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TU Graz entwickelt Screeningsystem für Lungengeräuschanalyse #

Das Mehrkanal-Aufnahmegerät für krankhafte Lungengeräusche und die dazugehörige automatische Geräuschanalyse könnten bestehende Screening-Methoden zur Früherkennung zum Beispiel von Covid-19-Infektionen unterstützen. Hierfür benötigt es nun klinische Daten und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. #

Der an der TU Graz entwickelte Prototyp eines Lungengeräusch-Aufzeichnungssystems erlaubt qualitativ hochwertige Aufnahmen von Lungengeräuschen, anhand derer Lungenkrankheiten und pathologische Lungenzustände objektiver beurteilt werden können., Foto: pixabay.com
Der an der TU Graz entwickelte Prototyp eines Lungengeräusch-Aufzeichnungssystems erlaubt qualitativ hochwertige Aufnahmen von Lungengeräuschen, anhand derer Lungenkrankheiten und pathologische Lungenzustände objektiver beurteilt werden können.
Foto: pixabay.com

Es pfeift, es zischt, es rasselt: Unser Körper gibt laufend Geräusche von sich, die (zum Glück) nicht immer mit dem freien Ohr hörbar sind. Das Auftreten bestimmter Geräusche oder Änderungen in den normalen Tönen kann ein Hinweis auf Erkrankungen sein. Am Beispiel der Lunge hat sich ein Forschungsteam der TU Graz intensiv mit der Geräuschaufzeichnung und der Entwicklung von computergestützten Analysemethoden als Ergänzung für die medizinische Diagnose befasst. Die Arbeiten mündeten vor einigen Monaten in einem Prototypen eines Mehrkanal-Aufnahmegeräts und der laufenden Entwicklung eines dazugehörigen computergestützten Diagnosesystems. Die Gruppe rund um Franz Pernkopf vom Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation will das System nun für das Screening von Covid-19-Erkrankten weiterentwickeln. Dafür brauche es Geräuschaufnahmen von Covid-19-positiven Personen in klinischer Behandlung. Aktuell liegt dem FWF ein entsprechender Förderantrag für die Ausschreibung „Akutförderung SARS-CoV-2“ zur Prüfung vor.

Objektive Geräuschbeurteilung als Diagnosehilfe#

Akustische Anomalien in der Lunge sind oft schwer von normalen Lungengeräuschen und anderen Körpergeräuschen wie Herz- und Darmgeräuschen, Sprache oder Husten zu unterscheiden. Die kurz andauernden Geräusche haben eine relativ geringe Amplitude und liegen im tiefen Frequenzbereich, wo das menschliche Gehör eine begrenzte Empfindlichkeit hat und anfällig für Lärmartefakte ist. Das traditionelle Abhorchen mit einem Stethoskop hat daher Nachteile: Die Beurteilung der Lungengeräusche ist subjektiv und schwankt je nach Erfahrung des medizinischen Personals. Ein kontinuierliches Monitoring ist mit Stethoskop – ob real oder digital – nicht möglich.

Der an der TU Graz entwickelte Prototyp erlaubt hingegen qualitativ hochwertige Aufzeichnungen von Lungengeräuschen, anhand derer Lungenkrankheiten und pathologische Lungenzustände objektiver beurteilt werden können. Das ermöglicht eindeutigere Untersuchungsergebnisse und dadurch optimalere Therapien. Pernkopf erklärt die Technik dahinter: „Das Lungengeräusch-Aufzeichnungssystem (lung sound recording system; LSRS) ist mehrkanalig und mit sehr leistungsstarken mikro-elektromechanischen Mikrofonen (MEMS) ausgestattet. Die Aufzeichnung der Lungengeräusche erfolgt nicht-invasiv: Der Patient oder die Patientin legt sich einfach in Rückenlage auf das Gerät.“ Dieses zeichnet in insgesamt 16 Kanälen die Lungengeräusche während der Atmung auf. Ganz entscheidend sind die Dämpfung von Umgebungs- und anderweitiger Körpergeräuschen und die Qualität der aufgezeichneten Lungensignale.

Datensammlung für automatische Diagnose#

Das LSRS erfasst Lungengeräusche in einer derart guten Tonqualität, dass die Forschenden an einer computergestützten automatischen Lungengeräuschanalyse arbeiten können. Dafür braucht es zunächst eine Menge Daten, anhand derer das System lernen kann. Eine klinische Studie soll zu entsprechend großen Datensätzen gesunder und pathologischer Lungenaufnahmen verhelfen. „Vorrangig konzentrieren wir uns auf die Lungengeräusche, die mit Lungenentzündungen, Bronchitis, Rippenfellentzündungen, idiopathischen Lungenfibrosen und systolischer Herzinsuffizienz einhergehen“, sagt Pernkopf und führt weiter aus: „Dabei brauchen wir Lungengeräusch-Aufnahmen von Menschen aller Geschlechter, verschiedener Altersgruppen und mit unterschiedlichem Body-Mass-Index.“ Derzeit ist für die Datensammlung eine klinische Studie in Zusammenarbeit mit der Medizinischen und Pharmazeutischen Universität in Ho-Chi-Mhin-Stadt in Vorbereitung. Eine Vorstudie zu Geräuschen, die mit der Idiopathischen Lungenfibrose einhergehen, hat bereits in Zusammenarbeit mit der Med Uni Graz stattgefunden (Freyja Smolle-Jüttner, Klinische Abteilung für Thorax- und hyperbare Chirurgie und Horst Olschewski, Klinische Abteilung für Pulmonologie).

Eine Anpassung des Systems an Covid-19 typische Lungengeräusche benötigt entsprechende Aufnahmemöglichkeiten bei infizierten Personen. „Da sind wir freilich nicht an Aufzeichnungen von Lungengeräuschen aus dem Vietnam gebunden. Es ist aber eine Kostenfrage, wie schnell wir hier weiterkommen. Wir hoffen daher sehr auf die Mittel aus dem FWF-Topf und sind zuversichtlich, dass wir unseren kostengünstigen Screening-Ansatz für Lungenkrankheiten – auch für jene im Zuge von Covid-19-Erkrankungen – anbieten können“, sagt Pernkopf.

Ergänzungstool im Pre-Screening#

Ursprünglich wurde das System mit Blick auf geografische Gebiete mit fehlendem Zugang teuren Diagnoseverfahren wie MR oder CT entwickelt. „Aber auch in Ländern mit grundsätzlich gut ausgestatteten klinischen Umgebungen wie wir sie hierzulande haben, kann das System eine große Erleichterung sein: nämlich im Pre-Screening. Am Beispiel der aktuellen Covid-19-Pandemie könnte das heißen, dass im Zuge von Massentests auch die Lungengeräusche analysiert werden. „Es ist eine Frage der Ausreifung des gesamten Systems und der Verfügbarkeit von Referenzdaten. Ist beides gegeben, ließe sich unser System auf mehrere Lungenerkrankungen hin adaptieren“, so Pernkopf, der gleichzeitig betont: „Idealerweise geschieht dies in Zusammenarbeit mit interdisziplinären Forschungsgruppen aus den Bereichen Medizin und Technik, deren Arbeit in eine ähnliche Richtung geht. Wir sind dankbar für ergänzende Inputs und offen für mögliche Kooperationen“.

Diese Forschung ist an der TU Graz in den Fields of Expertise „Information, Communication and Computing“ sowie „Human & Biotechnology“ angesiedelt, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern.

Kontakt#

Franz PERNKOPF
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.mont.
TU Graz | Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation
Tel.: +43 316 873 4436
pernkopf@tugraz.at


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