Fossilienwelt Weinviertel#
2100 Stetten bei Korneuburg/Niederösterreich 2100 Stetten bei Korneuburg
Schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sind die Fossilvorkommen des Korneuburger Beckens bekannt. Beim Abbau von Sand und Ziegelton konnten immer wieder interessante Reste des Lebens aus einer Zeit 16,5 Millionen Jahre vor heute geborgen werden. Am Teiritzberg (Gemeinde Stetten bei Korneuburg/N.Ö) befand sich bis nach dem Zweiten Weltkrieg eine Ziegelei.
Erst 1975 begann eine Gruppe von Sammlern mit detaillierten Fundortaufnahmen und systematischen Grabungen unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Kriterien. Daraus entstand das "Projekt Teiritzberg", in dem der Korneuburger Verein "Freunde der Mineralien und Fossilien" unter der Leitung von Dr. Wolfgang Sovis eine umfangreiche Dokumentations- und Sammeltätigkeit entwickelte.
Das Korneuburger Becken ist eine kleine, etwa 20 km lange und 7 km breite, geologische Struktur. Es entstand im Miozän vor mehr als 19 Millionen Jahren durch Zerrungskräfte, die während der alpinen Gebirgsbildung auch die Bildung des Wiener Beckens auslösten.
Die Hauptsedimentations-Phase im Korneuburger Becken setzt erst im Karpatium vor ca. 17 Millionen Jahren ein. Nun beginnt der Untergrund rasch abzusinken. Gleichzeitig liefern Flüsse genug Sand und Schlamm, um dieses Absinken auszugleichen. Obwohl das Becken im Laufe der Zeit hunderte Meter absinkt, bleibt das Meer daher immer sehr seicht und wird kaum tiefer als 20-30 Meter.
Vor 16 Millionen Jahren endete das Absinken des Untergrundes. Das Meer zieht sich aus dem Korneuburger Becken zurück. Die nächsten nachweisbaren Sedimente stammen erst wieder von Mäandern der Donau-Vorläufer, die während der wärmeren Episoden der Eiszeiten das Korneuburger Becken bedeckten. Sie sind etwa 120.000 Jahre alt.
Nur dem geologischen Zufall ist es zu verdanken, dass bei Stetten ein Teil der Sedimente zwischen den Flyschketten geschützt überdauert hat. Lediglich an einer Stelle vermuteten die Wissenschafter ein letztes zusammenhängendes Riff. Immer wieder tauchten nämlich einzelne Schalen entlang der Geländekante der ehemaligen Ziegelei Stetten auf. Die ursprünglich horizontalen Ablagerungen wurden durch gebirgsbildende Kräfte um 24° verkippt.
Die erste Grabung 2005 fand unter freiem Himmel statt. Die Austern wurden nur oberflächlich freigelegt. Erst 2008, unter dem schützenden Hallendach, erfolgte die endgültige Freilegung.
Erste Probegrabungen brachten im Frühjahr 2005 keine eindeutigen Erkenntnisse. Der relativ kleine Bagger musste in einer Prospektionstiefe von vier Metern aufgeben, ohne überhaupt in die Nähe der Austern gekommen zu sein. Erst im Sommer gelang es mit schwerem Gerät, eine Fläche von über 300 m2 abzugraben. Mit größter Vorsicht arbeitete sich der Bagger bis auf etwa 40-60 cm über die Austernlage vor - danach wäre das Risiko, die Fossilien zu zerstören, zu groß gewesen. Die schräg nach Westen geneigte Fläche musste dabei bis zu sechs Meter tief abgegraben werden. Der anfallende Aushub türmte sich bald zu einem Berg, der schon von der Autobahn aus sichtbar war. Nun begann die eigentliche Arbeit.
Erst in der zweiten Grabungswoche bekamen die Forscher die ersten Austern zu Gesicht. 20 Erdwissenschafter begannen, Reihe um Reihe zu präparieren. Anschließend wurde Quadrant für Quadrant dokumentiert und fotografiert. Mehr als 15.000 Riesenaustern bedeckten schließlich die freigelegte Fläche. Die Schalen liegen dicht, aber ungeordnet in einer nur 15 cm dicken Schicht.
