Bis 29. Juni 2014#
Albertina
Die Gründung der Albertina.
Zwischen Dürer und Napoleon
Die Ausstellung umfasst rund 400 Exponate, darunter erstmals rund 100 Meisterwerke aus der Sammlung Herzog Alberts von Sachsen-Teschen (1738–1822) Er vereinte die bedeutendsten Zeichnungen - von Raphael, Michelangelo, Leonardo, Bruegel, Rembrandt und Rubens bis zu Caspar David Friedrich zu einer einzigartigen Kollektion. Sie bildet den Kernbestand der Albertina, die heute mit einer Million Kunstwerken eine der größten grafischen Sammlungen der Welt ist.
Ein halbes Jahrhundert hindurch nutzte Herzog Albert von Sachsen-Teschen ein europaweit agierendes Netzwerk von Händlern sowie Auktionen von umfangreichen Privatsammlungen, um 14.000 Zeichnungen und 200.000 Druckgrafiken zu erwerben. Berühmtheit erlangt 1796 ein Tausch von Kunstwerken mit Kaiser Franz II., durch den auch Albrecht Dürers »Feldhase« in die herzogliche Sammlung kommt.
Wichtigste Impulse zur Anlage der Sammlung erhält Herzog Albert von seiner kunstinteressierten und kunstsinnigen Gemahlin, Erzherzogin Marie Christine von Österreich (1742–1798), die ihn durch ihr enormes Vermögen auch finanziell unterstützen kann. Neben dem Aufbau einer enzyklopädischen Sammlung, die den Grundsätzen der Aufklärung verpflichtet ist, hat das Paar höchste politische Ämter und Würden in Ungarn und den Österreichischen Niederlanden inne. Dementsprechend pflegt es in ihren Schlössern und Palästen einen feudalen und äußerst repräsentativen, hocharistokratischen Lebensstil. Das Ende des Ancien Régime in den Wirren der Französischen Revolution beraubt das Staathalterpaar ihres Amtes, ihrer Würde und großer Teile der Besitzungen. Nach Wien zurückgekehrt beginnt 1794 ein neuer Lebensabschnitt im Palais auf der Augustinerbastei – der heutigen Albertina. Herzog Albert resigniert als Reichsgeneralfeldmarschall und zieht sich ins Privatleben zurück. Der Tod seiner geliebten Gemahlin erschüttert ihn sehr und er läßt der „besten Frau“ ein immerwährendes Andenken in Form eines Kenotaphs errichten.
Die kinderlose Marie Christine adoptiert 1791 Erzherzog Carl. Albert verfolgt in seinen letzten beiden Lebensjahrzehnten dessen Aufstieg zum bewunderten Feldherrn. Er beauftragt 1812 ein Gemälde, das den Sieg in der Schlacht von Aspern (1809) gegen die Truppen Napoleons erstmalig heroisiert. Der Kaiser der Franzosen schätzt seinen Rivalen als großen Strategen und wählt Carl als Stellvertreter für die Trauung mit Erzherzogin Marie Louise im Jahre 1810 aus.
1816 bestimmt Herzog Albert seine Grafiksammlung zum unteilbaren und unveräußerbaren Fideikommiß, wodurch sie 1822 zunächst an den Universalerben und Adoptivsohn Erzherzog Carl fällt und bis heute komplett erhalten geblieben ist. Die berühmte Gemäldesammlung des Herzogs ist hingegen ebenso wie seine prächtigen Möbel und die einzigartige, 25.000 Bände umfassende Bibliothek seit 1919 weltweit verstreut.
Kurfürst August »der Starke« (1670–1733) wird 1697 zum König von Polen und Litauen gewählt. Danach erlebt Sachsen eine politische, kulturelle und wirtschaftliche Blütezeit. Das prächtige Stadtbild und die exquisiten Sammlungen begründen den Ruf Dresdens als »Elbflorenz«. 1719 heiratet Friedrich Augusts II. (als polnischer König August III.), Sohn Augusts des Starken und Thronprätendent, Erzherzogin Maria Josepha von Österreich. Daraus leitet das alte Adelsgeschlecht der Wettiner 1740 seinen Anspruch auf die Kaiserwürde ab. Mit dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges setzt 1756 der Niedergang ein. Als sechster Sohn des Kurfürsten wird Prinz Albert (1738–1822) auf Schloss Moritzburg geboren. Nach einer standesgemäßen Erziehung erhält er eine mehrjährige militärische Ausbildung und spezialisiert sich in der Triangulation (Entfernungs- und Landvermessung). Dies weckt sein Interesse an der Geografie und er beginnt mit dem Sammeln von naturwissenschaftlichen Karten und Büchern. 1759 tritt er als »armer Kadett« in die habsburgische Armee ein und nimmt als Offizier im Stab von Feldmarschall Graf Daun an der siegreichen Schlacht von Maxen (20. November 1759) teil.
