. Da die Garung blitzschnell erfolgt, ist das Herausnehmen ebenfalls nicht ungefährlich
Das frische, noch ofenwarme Brot wird von den Frauen, die das zu ihrem Beruf gemacht haben, an kleinen Ständen auf der Straße feilgeboten.
Das Brot ist nicht einfach ein Fladen, sondern es ist mit eigenen Brotstempeln mit schönen Mustern verziert worden. Man hat auch erkannt, dass im aufblühenden Fremdenverkehrsland diese Stempel ein schönes Souvenir abgeben.
Der aufblühende Tourismus bietet den Fremden aus dem Westen eine Fülle schmackhafter Speisen in manierlich betriebenen Gaststätten.
Man wirbt mit anregenden Ladenschildern für die landesübliche Küche. Bis auf den „importierten“ Hot Dog sind es hier Speisen, welche in den islamischen Ländern von Bosnien bis Indien und Indonesien bekannt und sprachlich oft nur leicht verhüllt sind. Und wo Worte fehlen, erfüllen Bilder denselben Zweck.
Auf einer dieser Reklametafeln liest man an prominenter Stelle vom Plow, dem gemeinislamischen Pilaw, der in Usbekistan als Nationalgericht gilt und ein Reisgericht mit Lamm, Zwiebel, Karotten, Knoblauch, Rosinen und Chilischoten darstellt. Manti sind mit Faschiertem gefüllte Teigtaschen.
Somsa sind Teigtaschen, die mit Fleisch, Erdäpfeln, Zwiebeln usw. gefüllt sind. Das Wort kommt von dem arabischen sambusak und hat in Indien die Form Samosa als beliebte Speise angenommen. Akroshka/Okroshka wiederum ist ein russisches Erbe, das sich erhalten hat. Darunter versteht man eine kalte Suppe aus Sauerrahm mit Wurst, Kartoffeln, Gurken, Ei und Dill. Kabob ist jedem vertraut, der auch in Europa hin und wieder in einen türkischen Döner beißt.
Als Fleisch kommt in der halal-Küche nur Rind, Hammel, Lamm und Geflügel in Frage. Und alles muss rituell geschächtet sein. Dafür wird auf den Märkten auch mit Bildern geworben.
Kebab wird zum Shishkebab, wenn es auf einem Spieß gesteckt über Feuersglut gegrillt wird. Auch im bosnischen Cevapcici steckt noch dieser sprachliche Kern. Der Name Shashlik ist dafür weitum gebräuchlich.
Der professionelle Kebab-Mann weiß ganz genau, wann er seinen Shashlik mundgerecht und gar servieren kann. Das Ergebnis isst man voller Genuss im Stehen oder im Vorübergehen
Ein festlich gedeckter Tisch hat schon eine Menge kalter Vorspeisen parat. Buntheit ist hier angesagt.
Das kann sehr formell zugehen, aber manch eine Hausmutter verdient sich ein paar Som dazu und bietet vor der Haustür frische usbekische „Fastfood“ an.
Diese vom Boden abgehobenen Sitzbetten dienen den Usbeken als geruhsame Bleibe, um im „Türkensitz“ zu schmausen oder Tee zu trinken. In Indien heißt dieses Möbel Charpoi „Vier Pfähle“ und schützt den Benützer vor Schädlingen und Ungeziefer des unreinen Bodens.
Was man im Hausgärtchen anbaut, kann auch ein wenig Überschuss ergeben und wird auf dem Markt gartenfrisch verkauft. Die usbekische Küche ist sehr gemüsereich.
Unter den Hülsenfrüchten nehmen Kichererbsen einen besonderen Platz ein
Im Herbst, der ziemlich genau auch mit dem europäischen übereingeht, offenbart sich, dass das Land auch ein Obstland ist. Allenthalben werden an den Straßen makellose Äpfel angeboten.
Man befindet sich hier auch nahe der Urheimat der Weinrebe, die in der Antike langsam aber stetig auch den Mittelmeerraum erreichte und letztendlich zur weltweiten Weinkultur führte.
Auch Schlehen gibt es in großen Mengen
Quitten sind ebenfalls sehr beliebt, ebenso Granatäpfel
Zentralasien ist auch wegen seiner Trockenfrüchte berühmt, die ihren Weg bis zu uns nach Europa finden.
Eine besondere Einrichtung ist das Teehaus, das Choyhana. Dort lässt man sich gemütlich nieder, trifft sich mit Freunden, trinkt grünen Tee und pflegt das, wovon man anscheinend eine ganze Menge hat: Zeit. Heute wissen auch die Fremden dieses Angebot an Erholung und Erfrischung zu genießen. Hier kommt man leicht mit den Einheimischen ins Gespräch. Sie rücken für Dich ein wenig zur Seite und wenden sich Dir zu. Hier können sie ihre Sprachkenntnisse erproben und auch wenn es diese nicht gibt, Lächeln und Gesten ersetzen auch Worte. Meist ist es Englisch, das man nun mit Eifer lernt. Mit Russisch kommt man nicht gut an. Das waren durch lange Zeit die Zwingherren. Und hört man aus usbekischem Mund deutsche Worte, so kommen diese von Menschen, die vor der Wende eine gewisse Ausbildung in der sogenannten DDR von Moskaus Gnaden erhalten haben. Fazit: Ein Teehaus ist mehr als eine Gaststätte, es ist ein Ort vielfältiger Begegnungen und auch der Besucher aus dem Westen sollte die Gelegenheit nützen, sich hier niederzulassen und sei es nur für eine geruhsame Mittagszeit im Schatten. Der heiße grüne Tee kühlt übrigens, wenn die Sonne herniederbrennt, besser als ein kaltes Bier.
Die Freiheit und die Globalisierung bedeuten aber auch eine Gefährdung der alten kulinarischen Traditionen. Alles steht allen offen und durch die aggressive Reklame und die geweckte Neugierde werden Bedürfnisse geweckt, die es früher nicht gegeben hat. Heute geschieht dies vorerst in der Stadt, bald werden auch kleinere Orte davon betroffen sein.
Ideologisierte Nahrungsmoden wie vegetarische Küche oder das sektiererische Veganertum werden nicht nur den Fremden angeboten, sondern auch den Einheimischen aufgeschwatzt, wodurch die ausgewogene traditionelle Kost ins Wanken gerät
In einem Restaurant, das auch von Fremden aufgesucht wird, zeigt ein Pfeil nach oben zum ersten Stock des Hauses und erklärt mit der russischen Aufschrift „Piwo sdjes“ („Bier dort“), dass Bier nur dort oben zu haben sei. Denn dem Gläubigen verbietet es ja die Religion. Heute braut Usbekistan schon selber ein gehaltvolles Bier, steht damit allerdings unter starker Konkurrenz mit Heineken und Tuborg
Im Sowjetreich gab es von Moskau bis Wladiwostok nur eine einzige Sorte, wenngleich sehr gutes, Speiseeis. Heute ist hier Italien in seine Rechte getreten
Übrigens: Wenn ein Muselmane davon träumt, einen Apfel zu pflücken, so bedeutet es, dass er Glück haben wird und reiche Belohnung findet