Usbekistan – Baukultur mit prächtigen Keramikfliesen#
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Die Bilder wurden vom Autor in den Jahren 1985, 2011 und 2012 in Usbekistan an den bezeichneten Orten aufgenommen. Sie sind Teil des Archives „Bilderflut Jontes“.
Seit der Antike war es üblich, luxuriöse Bauwerke aus Stein oder Ziegeln nach außen hin in besonderer Weise zu schmücken. Die einfachste, wenn auch am wenigsten dauerhafte Methode war die Fassadenbemalung. Man gestaltete entweder trockene gekalkte größere Flächen in secco-Technik oder tat dies auf noch feuchten Mörtelputz, in fresco-Malerei, was dem Werk eine weitaus größere Dauerhaftigkeit verlieh, wie wir es noch heute an romanischen oder gotischen Kirchen beobachten können.
In der Renaissance wurde in Italien der sogenannte Sgraffito („Kratzputz“) entwickelt, das dann auch Mitteleuropa erreichte. Eine rußschwarze Schicht wurde mit Kalkmörtel überputzt, in die man dann Ornamente oder Figurales einkratzte und damit scharf konturierte Darstellungen sichtbar machte.
Das Barock liebte den Stuck, der innen und außen sehr plastische Darstellungen ermöglichte und üppigen Schwung in die Architektur brachte und den Blick nach oben lenkte.
Der Orient jedoch brachte die Keramikfliese, die fortan den ganzen islamisch geprägten Raum erfasste und in seiner Buntheit und seinen Kombinationsmöglichkeiten ganze riesige Baukomplexe wie Moscheen, Koranuniversitäten (arab. madrasa), Paläste und Zitadellen in eine bestimmende und dauerhafte Farbenpracht tauchten. Durch die Mauren gelangte die Kunst der Keramikfliese auch nach Westeuropa, wo noch heute Spanien und Portugal mit ihren Azulejos die Wurzeln dieser Tradition deutlich machen. Dieser Name betont auch die alles dominierende Farbe der Kacheln, das Azurblau. Fliesen werden vor dem Brennen mit geschlämmten Mischungen von Quarzpulver und bestimmten metallischen Beigaben wie Oxiden bemalt, die dann im Ofen bei hohen Temperaturen ihren Glanz und ihre Buntheit, ihre keramische Dichte und Wasserfestigkeit erhalten. Unter diesen Metallen dominiert das Kobalt. Auch die Delfter Fliesen weisen dieses unnachahmliche Blau auf. Nicht zuletzt ist auch die ostasiatische Keramik auf solche Mittel angewiesen. Das wertvolle Kobalt wurde auch in großen Mengen im Thüringer und sächsischen Erzgebirge gefördert und weithin auch nach Asien exportiert.
Die Fliesen bestehen meist aus feinteiligen quadratischen Elementen, die jeweils Teile eines Ornaments enthalten und durch Zusammensetzen die beliebig große Bedeckung von Flächen ermöglichen.
Am intensivsten wurde mit Fliesen in Persien gebaut. Zu unerhörter Kunstfertigkeit haben es aber auch die usbekischen Keramiker gebracht. Das zentralasiatische Usbekistan hatte mit seinen Städten Buchara, Samarkand und Chiwa Anteil an einem Hauptstrang der Seidenstraße. Zudem war das islamische Persien Vorbild für die sich entwickelnde usbekische Hochkultur. Persisch war die Bildungs- und Hofsprache. Persisch auch die modifizierte arabische Schrift mit ihrer Kalligraphie. Es nimmt daher nicht Wunder, dass auch die Architektur dieses Wunderlandes zwischen Vorderem und Zentralem Orient in Usbekistan zum absoluten Vorbild wurde. Usbekistan war auch im Mittelalter die Heimat berühmter Mathematiker, Astronomen und Mediziner. Auf diesem geistes-, wissenschafts- und wirtschaftsgeschichtlichen Hintergrund konnte also eine phänomenale Kultur erblühen.
Beispiele großflächigen ornamentalen Fliesenschmucks zeigen Musterverschränkungen, Wechsel zwischen geradlinigen und floralen Motiven, Einbettung von arabischen Schriftzügen. Die Entfaltung der unglaublichen Phantasie dieses Fliesenschmuckes fußt auch auf religiösen Vorgaben. Der Gründer des Islam untersagte die Darstellung von Menschen, Tieren und auch Pflanzen. Das beflügelte die Phantasie der Künstler und Architekten in ungeahnter Weise und führte zu Höchstleistungen der Schriftkunst und Baudekoration. Nicht immer wurden diese Vorschriften aber wortwörtlich befolgt. Wo wäre denn sonst die großartige persische, türkische oder indisch-mogulische Miniaturmalerei mit ihren höfischen, Schlacht- und Jagdszenen und Herrscherporträts geblieben?
Chiwa – Blumenvasen lassen stark stilisierte Pflanzen und Blumen gerade noch als solche erkennen
Chiwa – Minbar, die Predigtkanzel in Moscheen, auf welcher beim Freitagsritual der Imam auf der vorletzten Stufe sitzt, da die letzte allein dem Propheten vorbehalten ist
Die relativ einfachen Baulinien gewinnen Gehalt, wenn sie mit Keramikfliesen geschmückt werden. Taschkent wurde 1966 durch ein verheerendes Erdbeben verwüstet, das nur weniges an historischer Bausubstanz verschonte. Der Wiederaufbau hielt sich aber an die überlieferten Bauweisen und es entstanden wieder stattliche Bauten, wie dieses, in welchem der älteste Koran der Welt ausgestellt ist, der zum größte geistigen Besitz Usbekistans zählt.
Kuppelbauten sind entweder glatt oder gerippt. Und meist tragen sie auch eine Verkleidung aus Keramikfliesen.
Unter Liwan oder Iwan versteht man eine hohe, einseitig offene Halle mit einem halben Tonnengewölbe. Meist enthalten sie den zentralen Eingang zu einem Bau besonderer Art. Hier öffnet sich für den ausstattenden Baumeister ein weites Feld der Auszierung mit Keramikfliesen. Auch die indisch-mogulische Architektur hat den Liwan aufgenommen und erstmals im Grab des Humayun verwirklicht.
Religionen bedürfen eines Signalsystems, um die Gläubigen für den Vollzug kultischer Handlungen zusammenzurufen. Das sind wie im Christentum Glocken auf entsprechenden Türmen oder Uhren. Im Buddhismus sind es wie in Tibet Blasinstrumente oder große Glocken, wie man sie aus Südost- und Ostasien kennt. Im Islam ruft der Muezzin die vorgeschriebenen fünf täglichen Gebetszeiten von einem hohen Turm, dem Minarett aus. Das Wort benannte ursprünglich einen Leuchtturm (arab. manara). Minarette sind bis heute auch Zeichen islamischen religiösen Machtanspruches. Solche Signaltürme waren oft auch Prestigebauten, die Machthaber in Riesengröße errichten wollten, wobei der Bau dann eingestellt wurde, wenn er die architektonischen, politischen oder wirtschaftlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten überstieg. Ein solches ist das Kalta Minor in Chiwa, dessen unterer Durchmesser schon darauf schließen lässt, wie gewaltig das Minarett hätte werden sollen. Mit geplanten 70 m Höhe wäre es das gewaltigste Zentralasiens geworden. Aber nur 25 m wurden erreicht, der Bau 1852 dann eingestellt.
Von geringerem Ausmaß als Minarette sind auch Säulen prädestiniert, Fliesenschmuck zu tragen und damit statische Funktionen zu betonen