Der Kaiserhof in Wien präsentiert sich während der Regentschaft von Maria Theresia (1717–1780; reg. 1740 – 1780) in höfischer Pracht und spätbarockem Glanz. Sie regiert die Länder der Habsburgermonarchie und ihr Gemahl Franz Stephan von Lothringen (1708–1765) herrscht seit 1745 als Kaiser im Heiligen Römischen Reich. Die Landesmutter sichert den Fortbestand der Dynastie durch 16 Kinder, und Franz I. Stephan generiert als Wirtschaftsmagnat ein gigantisches Vermögen, das als Familienfond seine Nachkommen finanziell versorgen wird. Der Alltag der kaiserlichen Familie ist streng reglementiert, weshalb auch die Kindererziehung strikten Vorgaben unterliegt. Ab dem vierten Lebensjahr werden Sprachen, Geschichte, Religion, Musik und Tanz unterrichtet; wissenschaftliche und künstlerische Interessen werden früh gefördert. Erzherzogin Marie Christine ist eine talentierte Zeichnerin, die zeitlebens nach Vorlagen niederländischer und französischer Meister kopiert. Sie reift bis 1765 zu einer stolzen, selbstbewussten und kultivierten »Grande Dame« heran, die aufgrund ihrer Bildung und Repräsentation den dynastischen Ansprüchen des Hauses Habsburg-Lothringen gerecht werden kann.
Maria Theresia sieht ihre Kinder als dynastisches Kapital an. Als Staatskanzler Kaunitz 1756 ein neues Bündnis mit Frankreich initiiert, folgen mehrere Eheschließungen zwischen der »Familia Augusta« und bourbonischen Regenten in Italien und Paris. Prinz Albert besucht im Jänner 1760 seine Tante Maria Theresia in Wien und lernt die 17-jährige Erzherzogin Marie Christine kennen. Ab dem Frühjahr 1764 erwidert sie seine leidenschaftlichen Gefühle und die Monarchin gewährt ihrer bevorzugten Tochter eine Liebesheirat mit dem feschen Sachsen. Das Vermählungsfest findet noch während der Trauerzeit für den verstorben Kaiser Franz I. Stephan am 2. April 1766 in der Wiener Hofburg statt. Die Unterzeichnung des Ehevertrags am 5. April 1766 beschert Prinz Albert eine Frau mit einem Vermögen von 4 Millionen Gulden (ca. 63 Mio. Euro). Während Marie Christine den Titel einer Erzherzogin zeitlebens beibehalten darf, erhält ihr rangniedrigerer Bräutigam Wappen und Titel des Herzogtums Teschen und nennt sich fortan Herzog Albert von Sachsen-Teschen. Die Hochzeit wird am 6. April 1766 im kleinen, familiären Rahmen und »incognito« in Schloss Hof gefeiert.
Der Liebesheirat von Erzherzogin Marie Christine mit Herzog Albert folgt eine glückliche Ehe. »Mimi« und »Berti«, so die intimen Kosenamen, verbindet zeitlebens eine innige und leidenschaftliche Liebe. Maria Theresia ernennt ihren Schwiegersohn zum Reichsfeldmarschall und Locumtenens (Statthalter) von Ungarn; ab April 1766 residiert das Ehepaar im königlichen Schloss zu Preßburg. Herzog Albert leitet die Amtsgeschäfte und Erzherzogin Marie Christine repräsentiert das Haus Habsburg. Auf Kosten Maria Theresias pflegt man einen hochherrschaftlichen Lebensstil und umgibt sich mit prachtvollen Gemälden, herrlichen Gobelins und kostbaren Möbeln. In den Audienzräumen lässt Herzog Albert 95 Zeichnungen seiner Gemahlin aufhängen. Da der Statthalter weder der Landessprache noch der Amtssprache Latein mächtig ist, wird die gesamte Administration von seinem Kanzleidirektor Johann Nepomuk von Kempelen erledigt. Albert bleibt somit genügend Zeit für ausgedehnte Jagdausflüge, die Erweiterung seiner Bibliothek und den Ankauf von Mezzotinto-Drucken englischer Künstler. Durch die Nähe zu Wien besteht auch weiterhin ein enger Kontakt zu Maria Theresia und der Wiener Hofgesellschaft.
