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Wie und wann sind die slowakischen Nationalsymbole entstanden?#

von Dr. Dusan Skvarna

Auf Sportveranstaltungen stehen Fans – Österreicher eher beim Skilaufen, Slowaken eher beim Hockey, beide beim Fußball – mit Fahnen, singen oder lauschen ihren Hymnen und erleben das Gefühl einer irrationalen Einheit. Dieses Gefühl entsteht, weil Fahne und Hymne Symbole darstellen. Symbole sind ein rein menschliches Phänomen, der Mensch lebt dauerhaft in einer Welt von Symbolen. Und Symbole spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Erhaltung der Identität der Menschen – der persönlichen, familiären, regionalen, religiösen, der Vereinsidentität, der nationalen Identität und anderer. Gerade die nationalen, konkret die slowakischen Symbole werden das Thema meines Beitrages sein.

Nationalsymbole sind ein vergleichsweise neues Phänomen. Sie begannen sich im 18. Jahrhundert herauszubilden, als Europa einen neuen Weg der Zivilisation beschritt; am intensivsten entwickelten sie sich aber in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. In dieser Zeit löste sich die alte Standesgesellschaft auf und es begannen sich die Grundlagen einer neuen, bürgerlichen Gesellschaft zu formen. Die Ideen der Gleichheit und Freiheit des Menschen eröffneten den Weg für eine neue, nationale Zusammengehörigkeit. Nicht nur der Bürger, sondern auch das Volk wird zu einem wichtigen, ja heiligen Wert. Es bildete sich die Überzeugung heraus, dass jedes Volk ein einzigartiges Ganzes darstellt und seine eigene Identität und Kultur besitzt.
Die nationale Identität stützte sich auf verschiedene Instrumente – Mythen, Symbole, Rituale, politische Ideologien, historische Traditionen, Selbstbild und Bild der Nachbarn u.a. Eine wesentliche integrierende Rolle spielten verständliche und Emotionen auslösende Symbole. Sie schwächten die sozialen, regionalen bzw. konfessionellen Unterschiede innerhalb ihrer Ethnie ab und stärkten in ihr das Gefühl der Zusammengehörigkeit und Einheit. Während sie integrierend und harmonisierend auf das eigene Volk wirkten, wirkten sie den Nachbarn gegenüber eher desintegrierend. Symbole kreierten ein wirkungsvolles Bild des eigenen Volkes, sie hoben seine positiven Eigenschaften, seine ruhmvolle Geschichte hervor, ebenso schufen sie eindrucksvolle Bilder von den traumatischen Momenten in seinem Leben – Unrecht, Unterdrückung, Leid. Damit trugen auch die Symbole zur nationalen Atomisierung Europas, zur Vergrößerung der Unterschiede zwischen den in einem geopolitischen Raum lebenden Völkern bei.
Die Schaffung von Nationalsymbolen erfolgte unter dem Einfluss einer Reihe von gegenwärtigen und historischen Momenten. Sie waren ständig konfrontiert mit der Umgebung, vor allem mit den Symbolen der Nachbarvölker. So wurden die slowakischen Symbole dem magyarischen, dem tschechischen, dem slawischen, weniger dem deutschen Kontext angeglichen. Bei der Gestaltung der Symbole spielten auch konfessionelle Werte, die Stellung der nationalen Idee in dem bestehenden Staat und historische Traditionen eine Rolle. In das Pantheon der Symbole gelangten auch bedeutende Persönlichkeiten der Gegenwart, national gefärbte Konflikte, Naturerscheinungen, kulturelle Erzeugnisse. Zu Nationalsymbolen erhoben wurden verschiedene regionale Erscheinungen sowie Werte der Volkskultur.

Ausgehend von diesem theoretischen Rahmen werde ich Ihnen die typischsten und wichtigsten slowakischen Symbole vorstellen, so wie sie sich im Laufe des 19. Jahrhunderts herausgebildet haben.

