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„Werden eine neue Geldwelt sehen“ #

Der Kryptowährungs- und Blockchainexperte Robert Schwertner über Stärken und Schwächen von Bitcoin und Co., die Möglichkeiten der Technologie im Bereich Industrie und Innovation und die Chancen für eine neue Arbeitswelt. #


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: Die Furche (8. Oktober 2020)

Das Gespräch führte

Oliver Tanzer


Ketten und Blöcke Jede Blockchain besteht aus miteinander verknüpften Verrechnungselementen, die codiert sind und damit unverwechselbar
Ketten und Blöcke Jede Blockchain besteht aus miteinander verknüpften Verrechnungselementen, die codiert sind und damit unverwechselbar.
Foto: https://pixabay.com

Kryptowährungen sind als Alternativen und Ergänzungen zur Geldwirtschaft heiß diskutiert. Robert Schwertner ist Geschäftsführer der Innomagic GmbH. Er berät als Blockchain- Experte Unternehmen und Startups. Davor war er zehn Jahre Leiter des Smart- City-Forschungsprogramms „Stadt der Zukunft“. Sein Blog www.kryptorobby.blog ist einer der meistbesuchten zum Thema.

DIE FURCHE: In der Krise suchen Menschen auch finanziellen Halt. Einige flüchten in die Anschaffung von Gold und Immobilien. Zu Beginn der Pandemie deckten sich viele auch mit Kryptowährungen ein und verursachten so einen kurzfristigen Kursanstieg bei Bitcoin und anderen digitalen Währungen. Würden Sie der Behauptung zustimmen, die einige erheben, Bitcoin sei das neue Gold?

Robert Schwertner: Es hat sich in der Krise durchaus bewährt. Bitcoin ist nicht so stark gestiegen wie Gold, aber es hat sich stabil gehalten und das ist ein positives Zeichen. Das war nicht immer so. Vorausgesetzt natürlich, der Kurs bleibt stabil, ist es ein gutes Wertaufbewahrungsmittel. Es gibt Statistiken, wonach in Südkorea 31 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Kryptowährungen investiert haben. In Österreich sind es nur zwei bis drei Prozent.

DIE FURCHE: Aber angesichts der Kursschwankungen würden Sie nicht Ihren Tresor damit anfüllen.

Schwertner: In Bitcoin zu investieren ist zur Zeit noch so, als würde man ins Casino gehen. Man kann es ausprobieren mit kleineren Beträgen. Es ist nicht dazu da, Geld für die Enkelkinder anzusparen oder zu glauben, dass man ein großes Vermögen machen kann. Es sollten Beträge sein, die man auch bereit ist, zu verlieren. Es ist nach wie vor ein risikoreiches Investment. Aber es ist die Zukunft sozusagen in Kinderschuhen. Die Blockchain-Technologie kann jedenfalls viel mehr, als nur als Portfolio zu dienen.

DIE FURCHE: Sie wird jedenfalls von Leuten, die die Gesellschaft stärker demokratisieren wollen, sehr hoch gehalten. Warum?

Schwertner: Zunächst ermöglicht sie einen direkten Kontakt zwischen Wirtschaftspartnern. Man braucht keine Bank mehr, sondern kann Beträge sicher, schnell und ohne Abschläge an andere Menschen überweisen. Zahlungsvorgänge werden wieder zurück auf eine direkte Interaktion zwischen den Teilnehmern geführt, und das finde ich einen sehr schönen Aspekt. Geld über die Bank weiterzugeben ist eine ökonomische Ineffizienz. Die Wirtschaft lebt von der Beseitigung von Ineffizienzen.

DIE FURCHE: Aber es gab da in der Vergangenheit einige Kinderkrankheiten, etwa die Möglichkeit, über Kryptowährungen Geld zu waschen oder an den Steuerbehörden vorbeizuschmuggeln.

Schwertner: Dazu hätten die Leute doch nur beim Bargeld bleiben müssen. Damit lässt sich herrlich nach Liechtenstein fahren und ein Konto eröffnen. Bei Kryptowährungen hingegen besteht die Chance, eine Kontrolle einzuführen. Es könnte sogar Systeme geben, bei denen automatisch die Steuer einbehalten würde. In diesem Sinn wäre die Kryptowährung also ein Vorteil, kein Nachteil.

DIE FURCHE: Im EU-Parlament wird derzeit eine neue Richtlinie verhandelt, um Krypto weniger anfällig für Kriminalität zu machen. Wie kann man sich das vorstellen, wenn hier Anonymität herrscht?