Begleitet von einer kleinen Entourage und dem Schoßhündchen Azor unternimmt das Statthalterpaar von Jänner bis Juli 1776 eine Bildungsreise durch Italien. Die Route beinhaltet Besuche an den Höfen von Marie Christines Geschwistern in Parma, Florenz, Neapel und Modena sowie einen Aufenthalt im österlichen Rom. In der Ewigen Stadt besichtigen sie neben antiken Monumenten und barocken Sakralbauten die vatikanischen Museen mit dem Pio Clementino sowie die Paläste der Nobilità mit ihren bedeutenden Privatsammlungen. Papst Pius VI. gewährt dem hohen Paar mehrfach Audienz und überreicht ihm wertvolle Geschenke. In Neapel interessiert sich Herzog Albert für Naturphänomene und besteigt mit dem britischen Botschafter Sir William Hamilton den Vesuv. Marie Christine verbringt viel Zeit mit der Hofgesellschaft und ihrer Lieblingsschwester Königin Marie Caroline, die ihr zur Abreise mehrere Gemälde von Jakob Philipp Hackert schenkt. Am Florentiner Hof Großherzog Leopolds hält sich das Paar am längsten auf. Das Verhältnis zum Bruder ist herzlich und das kulturelle und gesellschaftliche Leben bietet viel Abwechslung. Albert besichtigt gleich dreimal die prachtvollen Sammlungen in den Uffizien.
Im Zeitalter der Aufklärung verdrängt die Vernunft den (Aber-)glauben. Alle Bereiche des Lebens werden universal analysiert, systematisiert und geordnet. Die Philosophen publizieren das gesamte Wissen ihrer Zeit in Form der »Enzyklopädie«, ein Großprojekt zur Verbreitung von Bildung, Wissen und Erfahrung. Die Suche nach neuen Erkenntnissen ergreift alle Bereiche des Lebens: Winckelmann unterzieht die Kunst der Griechen einer wissenschaftlichen Betrachtung und begründet damit die Kunstgeschichte. Die Dichter Lessing und Schiller veröffentlichen kunstästhetische Betrachtungen und bekennen sich in Nathan dem Weisen sowie in der Ode an die Freude – gewidmet der Dresdner Loge »Zu den drei goldenen Schwertern« – zu den freimaurerischen Prinzipien Humanität und Toleranz. Prinz Albert wird 1764 als Lehrling in diese Loge aufgenommen und etabliert nach seiner Hochzeit (1766) als Meister und Protektor ein europaweit agierendes masonisches Netzwerk aus Diplomaten, Militärs, Kunsthändlern, Dichtern und Künstlern. Auch sein sächsischer Adjutant Seckendorff gehört dem Bund an. Marie Christine unterstützt die brüderliche Wertegemeinschaft und agiert als Wohltäterin.
Herzog Albert von Sachsen-Teschen und Erzherzogin Marie Christine sind keine regierenden Monarchen, aber sie gehören durch ihre hohe Geburt zur europäischen Elite. Ämter und Würden des Paares – sie vertritt in Ungarn und in den Österreichischen Niederlanden die Dynastie, er nimmt als Reichs(general)feldmarschall, Locumtenens, Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies und des österreichisch-kaiserlichen Leopold-Ordens hohe militärische, politische und gesellschaftliche Positionen ein – äußern sich in einem aufwendigen Lebensstil. Ihr feudales Repräsentationsbedürfnis spiegelt sich in einem umfangreichen Hofstaat, illustren Festen und erlesenen Jagdgesellschaften wider. Die Residenzschlösser in Preßburg und Brüssel sowie das Wiener Palais beherbergen einzigartige Ausstattungen; prächtige Gobelins aus den königlich-französischen Hofmanufakturen, kostbarstes Tafelsilber, exquisite Möbel und edle Büsten von Josiah Wedgwood. Einen besonders hohen Stellenwert genießt die 25.000 Bände umfassende Bibliothek, die zu den bedeutendsten des Kontinents gehört. Hohe Bildung, exzellenter Kunstverstand und erlesener Geschmack weisen Albert und Marie Christine als »Grand Homme« und »Grande Dame« aus.