1. Mit der Geschichte verbundene Symbole

Zu den wichtigsten Instrumenten zur Schaffung nationaler Identität gehörte die Vergangenheit. In allen nationalen Kulturen wurden aus der Vergangenheit jene Momente ausgewählt, die einerseits an die eigene Altertümlichkeit, den Ruhm, die Staatlichkeit und andererseits an Bedrückung und Erniedrigung auf der anderen Seite erinnerten. Slowakische und magyarische Patrioten und eine breitere Öffentlichkeit bekannten sich zu mehreren gemeinsamen ungarischen Symbolen – so etwa dem Kult der ungarischen Könige und Heiligen. Gleichzeitig aber kultivierten slowakische Patrioten ein eigenes historisches Gedächtnis. Sie hoben jene geschichtlichen Momente hervor, die sie als Erfüllung der slowakischen Eigenständigkeit verstanden, und zwar vor allem:

1. Großmähren, ein Staatsgebilde, das im 9. Jahrhundert bestand. Großmähren wurde als Staat der Slowaken (bzw. der Slowaken und Mährer) verstanden und so verwundert es nicht, dass er in der slowakischen Symbolik einen zentralen Platz einnahm. Von den Politikern wurde ein  Symbol vor allem Fürst Svatopluk, der als slowakischer Herrscher bezeichnet wurde. Von seiner Bedeutung zeugt die Tatsache, dass Ende des 18. Jahrhunderts seine erste, natürlich idealisierte Darstellung (Stich) geschaffen wurde. Einen weiteren Typ großmährischer Symbole bildeten die Glaubensapostel Kyrill und Method. Von diesen griechischen Heiligen begann man die Anfänge der slowakischen und slawischen Kultur herzuleiten. Ihr Kult erstarkte hauptsächlich seit 1863, als in Mähren und in der Slowakei großartige Millenniumsfeiern ihrer Ankunft in Großmähren stattfanden.

2. Der egoistische Magnat Matúš Cák (Matthäus Csák), der sich Anfang des 14. Jahrhunderts die Anarchie der königlichen Regierung in Ungarn zunutze machte und von Trencín (Trentschin) aus einen beträchtlichen Teil der heutigen Slowakei allein regierte, die Zentralmacht ignorierend. In den Augen slowakischer Romantiker war Cák jedoch ein mittelalterlicher slowakischer Herrscher, der die Schaffung eines „Reiches im Tatraland“ anstrebte. Damit stellte die slowakische Historiographie den magyarischen Mythen vom magyarischen Charakter Ungarns eigene, Ungarn slowakisierende Mythen entgegen..

2. Wichtige Persönlichkeiten der Gegenwart oder der jüngsten Vergangenheit

Sehr oft wurden auch bedeutende Persönlichkeiten zu Symbolen – Politiker, Gelehrte, Künstler. Diese Personen  wurden idealisiert und verkörperten so positive Werte und Eigenschaften. Ihre Porträts hingen häufig in den Zimmern der Patrioten. Im slowakischen Fall wurden nach und nach zu Symbolen solche Persönlichkeiten wie der Kodifikator der ersten slowakischen Schriftsprache Anton Bernolák, der Schöpfer „Panslawiens“ Ján Kollár und bald nach seinem Tod auch der Hauptideologe und Organisator der Nationalbewegung Ludovít Štúr. Eine gewisse symbolische Bedeutung erlangte auch der bekannte Abenteurer Móric Benovský, präsentiert als Mann der Courage, bzw. Kardinal Alexander Rudnay. Mitte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesellten sich weitere Persönlichkeiten zu ihnen.