Schwertner: Bitcoin ist nicht mehr anonym. Es ist ein Mittelding zwischen Transparenz und Anonymität. Dieser Zustand nennt sich „pseudonym“. Das heißt, es kann sehr gut nachvollzogen werden, wann welche Geldflüsse wohin bewegt wurden. Es gibt auch eine eigene Forensik im Innenministerium, die erfolgreich nachverfolgen kann, wie Firmen ihre Bitcoins hin und herschicken. Das ist eine gute Entwicklung. Kontrolle ist eine gute Sache. Kryptowährungen, die vollkommen anonym bleiben, haben vermutlich keine Zukunft.

DIE FURCHE: Sie haben von Vertrauen gesprochen. Beim Geld ist das Vertrauen mit dem Staat verbunden. Wie kann die Blockchain- Technologie das ersetzen?

Schwertner: Blockchain ist tatsächlich eine Vertrauenstechnologie. Man vertraut dem Algorithmus. Niemand kann die verschlüsselten Codes stehlen.

DIE FURCHE: Aber es gibt immer wieder Berichte von gehackten Kryptodienstleistern.

Schwertner: Das passiert aber nicht, weil die Blockchain unsicher wäre. Sondern weil, so wie beim Geld auch, mancher Aufbewahrungsort unsicher ist. Wenn irgendwo eingebrochen wird, stellt man ja auch nicht gleich das Geldsystem an sich in Frage. Zu Bitcoin: Da gab es sicher auch Kriminelle, die den Leuten Geld aus der Tasche gezogen haben, mit dem Versprechen, sie reich zu machen. Aber auch hier ist nicht das System der Übeltäter. Der Code von Bitcoin ist öffentlich und tausendfach nachgeprüft. Er ist sehr robust. Bisher ist Bitcoin nicht gehackt worden. Blockchain verwebt in diesem Sinn Transaktionen miteinander, wie in einem festen Gewebe. So gesehen vertraut man der Programmierung.

DIE FURCHE: Was, wenn der Programmierer einen Fehler macht?

Schwertner: Das kommt bei Blockchains immer wieder vor, und auch bei neuen Kryptowährungen. Wir leben in einer Zeit, vergleichbar mit der Umstellung von Pferdefuhrwerken auf Automobile. Natürlich wird es den einen oder anderen Fehler bei der Entwicklung geben. Aber im Großen werden die Vorteile des Automobils klar überwiegen.

DIE FURCHE: Sind denn Kryptowährungen der Tod der Banken?

RobertSchwertner
Robert Schwertner
Foto: © Privat

Schwertner: Das glaube ich nicht. Die Systeme werden sich annähern, also die Banken werden sich Blockchain annähern. Wir werden eine neue Geldwelt sehen. Die Währungen werden sich angleichen und bitcoin- basierte Währungen anbieten. Die EU ist noch am Diskutieren. Aber China arbeitet schon seit drei Jahren an einem digitalen Renminbi. Der wird schon unter 500.000 Arbeitern in einigen Regionen als App erprobt. Und es funktioniert. Auf diese Währung hat auch die Zentralbank wieder Zugriff.

DIE FURCHE: Sie haben oben von anderen möglichen Anwendungen gesprochen.

Schwertner: Aktuelle Entwicklungen gehen dahin, dass Dienstleistungen in Produkte per Blockchain integriert werden können. Bei Industrieunternehmen geht es da um Zahlungsverkehr, Buchhaltung und andere wichtige Dinge. Im Alltag sind die Anwendungsformen noch bunter. Die österreichische Blogchain- Firma „Riddle & Code“ hat für Daimler Chrysler eine „Car Wallet“ programmiert, eine elektronische Geldbörse für PKW. Damit können Autos künftig Parkgebühren oder Tanken selbstständig bezahlen. Ein im Auto integriertes Bezahlsystem ist ein wichtiger Baustein für das Autonome Fahren. Denn wer soll für Services bezahlen, wenn sich Autos fahrerlos auf den Straßen bewegen?

DIE FURCHE: Bleibt noch der Nachteil, dass die Technologie nur wenige verstehen und die Produkte zum Teil extrem benutzerunfreundlich sind. Zumindest geht dieses Fazit aus einschlägigen Studien hervor.

Schwertner: Tatsächlich muss noch stark an anwenderfreundlichen Lösungen gearbeitet werden. Aber das ist wiederum eine Möglichkeit für Startups und viele neue Jobs. Es ist ein langer Prozess und er hat eben erst begonnen.

Die Furche, 8. Oktober 2020


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