Unter den Jubelrufen der Bevölkerung ziehen Erzherzogin Marie Christine und Herzog Albert am 10. Juli 1781 als Statthalter der Österreichischen Niederlande in Brüssel ein. Die Provinzen erwarten sich neben Prosperität und Wohlstand vor allem Frieden, doch die zentralistischen Reformen Kaiser Josephs II. werden zu Unmut und Aufruhe führen. Das hochangesehene und reich dotierte Statthalteramt ist dem Paar auf Lebenszeit vergeben. Da Marie Christine als Stellvertreterin ihres Bruders die Amtsgeschäfte führt, kann sich Albert vorrangig seinen Interessen widmen. Dazu zählt der Bau eines repräsentativen Residenzschlosses in Schoonenberg. Neben freimaurerischen Künstlern beteiligt sich auch der Herzog an den Planungen, sodass eine Vielzahl von Symbolen, Formen und Verhältnismäßigkeiten an Schloss Laeken und in seinem Garten auf die brüderliche Wertegemeinschaft hinweisen. Aufgrund eines Privilegs von Ludwig XVI. kann ein Großteil der berühmten Louis-Seize Möblierung in den königlichen Manufakturen zu Paris und Versailles angefertigt werden. Einige der wunderbaren Möbel und Dekorationsstücke werden nach Ausbruch der Französischen Revolution nach Wien mitgenommen und zieren heute die Prunkräume der Albertina.
Die Sammlung Herzog Alberts beeindruckt durch weltweit einzigartige Qualität und Umfang: Das nach Alberts Tod 1822 erstellte Gesamtinventar umfasst rund 14.000 Zeichnungen und 200.000 Druckgrafiken. Viele der Meisterzeichnungen – von Michelangelos Männerakten über Dürers »Feldhasen« bis zu Rubens‘ Kinderportraits – zählen heute zu den berühmtesten Werken der Kunstgeschichte.
In der herzoglichen Sammlung befinden sich Werke von Künstlern des frühen 15. bis zum frühen 19. Jahrhundert. Von Beginn an gliedert Herzog Albert seine Sammlung systematisch nach kunsthistorischen Kriterien, nach Schulen und Kunst-Landschaften. Die Deutschen und Österreicher nehmen den ersten Platz ein, gefolgt von den Werken niederländischer, italienischer und französischer Künstler. In den letzten beiden Jahrzehnten seines Lebens erwirbt Albert zunehmend Werke zeitgenössischer Künstler (»Maîtres modernes«). Sie machen rund ein Drittel seiner Zeichnungssammlung aus. Alle Zeichnungen aus Alberts Besitz sind mit einem vom Herzog selbst entworfenen Prägestempel versehen: sein Monogramm »AS« für Albert von Sachsen.
Eine Vorliebe Herzog Alberts sind neben Historien- und Genredarstellungen vor allem Landschaften. Der Sammler bevorzugt sorgfältig durchgezeichnete und farbig oder mit Lavierung bildmäßig ausgearbeitete Werke: Die Zeichnung interessiert ihn weniger als Dokument eines künstlerischen Schaffensprozesses, sondern als ein dem Gemälde äquivalentes Werk mit eigenen, nur der »lichten« Zeichnung innewohnenden, ästhetischen Qualitäten.
An der Wende des 15. zum 16. Jahrhundert wird die Zeichnung zum Fundament aller Künste erklärt. Die Zentralperspektive und die wiederentdeckte Antike sowie die genaue Abbildung der Wirklichkeit werden zum ästhetischen Ideal, der Humanismus verdrängt das mittelalterliche Weltbild, denn der Mensch ist nun »das Maß aller Dinge«. Der menschliche Körper ist auch das thematische Bindeglied zwischen dem Künstlerdreigestirn der italienischen Hochrenaissance – Leonardo da Vinci, Michelangelo Buonarotti und Raffael Santi: Alle drei verstehen sich meisterhaft auf die Wiedergabe des Körpers und suchen in ihren Zeichnungen Proportion, Volumen, Verkürzung und Überschneidung zu bewältigen. Schon unter Zeitgenossen sind Zeichnungen von Leonardo, Michelangelo und Raffael beliebte Sammlerobjekte. In der Sammlung Herzog Alberts von Sachsen-Teschen nehmen die rund 3300 italienischen Zeichnungen nach den deutschen und den niederländischen zahlenmäßig den dritten Rang ein.
