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man mit der Verhaftung ernst, und er sprang rücksichtslos vom Podium
hinunter. Nun stand er Aug in Aug dem Gedränge gegenüber. Hatte er die
Leute richtig beurteilt? Hatte er seiner Rede zuviel Wirkung zugetraut? Hatte
man sich verstellt, solange er gesprochen hatte, und hatte man jetzt, da er zu
den Schlußfolgerungen kam, die Verstellung satt? Was für Gesichter rings um
ihn! Kleine, schwarze Äuglein huschten hin und her, die Wangen hingen
herab, wie bei Versoffenen, die langen Bärte waren steif und schütter, und
griff man in sie, so war es, als bilde man bloß Krallen, nicht als griffe man in
Bärte. Unter den Bärten aber - und das war die eigentliche Entdeckung, die K.
machte - schimmerten am Rockkragen Abzeichen in verschiedener Größe und
Farbe. Alle hatten diese Abzeichen, soweit man sehen konnte. Alle gehörten
zueinander, die scheinbaren Parteien rechts und links, und als er sich plötzlich
umdrehte, sah er die gleichen Abzeichen am Kragen des
Untersuchungsrichters, der, die Hände im Schoß, ruhig hinuntersah. »So«, rief
K. und warf die Arme in die Höhe, die plötzliche Erkenntnis wollte Raum,
»ihr seid ja alle Beamte, wie ich sehe, ihr seid ja die korrupte Bande, gegen
die ich sprach, ihr habt euch hier gedrängt, als Zuhörer und Schnüffler, habt
scheinbare Parteien gebildet, und eine hat applaudiert, um mich zu prüfen, ihr
wolltet lernen, wie man Unschuldige verführen soll! Nun, ihr seid nicht
nutzlos hier gewesen, hoffe ich, entweder habt ihr euch darüber unterhalten,
daß jemand die Verteidigung der Unschuld von euch erwartet hat, oder aber -
laß mich oder ich schlage«, rief K. einem zitternden Greis zu, der sich
besonders nahe an ihn geschoben hatte - »oder aber ihr habt wirklich etwas
gelernt. Und damit wünsche ich euch Glück zu euerem Gewerbe.« Er nahm
schnell seinen Hut, der am Rande des Tisches lag, und drängte sich unter
allgemeiner Stille, jedenfalls der Stille vollkommenster Überraschung, zum
Ausgang. Der Untersuchungsrichter schien aber noch schneller als K.
gewesen zu sein, denn er erwartete ihn bei der Tür. »Einen Augenblick«,
sagte er. K. blieb stehen, sah aber nicht auf den Untersuchungsrichter, sondern
auf die Tür, deren Klinke er schon ergriffen hatte. »Ich wollte Sie nur darauf
aufmerksam machen«, sagte der Untersuchungsrichter, »daß Sie sich heute -
es dürfte Ihnen noch nicht zu Bewußtsein gekommen sein - des Vorteils
beraubt haben, den ein Verhör für den Verhafteten in jedem Falle bedeutet.«
K. lachte die Tür an. »Ihr Lumpen«, rief er, »ich schenke euch alle Verhöre«,
öffnete die Tür und eilte die Treppe hinunter. Hinter ihm erhob sich der Lärm
der wieder lebendig gewordenen Versammlung, welche die Vorfälle
wahrscheinlich nach Art von Studierenden zu besprechen begann.
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Der Prozeß
- Title
- Der Prozeß
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155