3. Symbole natürlichen Charakters  (Natursymbole)


Seit Beginn des 19. Jahrhunderts verlor die Natur ihre neutrale Bedeutung und wurde für Romantiker ein Seltenheitswert, der den Geist des Volkes getreu widerspiegelt. In jeder Kultur nahmen Symbole, verbunden mit typischen Naturmerkmalen, eine wichtige Stelle ein. Die Tatsache, dass die Slowakei zu einem Großteil aus Gebirgs- und Hügelregionen besteht, fand ihren Niederschlag auch in der Symbolik. Die slowakischen Patrioten priesen jene Merkmale der slowakischen Natur, durch die sich die Slowaken von den Magyaren, die hauptsächlich im Flachland lebten, differenzieren konnten. Die Tatra erhoben sie zu einem der beeindruckendsten und typischsten Symbole. Sie wurde häufig zum Synonym der Slowakei. Natürlich zeigt sich auch in diesem Fall eine gewisse Idealisierung. Man schrieb der Tatra eine magische Kraft,  Unbeugsamkeit, Stolz, Stetigkeit zu. Eine solche Hyperbolisierung des Eigenen wurde häufig noch hervorgehoben durch den Hinweis auf Negativa des Nachbarn. Zum Beispiel sah Štúr den Kontrast der Tatra und der Alpen darin, dass „die Tatra nicht dunkel, finster wie die germanischen Alpen, sondern würdevoll, hell, gnädig“ ist. Allmählich nahmen auch andere Naturerscheinungen, vor allem die Berge, symbolische Funktionen an. Das betraf vor allem die Polana in der Mittelslowakei, den von Legenden umwobenen Sitno über Banská Štiavnica, den Zobor, der sich über Nitra erhebt und mit Großmähren in Verbindung gebracht wird. Aber vor allem mit dem Kriván in der Hohen Tatra. Man begann Manifestationsaufstiege zum Kriván zu unternehmen, manchmal mehrere, Anfang des 20. Jahrhunderts waren es mehrere Hundert Menschen. Das waren Manifestationen der nationalen Einheit, sie erinnerten eher an Prozessionen als an gewöhnliche Ausflüge.
Unter dem Einfluss der Tschechen betrachteten die slowakischen Patrioten die Linde als Symbol der Slawen und Slowaken, der sie im Gegensatz zu der „nutzlosen“ germanischen Eiche positive Eigenschaften zuschrieben. Zu Symbolen wurden auch einige Flüsse, vor allem die Donau. Die Donau wurde als majestätisches Bindeglied zwischen den Slawen und als Grenze, die die Slowaken symbolisch von den Magyaren trennte, wahrgenommen.

4. Inspirationen durch die Volkskultur und das Milieu

Die romantischen Patrioten begeisterten sich nicht nur für Dörfer und Natur, sondern auch für die Volkskultur. Ihnen zufolge spiegelte die Volkskultur die ureigensten Merkmale des Volkes wider und sollte den Ausgangspunkt der sogenannten Hochkultur bilden. Viele Werte, die im Volksmilieu entstanden, wurden nach und nach zu Nationalsymbolen erhoben. Im slowakischen Fall galt das vor allem für folgende:

1. Die romantische Sicht der Welt bewunderte den Heroismus, heroische Merkmale schrieb sie häufig exotischen Erscheinungen zu, zum Beispiel dem Räubertum. In der slowakischen Kultur konzentrierte sich dieser Heroismus schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts in der Gestalt des Jánošík, eines Räubers, der1713 hingerichtet wurde. Dieser Nationalheld personifizierte edle Sehnsüchte – Widerstand /Trotz/ gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung, Kraft, Freiheit und Schönheit.

2. In das Blickfeld der slowakischen Intelligenz geriet die bis dahin marginale Hirtenkultur. Vor allem der Berghirte / Senner, der in den Bergen lebende Schäfer, wurde von ihnen als typischer Slowake bezeichnet. Mit der Zeit vermischten sich die Räubergestalten, vor allem Jánošík, ferner der Berghirte bzw. der freie und heldenhafte Jüngling Detvan, den ein künstlerischer Genius gebar, auf verschiedene Weise miteinander und es entstand eine Welt von idealen, mit den edelsten Eigenschaften und Fähigkeiten begabten Gestalten.

3. Als ein typisches Merkmal der Slowaken galten auch die Holzhäuser, in denen man in den Gebirgsgegenden wohnte.

4. Symbolische Funktionen erhielten auch weitere Erscheinungen der Volkskultur – Trachten, Lieder, Tänze. In ihrem Fall kristallisierten sich allerdings nicht mehrere dominante Symbole heraus, sondern sie bildeten als Ganzes ein Symbol.

Die Fujara, Foto: Igor Chyra, Aus: Wikicommons unter CC
Die Fujara
Foto: Igor Chyra
Aus: Wikicommons unter CC
5. Ein originales Musikinstrument war und ist die Fujara. Diese lange Flöte war nur in einer einzigen Lokalität der Slowakei bekannt, daher hoben Publizistik und Poesie die Einzigartigkeit der Fujara hervor und diese wurde häufig zum Attribut des Räubers bzw. des Berghirten. Zu einem Nationalsymbol wurde sie erst im 20. Jahrhundert, vor allem in den letzten Jahrzehnten.