Neben den italienischen Meistern der Renaissance liegt ein weiterer Sammlungsschwerpunkt Herzog Alberts im italienischen Barock und Spätbarock. Federico Baroccis ausdrucksstarke Pastellstudien bezaubern auch heute noch ebenso wie die Pinselzeichnungen von Giovanni Battista Tiepolo, der als Meister der Reduktion mit einfachen Mitteln maximale Wirkung erzeugt.
1776 unternehmen Herzog Albert und Erzherzogin Marie Christine eine mehrmonatige Italienreise, von der sie eine Fülle von Kunstwerken mit nach Hause bringen. Zu den beliebten Souvenirs zählen damals Veduten, die auch in späteren Jahren von Herzog Albert in großer Menge erworben werden. Zu den schönsten Beispielen zählen die vermutlich mithilfe einer Camera obscura erstellten Stadtansichten des Venezianers Canaletto, oder die fantasievoll ausgeschmückten antiken Bauwerke Giovanni Paolo Panninis.
Im Sommer 1786 unternimmt das Statthalterpaar eine »Grand Tour« durch den Norden Frankreichs und besucht König Ludwig XVI. und Marie Antoinette, die Schwester Marie Christines. In Paris bewundert Albert vor allem die königlichen Sammlungen und berühmten Manufakturen. Er trifft Kunsthändler, Politiker und freimaurerische Brüder und diskutiert in den Salons die fortschrittlichen Prinzipien der Aufklärung, ohne die revolutionäre Brisanz der Ideale von Freiheit und Gleichheit zu erkennen. Am Vorabend der Revolution ist die Bewunderung des Volkes für die Königin bereits einer verächtlichen Kritik gewichen. Sogar das Statthalterpaar echauffiert sich über ihren dekadenten Lebensstil und zeigt sich über die Armut der Landbevölkerung entsetzt. Der Ausbruch der Französische Revolution am 14. Juli 1789 entfacht in den Österreichischen Niederlanden Revolten gegen die Reformen Kaiser Josephs II.. Herzog Albert zieht 1792 als Feldmarschall gegen die französischen Truppen in den Kampf. Er wird am 6. November in der Schlacht von Jemappes besiegt und das Statthalterpaar flieht nach Wien. Beim Abtransport der Möbel, Bücher und Sammlungen nach Dresden versinkt eines der Schiffe und ein Drittel ihrer Effekten geht verloren.
Krieg und Revolution vertreiben das Staathalterpaar aus den Österreichischen Niederlanden. Mit Kaiser Franz II. regiert nun eine neue Generation, die den staatlichen Pragmatismus vor dynastische Gepflogenheiten stellt. Er bestraft das Paar für die seiner Ansicht nach unautorisierte Flucht und entzieht seiner Tante ebenso wie Albert das Statthalteramt. Da er ihnen auch eine Rückkehr nach Brüssel verbietet, reklamiert Marie Christine als Entschädigung für die erlittenen Verluste ein standesgemäßes Logement in Wien.
1794 schenkt ihnen Kaiser Franz das Palais auf der Augustinerbastei – die heutige Albertina. Albert lässt das Gebäude zunächst für seine Grafiksammlung und die Bibliothek adaptieren und in der Folge durch einen Repräsentationsflügel erweitern. Die 150 Meter lange Fassade demonstriert dem nebenan in der Hofburg residierenden Kaiser eindrucksvoll die finanzielle Potenz und das Selbstwertgefühl des Herzogs. Die mitgenommenen Ausstattungsstücke aus Schloss Laeken wie Möbel, Fensterläden und Wandvertäfelungen werden in die neuen Prunkräume integriert. Seidenbespannungen aus Lyon, kunstvolle Intarsienböden und vergoldete Kristallluster ergänzen das prächtige Erscheinungsbild.
