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»Es ist kein Zweifel«, sagte K. sehr leise, denn ihn freute das angespannte
Aufhorchen der ganzen Versammlung, in dieser Stille entstand ein Sausen,
das aufreizender war als der verzückteste Beifall, »es ist kein Zweifel, daß
hinter allen Äußerungen dieses Gerichtes, in meinem Fall also hinter der
Verhaftung und der heutigen Untersuchung, eine große Organisation sich
befindet. Eine Organisation, die nicht nur bestechliche Wächter, läppische
Aufseher und Untersuchungsrichter, die günstigsten Falles bescheiden sind,
beschäftigt, sondern die weiterhin jedenfalls eine Richterschaft hohen und
höchsten Grades unterhält, mit dem zahllosen, unumgänglichen Gefolge von
Dienern, Schreibern, Gendarmen und andern Hilfskräften, vielleicht sogar
Henkern, ich scheue vor dem Wort nicht zurück. Und der Sinn dieser großen
Organisation, meine Herren? Er besteht darin, daß unschuldige Personen
verhaftet werden und gegen sie ein sinnloses und meistens, wie in meinem
Fall, ergebnisloses Verfahren eingeleitet wird. Wie ließe sich bei dieser
Sinnlosigkeit des Ganzen die schlimmste Korruption der Beamtenschaft
vermeiden? Das ist unmöglich, das brächte auch der höchste Richter nicht
einmal für sich selbst zustande. Darum suchen die Wächter den Verhafteten
die Kleider vom Leib zu stehlen, darum brechen Aufseher in fremde
Wohnungen ein, darum sollen Unschuldige, statt verhört, lieber vor ganzen
Versammlungen entwürdigt werden. Die Wächter haben nur von Depots
erzählt, in die man das Eigentum der Verhafteten bringt, ich wollte einmal
diese Depotplätze sehen, in denen das mühsam erarbeitete Vermögen der
Verhafteten fault, soweit es nicht von diebischen Depotbeamten gestohlen
ist.«
K. wurde durch ein Kreischen vom Saalende unterbrochen, er beschattete
die Augen, um hinsehen zu können, denn das trübe Tageslicht machte den
Dunst weißlich und blendete. Es handelte sich um die Waschfrau, die K.
gleich bei ihrem Eintritt als eine wesentliche Störung erkannt hatte. Ob sie
jetzt schuldig war oder nicht, konnte man nicht erkennen. K. sah nur, daß ein
Mann sie in einen Winkel bei der Tür gezogen hatte und dort an sich drückte.
Aber nicht sie kreischte, sondern der Mann, er hatte den Mund breit gezogen
und blickte zur Decke. Ein kleiner Kreis hatte sich um beide gebildet, die
Galeriebesucher in der Nähe schienen darüber begeistert, daß der Ernst, den
K. in die Versammlung eingeführt hatte, auf diese Weise unterbrochen wurde.
K. wollte unter dem ersten Eindruck gleich hinlaufen, auch dachte er, allen
würde daran gelegen sein, dort Ordnung zu schaffen und zumindest das Paar
aus dem Saal zu weisen, aber die ersten Reihen vor ihm blieben ganz fest,
keiner rührte sich, und keiner ließ K. durch. Im Gegenteil, man hinderte ihn,
alte Männer hielten den Arm vor, und irgendeine Hand - er hatte nicht Zeit,
sich umzudrehen - faßte ihn hinten am Kragen. K. dachte nicht eigentlich
mehr an das Paar, ihm war, als werde seine Freiheit eingeschränkt, als mache
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Der Prozeß
- Title
- Der Prozeß
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155