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werden wollte, erstickt worden. Man ist aber so wenig vorbereitet. In der
Bank zum Beispiel bin ich vorbereitet, dort könnte mir etwas Derartiges
unmöglich geschehen, ich habe dort einen eigenen Diener, das allgemeine
Telephon und das Bürotelephon stehen vor mir auf dem Tisch, immerfort
kommen Leute, Parteien und Beamte, außerdem aber und vor allem bin ich
dort immerfort im Zusammenhang der Arbeit, daher geistesgegenwärtig, es
würde mir geradezu ein Vergnügen machen, dort einer solchen Sache
gegenübergestellt zu werden. Nun, es ist vorüber und ich wollte eigentlich
auch gar nicht mehr darüber sprechen, nur Ihr Urteil, das Urteil einer
vernünftigen Frau, wollte ich hören und bin sehr froh, daß wir darin
übereinstimmen. Nun müssen Sie mir aber die Hand reichen, eine solche
Übereinstimmung muß durch Handschlag bekräftigt werden.«
Ob sie mir die Hand reichen wird? Der Aufseher hat mir die Hand nicht
gereicht, dachte er und sah die Frau anders als früher, prüfend an. Sie stand
auf, weil auch er aufgestanden war, sie war ein wenig befangen, weil ihr nicht
alles, was K. gesagt hatte, verständlich gewesen war. Infolge dieser
Befangenheit sagte sie aber etwas, was sie gar nicht wollte und was auch gar
nicht am Platze war: »Nehmen Sie es doch nicht so schwer, Herr K.«, sagte
sie, hatte Tränen in der Stimme und vergaß natürlich auch den Handschlag.
»Ich wüßte nicht, daß ich es schwer nehme«, sagte K., plötzlich ermüdet und
das Wertlose aller Zustimmungen dieser Frau einsehend.
Bei der Tür fragte er noch: »Ist Fräulein Bürstner zu Hause?« »Nein«, sagte
Frau Grubach und lächelte bei dieser trockenen Auskunft mit einer
verspäteten vernünftigen Teilnahme. »Sie ist im Theater. Wollten Sie etwas
von ihr? Soll ich ihr etwas ausrichten?« »Ach, ich wollte nur ein paar Worte
mit ihr reden.« »Ich weiß leider nicht, wann sie kommt; wenn sie im Theater
ist, kommt sie gewöhnlich spät.« »Das ist ja ganz gleichgültig«, sagte K. und
drehte schon den gesenkten Kopf der Tür zu, um wegzugehen, »ich wollte
mich nur bei ihr entschuldigen, daß ich heute ihr Zimmer in Anspruch
genommen habe.« »Das ist nicht nötig, Herr K., Sie sind zu rücksichtsvoll,
das Fräulein weiß ja von gar nichts, sie war seit dem frühen Morgen noch
nicht zu Hause, es ist auch schon alles in Ordnung gebracht, sehen Sie
selbst.« Und sie öffnete die Tür zu Fräulein Bürstners Zimmer. »Danke, ich
glaube es«, sagte K., ging dann aber doch zu der offenen Tür. Der Mond
schien still in das dunkle Zimmer. Soviel man sehen konnte, war wirklich
alles an seinem Platz, auch die Bluse hing nicht mehr an der Fensterklinke.
Auffallend hoch schienen die Polster im Bett, sie lagen zum Teil im
Mondlicht. »Das Fräulein kommt oft spät nach Hause«, sagte K. und sah Frau
Grubach an, als trage sie die Verantwortung dafür. »Wie eben junge Leute
sind!« sagte Frau Grubach entschuldigend. »Gewiß, gewiß«, sagte K., »es
kann aber zu weit gehen.« »Das kann es«, sagte Frau Grubach, »wie sehr
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Der Prozeß
- Title
- Der Prozeß
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155