Zeichnungen und druckgrafische Werke des 15. und frühen 16. Jahrhunderts gehören zu den seltensten Stücken jeder grafischen Sammlung. Häufig tragen die auf uns gekommenen Blätter die Spuren ihres Gebrauchs in den Künstlerwerkstätten. Schon von daher galten sie oft als nicht sammelwürdig. Auch Albert von Sachsen-Teschen hatte einen planmäßigen Ausbau dieses Bereichs wahrscheinlich nie im Sinn: So sind gezeichnete Blätter des 15. Jahrhunderts in seiner Sammlung nur sporadisch vertreten, umso mehr aber die raren Drucke aus der Frühzeit des Mediums. Die Werke der frühen Kupferstecher sind in der Albertina so vollständig wie kaum anderswo vorhanden.
Als Herzog Albert 1796 an den kostbaren Handzeichnungsbestand der kaiserlichen Bibliothek gelangt, sieht er sich mit einem Schlag auch im Besitz der bedeutendsten jemals zusammengetragenen Sammlung von Zeichnungen Albrecht Dürers. Blätter wie die Betenden Hände oder der Feldhase, die gleichsam die Grenze zur Malkunst durchbrechen, genießen als »gezeichnete Bilder« seither Kultstatus. Neben Umfang und überragender Qualität trägt zum Ruhm des Bestandes auch seine Herkunft bei, die uns lückenlos bis in Dürers Nürnberger Werkstatt führt.
Im Jahr 1477 gelangt ein Teil der Niederlande in habsburgischen Besitz und wird fortan von Statthaltern regiert – zuletzt Herzog Albert von Sachsen-Teschen und Erzherzogin Marie Christine. Die Übersiedelung in die Österreichischen Niederlande 1781 eröffnet dem Paar beste Ankaufsmöglichkeiten.
War die spätmittelalterliche Kunst vor allem durch religiöse Inhalte geprägt, gibt nach 1500 die Auseinandersetzung mit der Antike und der italienischen Renaissance neue Impulse, sodass sich auch profane Bildthemen entwickeln. Hieronymus Boschs Baummensch dient nicht als Vorstudie für ein Gemälde, sondern wird bereits als Kunstwerk um seiner selbst willen geschaffen.
Von Pieter Bruegel dem Älteren kann Herzog Albert mehrere herausragende Blätter erwerben, ebenso Zeichnungen und Druckgrafiken von Vertretern des niederländischen Manierismus. Weitere hervorragende holländische und flämische Meisterwerke gelangen später über die Nachlässe der Sammler Ploos van Amstel und Gottfried Winckler in Alberts Besitz, sodass die 3.800 niederländischen Zeichnungen in seiner Sammlung schließlich einen besonders hohen Stellenwert einnehmen.
Im 17. Jahrhundert werden die Unterschiede zwischen der Kunst der protestantischen (calvinistischen) nördlichen Niederlande und dem katholischen Süden immer offensichtlicher. Während im habsburgisch regierten Flandern Peter Paul Rubens Kirchen und Höfe mit großformatigen Werken biblischen, historischen oder mythologischen Inhalts versorgt, erleben in der jungen holländischen Republik profane Themen wie Landschaften, Porträts, Genre- und Tierstücke sowie Stillleben eine einzigartige Blüte.
Von Rubens wissen wir, dass sein Zeichnungenfundus nach seinem Tod gesammelt aufbewahrt blieb. Wie dieses kostbare Konvolut letztlich nach Wien gelangte, ist bis heute unbekannt. 1796 kommen nicht weniger als 29 seiner Meisterblätter aus der Kaiserlichen Hofbibliothek an Herzog Albert. Für dessen Sammlung sind Arbeiten des schon zu Lebzeiten gefeierten flämischen Barockmeisters unentbehrlich.
Zur Zeit Herzog Alberts von Sachsen-Teschen erfährt auch der berühmteste aller holländischen Meister, Rembrandt Harmensz. van Rijn, höchstes Ansehen. In dem Inventar, das nach Alberts Tod erstellt wurde, sind unter dem Namen »Rembrandt« noch 141 Zeichnungen angeführt, die durch die kunsthistorische Forschung seitdem auf knapp über 40 eigenhändige Blätter reduziert wurden. Dennoch zählt der Bestand an Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis in der Albertina bis heute zu den bedeutendsten der Welt.