6. Im Bereich der Gastronomie  kristallisierte sich lange Zeit kein die Slowaken symbolisierendes Gericht heraus. Im 19. Jahrhundert wurden meist Gerichte aus Kartoffelnocken und Liptauer Käse als typisch slowakisch bezeichnet. Diese Bryndzové halušky waren nur eines solcher Gerichte, zum Symbol wurden sie erst im Laufe des 20. Jahrhunderts. In die Gaststätten gelangte dieses Gericht vor allem dank der Tschechen, die in der Slowakei arbeiteten oder als Touristen hierher kamen.

7. Oftmals symbolisierten auch Berufe die Völker. Neben dem Berghirten nahmen im 19. Jahrhundert die umliegenden Kulturen die Slowaken als Volk von Drahtbindern wahr. Sogar die erste tschechische Nationaloper von 1824 trägt den Titel  “Drotár“ (Der Drahtbinder) und in Wien wurde 1850 eine Theatervorstellung gegeben mit dem Titel „Der Slowake“, der einen jungen Drahtbinder darstellt. Die Drahtbinderei wurde nur in der Region im Nordwesten der Slowakei betrieben. Zur Identifizierung der Slowaken mit Drahtbindern kam es dank der Tatsache, dass Drahtbinder herumziehende Handwerker waren. Sie gelangten in alle Länder der Habsburgermonarchie und konzentrierten sich vor allem in den Großstädten. Deutsche, Tschechen, Magyaren lernten die Slowaken so häufig nur über die Drahtbinder kennen. (Anm.: Drahtbinder stellten Gebrauchs- und Schmuckgegenstände aus Draht her).
Die Slowaken wurden als Volk der Drahtbinder in den Augen der Nachbarn bisweilen idealisiert (redlich, bescheiden, arbeitsam), mitunter ironisiert (dumm, schmutzig).

5. Städte und Architektur als Nationalsymbol

Im 19. Jahrhundert wurden auch bedeutende Städte zu Nationalsymbolen. Neben den Hauptstädten der Länder und den Kulturzentren waren es häufig historische Städte, mit denen eine ruhmreiche Vergangenheit oder bedeutende Ereignisse verbunden waren. Im slowakischen Fall konzentrierte sich die Bewunderung vor allem auf Nitra (Neutra) als einem der Zentren Großmährens. Slowakische Patrioten hofften, dass Nitra an den alten Ruhm anknüpfen und auch in der Gegenwart zu einem nationalen Zentrum werden könne. Zum „Mekka der Nation“ wurde indes nicht Nitra, in der widrigen Zeit des Dualismus wurde das unbedeutende Städtchen Turciansky Svätý Martin (Turz-Sankt Martin) zum Hauptzentrum der slowakischen Kultur und Politik.
Zu einem markanten Symbol wurde auch eine weitere historische Lokalität – die Burg Devín (Theben) am Zusammenfluss von Donau und Morava (March). Sie wurde als Denkmal der ruhmreichen Vergangenheit und Freiheit der Slowaken zur Zeit Großmährens sakralisiert. Ausflüge zu den Ruinen des Devín unternahmen Pressburger Studenten, die sich hier demonstrativ nationale Namen gaben.  

6. Als  letzte stelle ich Symbole vor, die heute Staatssymbole der Slowakischen Republik sind.

Bild 'sk'
1. Das älteste von ihnen ist das Wappen – ein Doppelkreuz auf drei Hügeln. Es entstand schon im Mittelalter und bildete eine Hälfte des ungarischen Wappens (die andere Hälfte bildeten die sog. Árpádenstreifen). Jahrhundertelang bezeichnete es Oberungarn, die drei Hügel versinnbildlichten die drei Gebirge – Tatra, Fatra, Mátra. Nach dem Ausbruch der Revolution 1848 erhielt dieses historische Symbol einen neuen Inhalt. Damals wuchs die politische Funktion der Nationalsymbole. Die Kämpfe für bürgerliche Rechte, Demokratie, für nationale Freiheit begleiteten auch heraldische Symbole. Die Slowaken gründeten im Sommer 1848 in Wien ihr erstes politisches Organ – den Slowakischen Nationalrat, der an der Spitze des bewaffneten Auftritts gegen die magyarische Herrschaft stand. Der Slowakische Nationalrat verwendete ein eigenes Siegel mit Doppelkreuz und drei Hügeln. Das Wappen wurde so von einem territorialen Symbol zum Nationalsymbol der Slowaken modifiziert. Logischerweise wurde es nach der Gründung der Tschechoslowakei zu einem Bestandteil des Wappens des neuen Staates. Das ist es bis heute geblieben, mit Ausnahme der Jahre 1960–1989, als die kommunistische Regierung es durch ein Bergfeuer mit dem Kriván ersetzte. Mit diesem aufgezwungenen Symbol identifizierte sich aber die slowakische Gesellschaft nicht und nach 1989 kehrte sie spontan zu dem alten Doppelkreuz mit den drei Hügeln zurück.

