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Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
Internet ) zu verstehen.2430 Wobei zu ergänzen ist, dass es naturgemäß
eine » unmittelbare « Wahrnehmung sein muss, handelt es sich doch um
ein gerade stattfindendes Geschehen. Zeichnet der Täter einen Internet-
Live-Stream auf, in dem er diesen auf seiner Festplatte abspeichert, um
das Video später anzusehen, ist nach § 207 a Abs 3 vorzugehen.
Die Tathandlung des Betrachtens von Darbietungen weist – im Ver-
gleich zur korrespondierenden Bestimmung bezüglich Darstellungen
des § 207 a Abs 3 a, wo als Tathandlung das weiterreichende » Zugreifen «
gewählt wurde 2431 – auf ein auf das » bloße « Ansehen beschränktes Ver-
halten hin. Ein Betrachten verlangt – im Gegensatz etwa zum bloßen
» Sehen « – eine gewisse Zeitdauer.2432 Die Darbietungen müssen daher
bewusst wahrgenommen werden. Ein – sofern dies überhaupt der Re-
alität entspricht – zufälliger Klick auf eine inkriminierte Live-Übertra-
gung im Internet, bei dem der Nutzer » im Augenwinkel « Darbietungen
zwar erkennen konnte, er diese aber nicht gezielt visuell konsumiert,
da er es eben auf ein solches Material nicht abgesehen hat, stellt kein
tatbestandliches » Betrachten « dar.
Das Betrachten wurde vom Gesetzgeber offenbar deshalb gewählt,
weil im englischen Originaltext des Europaratsübereinkommens und
der Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Be-
kämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung
von Kindern sowie der Kinderpornographie und zur Ersetzung des
Rahmenbeschlusses 2004 / 68 / JI 2433 die Tathandlung in » attending por-
nographic performances « besteht und die Übersetzungen uneinheit-
lich sind.2434 In der deutschen Übersetzung des Art 21 Abs 1 lit c des
Übereinkommens des Europarates findet sich als Tathandlung der » Be-
such einer pornographischen Darbietung «. Hingegen wird Art 4 Abs 4
RL 2011 / 93 / EU in der deutschen Übersetzung mit » an pornographi-
2430 Vgl ErlRV 1505 BlgNR XXIV. GP, 8; weiters Hinterhofer / Rosbaud, BT II 5 § 215 a Rz 6.
2431 Weil hier bereits das Zugreifen auf das Bildmaterial im Internet, ohne die In-
halte aber tatsächlich betrachten zu müssen, schon erfasst ist ( siehe dazu bereits
S 499 ff ). Beim Betrachten iSd § 215 a Abs 2 a reicht aber das bloße Zugreifen auf
eine Streaming-Datei für eine Verwirklichung noch nicht aus. Es könnte aber eine
ausführungsnahe Handlung vorliegen, die zu einer Versuchsstrafbarkeit führt.
2432 Vgl etwa Philipp in WK 2 § 215 a Rz 10a.
2433 Richtlinie 2011 / 93 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. De-
zember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Aus-
beutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rah-
menbeschlusses 2004 / 68 / JI des Rates, ABl L 2011 / 335, 1 idF L 2012 / 18.
2434 Vgl Art 21 Abs 1 lit c Europaratsübereinkommen bzw Art 4 Abs 4 RL 2011 / 93 / EU.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Titel
- Das materielle Computerstrafrecht
- Autor
- Christian Bergauer
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 700
- Schlagwörter
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Kategorien
- Informatik
- Recht und Politik