Von den rund 2000 französischen Zeichnungen, die Herzog Albert erwirbt, stammt rund die Hälfte von Künstlern des 18. Jahrhunderts. Die meisten dieser Blätter werden bei Händlern und Auktionen in Paris angekauft. Ein Aufenthalt bei Marie Christines Schwester, der französischen Königin Marie Antoinette, im Jahr 1786 mag dafür auch eine gute Gelegenheit geboten haben.
Mit dem französischen Rokoko verbindet man Anmut und Eleganz, grazile Figuren und galante Themen. Damals erlebt die Kreidezeichnung eine Blütezeit: Jean-Antoine Watteaus Skizzenblätter (»Gedanken in Rötel«) und François Bouchers weibliche Akte erfreuen sich unter zeitgenössischen Sammlern großer Beliebtheit. Honoré Fragonard, ein Schüler Bouchers, ist ein großer Bewunderer Rembrandts und führt die Technik der lavierten Pinselzeichnung in den 1770er-Jahren zu einem neuen Höhepunkt.
Im Zeitalter der Grand Tour, der in Adelskreisen üblichen Bildungsreise nach Italien, erfreuen sich Ansichten der italienischen Campagna und antiker Stätten großer Beliebtheit, darunter die fantasievoll ausgeschmückten Aquarelle von Charles-Joseph Natoire und Hubert Robert. Bereits am Übergang zum Klassizismus stehen die moralisierenden Blätter von Jean-Baptiste Greuze.
Nach dem Verlust des Statthalteramts und von Schloss Laeken legt Herzog Albert 1795 sein militärisches Kommando nieder. Sein Adoptivsohn Erzherzog Carl, der bereits als neuer Statthalter der Österreichischen Niederlande fungiert, wird ihm als letzter Reichsgeneralfeldmarschalls nachfolgen. Albert verfolgt die militärischen Erfolge seines Universalerben mit großem Interesse und lässt dessen Sieg in der Schlacht von Aspern (21./22. Mai 1809) gegen den unbesiegbar scheinenden Napoleon Bonaparte 1812 erstmals durch ein Gemälde heroisieren. 1810 nimmt er an der Trauungszeremonie seiner Lieblingsnichte, Erzherzogin Marie Louise, mit Napoleon in der Augustinerkirche teil, in der Carl den französischen Kaiser per procurationem vertritt. Albert wird auch die Ehre zuteil, als erster Nichthabsburger mit dem Großkreuz des österreichisch-kaiserlichen Leopold-Ordens ausgezeichnet zu werden. Die einschneidenden gesellschaftlichen Veränderungen nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches (1806) und die politische Neuordnung des nachnapoleonischen Europas auf dem Wiener Kongress (1815) nehmen auf das ruhige Leben des Privatiers, Sammlers und Connaisseurs keinen Einfluss mehr.
Am 24. Juni 1798 stirbt Erzherzogin Marie Christine im Alter von 56 Jahren in Wien. Einen Tag vor ihrem Tod verfasst sie einen berührenden Abschiedsbrief an ihren geliebten Albert. Sie bedankt sich für 32 glückliche Ehejahre, tröstet ihn ob des baldigen Verlustes, beteuert nochmals ihre innige Liebe und vertraut ihm das Wohl des Adoptivsohns Carl an. Der tief erschütterte Witwer erteilt Antonio Canova, dem berühmtesten Bildhauer der Zeit, noch im Sommer desselben Jahres den Auftrag, ein imposantes Grabmonument zu entwerfen. Die Errichtung eines Memorialbaues nach Ideen Pietro Nobiles bleibt Utopie. Canova gestaltet ein pyramidenförmiges Kenotaph, das neben dem Palais des Herzogs in der Augustinerkirche aufgestellt wird. Oberhalb eines allegorischen Trauerzugs lässt Albert auf dem ersten öffentlichen Grabdenkmal für eine Frau in Wien als Ausdruck seiner Liebe die Widmung »Uxori Optimae« (Der besten Frau) anbringen. Marie Christine verfügt testamentarisch den Bau einer Trinkwasserleitung zur Versorgung der Wiener Vorstädte. 12 Brunnen in Mariahilf und der Josefstadt bewahren der mildtätigen Fürstin bis weit ins 19. Jahrhundert ein Andenken im Wiener Stadtbild.