2. Die große Mehrheit der Hymnen der heutigen mitteleuropäischen Staaten entstand in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das gilt für Rumänien, Kroatien, Slowenien, die Tschechische Republik, Polen und die Slowakei. Hymnische Lieder, erfüllt von Pathos, aber auch Entschlossenheit, erlebten im 19. Jahrhundert ihr goldenes Zeitalter. Auch in der slowakischen Kultur entstand eine Reihe hymnischer Lieder, drei davon wurden Nationalsymbole. Nach der Entstehung der Tschechoslowakei wurde eines von ihnen – Nad Tatrou sa blýska (Es blitzt über der Tatra) – Bestandteil der tschechoslowakischen Staatshymne und ist heute die Staatshymne der unabhängigen Slowakischen Republik. Schöpfer dieser Hymne waren zu Beginn des Jahres 1844 Studenten des evangelischen Lyzeums im damals dominant deutschen Bratislava (Pressburg).  Die Studenten sangen dieses Lied zum Zeichen des Protestes gegen die Abberufung ihres Führers Ludovít Štúr vom Posten des Pädagogen am Lyzeum

3. Die Staatsflagge der Slowakischen Republik ist relativ jung. Im Frühjahr 1848 bekundeten alle Nationalbewegungen ihre Ambitionen spontan unter ihren Nationalflaggen. Die Slowaken hatten in dieser Hinsicht kein historisches Vorbild. Im Frühjahr 1848 tauchten auf Versammlungen in mehreren Städtchen weiß-rote Kokarden und Flaggen auf, wie Tschechen und Polen sie hatten. Im August 1848 wehte in Wien – in dem Büro, wo sich die Freiwilligen zu dem erwähnten bewaffneten Aufstand versammelten – eine neue slowakische Flagge – die weiß-blau-rote Trikolore. Sie begleitete die slowakischen bewaffneten Feldzüge für die politische Ausgliederung der Slowakei als eines Kronlandes während des Jahres 1849. Im Jahr 1918 wurde sie offiziell zur Flagge der Slowakei. Während des kommunistischen Regimes, mit Ausnahme des Jahres 1968, durfte sie jedoch nicht benutzt werden. Nach der Gründung der heutigen Slowakischen Republik erfuhr sie eine Veränderung. In ihre Mitte wurde das Staatswappen eingesetzt, um sie von der russischen oder serbischen Flagge zu unterscheiden.

Im Schlussteil verweise ich auf einige allgemeine und aktuelle Aspekte der slowakischen Symbolik:

1. Die Entwicklung der slowakischen Symbole wies ähnliche Parameter auf wie die Entwicklung bei den umliegenden Ethnien, zugleich zeichnete sie sich durch eine Reihe spezifischer Elemente aus. Mit der Zeit wuchs die Anzahl der Symbole. Die slowakischen Symbole synthetisierten ungarische, slawische, tschechische und natürlich slowakische Anregungen und Inspirationen.

2. Die magyarischen Eliten identifizierten die traditionellen Symbole Ungarns mit den Magyaren und die slowakische Seite musste so nach Ersatzsymbolen suchen.