Das Austernriff#
Der Nachweis war erbracht: Das größte fossile Austernriff der Welt liegt am Teiritzberg bei Stetten. Die Idee zur Fossilienwelt Weinviertel war geboren. Nun mussten Sponsoren für das Projekt gefunden werden. Bis dahin war das Austernriff aber vor Witterung und Raubgräbern zu schützen. Für fast drei Jahre verschwand die Grabungsfläche wieder unter einer dicken Schicht aus Folien, Brettern und Sand.
Im Rahmen einer ersten Machbarkeitsstudie wurden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abgesteckt, architektonische Entwürfe wurden angefertigt und schließlich ein Konzept erarbeitet, das die Vermittlung von wissenschaftlich erarbeiteten Inhalten populär darbieten sollte. Infotainment war das Schlagwort - Information und Wissensvermittlung, jedoch lustvoll und spannend, konsumierbar im Rahmen eines Halbtagesaufenthalts.
Schließlich war eine gemeinnützige Gesellschaft zu gründen, die das Projekt errichten und betreiben sollte - hier stellten sich die Standortgemeinde Stetten, die 10 Gemeinden der Kleinregion "10 vor Wien" und einige wichtige Mandatare der Region mit Know How und mit finanziellen Ressourcen zur Verfügung. Schließlich konnte noch die Raiffeisen Holding NÖ-Wien als wichtige stille Beteiligte gewonnen werden, und das Naturhistorische Museum übernahm unter der Leitung von Doz. Dr. Mathias Harzhauser die wissenschaftliche Betreuung des Projektes. Weiters engagierte sich eine Reihe von prominenten Sponsoren .
Erst danach folgte die Detailplanung. Das Ziel bestand darin, den Gästen Funde zeigen zu können und Möglichkeiten zu nutzen, die es in einem herkömmlichen Museum nicht geben würde: das Austernriff unter einer riesigen Halle auszugraben und vor Wind und Wetter zu schützen, einen lang gezogenen Schnitt durch das Gelände zu legen, um die Schichten so zu zeigen, wie sie vor 16,5 Millionen Jahren abgelagert wurden, und eine riesige überdimensionale Schnecke als Aussichtsturm zu errichten. Der Spatenstich für die Fossilienwelt Weinviertel erfolgte am 20. November 2007 in Beisein von Niederösterreichs Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll.
Nachdem die Finanzierung gesichert war, konnte im Herbst 2007 mit dem Bau der schützenden Halle begonnen werden. Im Frühjahr 2008 startete schließlich die finale Freilegung des Naturdenkmals. Über 15.000 Arbeitsstunden waren nötig, um in 3 Monaten die Grabung abzuschließen. Über 5.000 Scheibtruhen Sand waren aus der Halle zu transportieren. Rund 200 freiwillige Mitarbeiter mussten koordiniert werden.
Damit war diese Aktion die größte paläontologische Grabung, die je in Österreich durchgeführt wurde. Den letzten Schliff erhielt das Austernriff im Frühjahr 2009, nach Abschluss der Bauarbeiten, durch die Präparatoren des Naturhistorischen Museums.
Nach und nach wurde auch ein Eingangsgebäude mit Information, Shop und Cafeteria errichtet, der Schnitt durch den Berg fertig gestellt, die Austernhalle mit der entsprechenden medialen Inszenierung versehen und eine große Aussichtsschnecke als 100-fache Vergrößerung einer Turritella-Turmschnecke, wie sie am Teiritzberg häufig gefunden werden kann, errichtet.
Der frei zugängliche Aussichtsturm ist eine architektonisch sehr interessante Holzkonstruktion, die auch im Inneren das Schneckenmotiv wiedergibt. Ein Abenteuerspielplatz und ein Schürffeld zum Fossilien-Selbersuchen ergänzen das Angebot.
Literatur#
- Mathias Harzhauser, Wolfgang Sovis, Andreas Kroh:Das verschwundene Meer, Naturhistorisches Museum, Wien, 2009
Weiterführendes#
- WZOnline/APA: Austernriff in Korneuburg als Fenster in Vergangenheit (Essay)
- Tempfer, P.: Die Perlentaucher von Korneuburg (Essay)
Web-Links#