Herzog Albert überlebt seine geliebte Frau um 24 Jahre. Diese Zeit verbringt der belesene Connaisseur mit der Vervollständigung seiner Sammlungen oder auf Kur in Marienbad, wo er mit illustren Gesellschaften die Erinnerung an das Ancien Régime wiederbelebt. Er erscheint seinen Zeitgenossen als ein Geist aus längst vergangenen Zeiten, dessen schrullige Meriten mehr und mehr belächelt werden. Seine einzigartige Grafiksammlung erklärt er am 18. Juni 1816 zum Fideikommiss, der als unteilbares und unveräußerbares Gut an die ihm nachfolgenden Herzöge von Teschen fallen wird. Marie Christine hat 1791 ihren Neffen Erzherzog Carl an Kindes statt angenommen und zum Universalerbe erklärt. Diese Adoption garantiert den Verbleib ihres umfangreichen Vermögens in der Familie Habsburg. Herzog Albert erkennt ihre testamentarisch Verfügung an, weshalb er Titel und Einkünfte nach dem Tod seiner Frau behalten darf. Nach Alberts Ableben am 10. Februar 1822 verfügt Erzherzog Carl über ein riesiges Barvermögen sowie ausgedehnte Besitzungen in den Ländern der Monarchie. 1826 bestätigt er im erweiterten »Carl Ludwig’schen Fideikommiss« die Untrennbarkeit der Grafiksammlung mit dem sie beherbergenden Palais auf der Augustinerbastei.
Wie kein anderer Sammlungsbereich ist jener der »modernen« Meister des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts von der Persönlichkeit Herzog Alberts geprägt. In den beiden letzten Jahrzehnten seines Lebens konzentrierte er sich zunehmend auf den Erwerb zeitgenössischer Künstler. Quer durch alle westlichen Nationen umfassen die »modernen« Werke ungefähr ein Drittel der herzoglichen Zeichnungssammlung, die Deutschen stellen dabei den Hauptteil. Dem Zeitgeschmack entsprechend sammelt Herzog Albert wie im Bereich der alten Meister vor allem bildhaft ausgearbeitete Zeichnungen. Sorgfältig laviert oder koloriert wirken diese großformatigen Blätter wie Gemälde. Sie werden von Vornherein nicht als Entwürfe und Skizzen verstanden, sondern zum Verkauf vorgesehene »Bilder auf Papier«.
Die zeitgenössische Kunst in Herzog Alberts Sammlung vereint so gegensätzliche Strömungen wie Klassizismus, Romantik und Realismus: Die Kunst des Klassizismus mit ihrem berühmtesten Vertreter Jacques-Louis David entwickelt sich im späten 18. Jahrhundert als Gegenströmung zum Rokoko. Ihre idealisierende Formensprache ist von der klaren Linie, dem präzisen Umriss der Gestalten geprägt, nicht vom malerisch-diffusen Effekt. Als höchste Aufgabe der Kunst gilt dem Klassizismus die Darstellung erhabener Themen aus der Geschichte. Der Kunstschriftsteller Johann Joachim Winckelmann (1717–1768) erfindet dafür die Maxime von »edler Einfalt und stiller Größe«. Kunst sollte demnach nicht dem ästhetischen Genuss, sondern der moralischen Erziehung dienen. Als besonders geeignet gelten dafür Themen aus der Antike, die auf Patriotismus und Heldentum zielen.
Den Gegenpol dazu bildet die Landschaftsmalerei der Romantik: Ihr Hauptvertreter Caspar David Friedrich nähert sich der Erhabenheit der Natur mit großer Empfindsamkeit. Die stimmungsvollen Ideallandschaften Martin von Molitors sind mehr der Tradition des holländischen 17. Jahrhunderts mit atmosphärischen Wolken- und Lichtstimmungen verpflichtet. Zusammen mit den Ansichten Adrian Zinggs aus Alberts einstiger Heimat Sachsen leiten sie zu der jüngeren Malergeneration über. Der unbestechliche Realismus eines Jakob von Alt steht der romantischen Mystik Friedrichs ebenso fremd gegenüber wie der gegenwartsferne antike Pathos des Klassizismus. Alt beschreibt das Treiben auf der Landstraße und den Blick auf Wien in einem konkreten Augenblick.
Zur Ausstellung sind als Kataloge ein Sammlungsband und ein Aufsatzband erschienen
Quelle:
Pressemappe zur Ausstellungseröffnung