3. Die slowakische Elite konnte von Seiten des Staates keine Hilfe erwarten. In Ungarn wurden zu offiziellen Symbolen, vor allem während des Dualismus (der Doppelmonarchie) nur magyarische Symbole. Dank Politik, Schule, Propaganda, Kultur füllten die magyarischen Symbole den ganzen offiziellen Raum aus und wurden ebenfalls zu einem Instrument der Magyarisierung. Die Entwicklung der slowakischen Symbole spielte sich so vor 1918 unter deformierten Bedingungen ab. Schöpfer der slowakischen Symbole war eine kleine Elite von Intellektuellen, ihre Bewunderer und Empfänger aber nur eine kleine patriotische Gemeinschaft. Die Publizität der slowakischen Symbole war gering, sie entwickelten sich am Rande des offiziellen Lebens, hatten einen privaten Charakter, sie sprachen die breitere Öffentlichkeit nur sporadisch an, am intensivsten in Krisenmomenten  – während der Jahre 1848/1849, in den 50er  und 60er Jahren des 19. Jahrhunderts und vor dem 1. Weltkrieg. 

4. Die slowakischen Symbole wurden aber spontan von den Slowaken in den USA angenommen, die sich in den  freien Verhältnissen bürgerlich und national überraschend schnell emanzipierten. Ohne slowakische Symbole wirkte keiner ihrer Vereine, Zeitungen, Zeitschriften. Vor dem 1. Weltkrieg identifizierte sich mit ihnen praktisch die ganze, eine halbe Million zählende, slowakische Gemeinschaft in den USA.

5. Im Vergleich zu den magyarischen Symbolen waren die slowakischen wesentlich bescheidener, weniger monumental. Sie wurden von ungleichen Bedingungen beeinflusst. Vor 1918 waren Malerei, Theater, Politik nur sehr bescheiden an der Schaffung der slowakischen Symbolik beteiligt und  Bereiche wie Bildhauerei, ernste Musik, Oper erreichten sie überhaupt nicht. In die Mitte der Symbolik gerieten Symbole, verbunden mit Räubertum, Gebirgsnatur und Hirtenkultur. Schwach vertreten sind  sog. Kriegssymbole  (Heerführer, Krieger, Schlachten), Symbole verbunden mit der Verherrlichung  Ungarns und seiner Geschichte (Herrscher, Hofgesellschaft, Aristokratie), mit der Stadt und dem Adelsmilieu.

6. Ein größeres Gewicht als bei der Mehrheit der umliegenden Völker erlangten in der slowakischen Kultur Symbole mit volkstümlicher Provenienz, die Feier der niederen sozialen Schichten und der sozialen Gerechtigkeit, des Slawentums und der Mythus der Bescheidenheit. In größerem Ausmaß waren Symbole vertreten, die mehr mit Unterdrückung und Leid als mit Erfolgen und Siegen verbunden waren. Dieser Sachverhalt spiegelte die Situation der slowakischen Gesellschaft wider, zu der sich an der Wende des 19. und 20. Jahrhunderts nur ein Bruchteil der höheren Schichten bekannte, und die eine unverkennbare nationale Unterdrückung erlebte.

7. Die Entstehung der Tschechoslowakei im Jahr 1918 änderte die Position der slowakischen Symbole radikal. Endlich erlangten sie den Status der Offizialität (Anerkennung durch den Staat, Verwendung im Schulwesen, Armee u.a.). Sie erwarben auch eine Massenbasis und sprachen die ganze slowakische Gesellschaft an. Infolge dieser Verspätung wurden die slowakischen Symbole bis weit in das
20. Jahrhundert hinein gestaltet und bestätigt.

8. Die Entwicklung der Symbole ist ein offener Prozess. Ihr Inhalt wandelt sich, ein Teil der älteren Symbole ist bereits verschwunden, die Attraktivität und Bedeutung anderer gesunken. Eine Reihe von ihnen hat jedoch bis in die Gegenwart überlebt, wovon auch die slowakischen Euromünzen zeugen. Gleichzeitig entstehen neue Symbole und werden entstehen, sofern die europäischen Völker ihre Identität - verbunden mit den Erscheinungen der Gegenwart oder jüngsten Vergangenheit - bewahren wollen.

Bild 'Symbole_slovensko_euro'


Text eines Vortrages, gehalten am Slowakischen Kulturinstitut in Wien am 4. Februar 2009

Doc. PhDr. Dusan Skvarna, PhD. ist Historiker an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Univerzita Mateja Bela in
Banska Bystrica/Slowakei



Essay#

Viel Lärm um den Urslowaken#

Das Reiterstandbild von König Svätopluk in der Burg von Bratislava entzweit die Slowakei#


Von der Wiener Zeitung (Mittwoch, 21. Juli 2010) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von WZ-Korrespondentin

Karin Bachmann


König Svatopluk I.
König Svatopluk I. in Bratislava.
Foto: Martin Baran. Aus: Wikicommons unter CC

  • Das neue Denkmal des Staatsgründers Svätopluk besitzt faschistische Symbole.
  • Experten zweifeln historische Bedeutung des Königs an.
  • Bratislava. Svätopluk würde sich sicher im Grabe umdrehen. Am 6. Juni wurde vor der Burg in Bratislava ein mehrere Meter hohes Reiterstandbild enthüllt, das den Mann zeigt, der zwischen 871 und 894 über das Großmährische Reich herrschte. Seit Wochen vergeht kein Tag, an dem die Statue nicht in den Schlagzeilen auftaucht.

Der jüngste Coup wurde am Montag durch das Internetportal "aktualne.sk" entfacht. Das Medium berichtete, dass das auf dem Schild von Svätopluk angebrachte Doppelkreuz dem Abzeichen entspricht, das die faschistische Hlinka-Garde ab 1938 verwendete. Laut Ladislav Vrtel, dem Vorsitzenden der heraldischen Kommission des Innenministeriums, war das Hlinka-Doppelkreuz bewusst dem Hakenkreuz im Kreis nachempfunden, das die NSDAP als Parteiabzeichen verwendet hat. Auf diese Zusammenhänge habe er schon zwei Tage nach der Enthüllung der Statue hingewiesen, sagt Vrtel. Matus Kucera, der die Statue entworfen hat, hat das Doppelkreuz in einem Brief an Staatspräsident Ivan Gasparovic hingegen für einwandfrei und unbedenklich erklärt.

Am Dienstagmorgen war dann ein Teil der Statue verhüllt und mit Transparenten versehen, auf denen "Schreibt die Geschichte nicht um!" oder ein ironisch gemeintes "Svätopluk, Kaiser der Urslowaken" zu lesen stand. Zu der Aktion bekannte sich die Organisation UM!, ein Zusammenschluss von Studenten, Journalisten, Künstlern und Bürgern. Parlamentspräsident Richard Sulik reagierte prompt. Eine Historikerkommission soll nun die Frage beantworten, ob das Doppelkreuz auf dem Svätopluk-Schild tatsächlich dem Hlinka-Doppelkreuz entspricht. Außerdem sollen die Geschichtsforscher klären, ob eine Statue von Svätopluk überhaupt vor die Burg gehört. Ein Gutachten soll schon in einigen Wochen vorliegen.

Svätopluk war der dritte und zugleich bedeutendste Herrscher des Großmährischen Reiches, das von 833 bis ungefähr 907 existierte. Es war der erste größere slawische Staat überhaupt, Tschechen wie Slowaken betrachten es als historischen Ursprung ihrer heutigen Staaten. Auf der Tafel zu Füßen der Statue wird Svätopluk als König der alten Slowaken bezeichnet. Das entspricht zumindest dem Geschichtsbild, das der bei den Parlamentswahlen am 12. Juni abgewählte Premier Robert Fico in den vergangenen vier Jahren zu verbreiten suchte. Historiker bezweifeln jedoch, ob Svätopluk jemals auch nur einen Fuß auf das Gebiet der heutigen Slowakei gesetzt hat.

Wohl selten haben sich in der Slowakei die Geister so geschieden wie an der Svätopluk-Statue. Im Zusammenhang mit der Modernisierung des gesamten Burgareals erklärten Fico, Suliks Amtsvorgänger Pavol Paska und Staatsoberhaupt Gasparovic die Aufstellung des Reiterstandbilds zur Chefsache. Sie gründeten sogar einen Bürgerverein Svätopluk. Über eine öffentliche Sammlung sollten die 270.000 Euro beschafft werden, die für die Errichtung der Statue notwendig waren. Tatsächlich kam aber nur die Hälfte des Geldes zusammen. Wer letztlich für das Reiterstandbild aufkam, ist immer noch nicht bekannt.

Künstlerisch umgesetzt wurde das Reiterstandbild von Ján Kulich. Auch dagegen hatten sich Experten lange gewehrt. Schließlich war Kulich ein realsozialistischer Vorzeigekünstler, der seine größten Erfolge noch in den Zeiten des Kommunismus feierte.

Wiener Zeitung, 21.Juli 2010